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Mosche taucht ab (kBK 19+)
Die Sonne knallt den Badegästen auf die Schädel und verwirrt in Gemeinschaftsarbeit mit dem lauwarmen Bier ihre paar Sinne. Mal abgesehen von einigen Kindern, die es an diesem Sommertag im MZK Freizeitbad vorziehen nüchtern zu bleiben, fläzt sich die Menge matt und benebelt auf ihren altersschwachen Sonnenliegen, oder auf ihren abgewetzten Tüchern mit Motiven aus den letzten beiden Jahrzehnten und gibt sich der Sinnlosigkeit ihres Daseins hin.
Die Luft zieht zäh durch die Gegend und verbreitet eine Art kollektiven Asthmazustand, bei denen, die es an einem Tag wie heute nach draußen zieht.
Wolfgang Moschinsky, der leitende Bademeister des MZK Freizeitbades, sitzt auf seinem Turm und sieht sich die Wettscheine an, mit denen er am vergangenen Wochenende mal wieder so richtig derbe danebengelegen hatte. Das plätschernde Gemurmel, das von unten durch seine offenen Fenster drängt, hat sein Gehirn längst in Grundrauschen umgewandelt.
„So ne Scheiße, Mann!“ Sein Handy dudelt die Melodie von Wind of Change.
„Ja, Mosche?“
„Ja ... Mhm ... Natürlich bekommt ihr die Scheine ... ist doch ... Ja, okay ... Aber ... Ja, ich weiß, was dann passiert.“ Kurz aufkommende Panik, weicht der Sicherheit beim nächsten Spiel groß abzukassieren. Er braucht nur noch den Einsatz.
Er zieht das Pack Koks aus seiner kurzen, mal weiß gewesenen Hose, das er diesem Wicht an der Kasse abgenommen hatte und legt es neben die Chlorprobenergebnisse und leeren Kippenschachteln auf seinen kleinen Bademeister Tisch.
„In meinem Freibad gibt’s keine Drogen“, hatte er den Übeltäter angeraunzt und den Papierumschlag in seiner Hosentasche verschwinden lassen.
„Geh durch! Das Messer kannst du behalten.“ Mosche kann keine Verzögerungen vertragen, da ließ er in der Vergangenheit schon so manches Mal eine Mandel lautstark platzen. Die Mutter des Jungen keifte ohrenbetäubend und zog das plärrende Balg in Richtung Liegewiese hinter sich her.
Das Bauen der Line wird von einigen Schwierigkeiten begleitet, da schweißgetränktes Kokain sich schlecht verteilen lässt, also zieht er sich in seiner Ungeduld lieber die Klumpen direkt aus dem Papier in die geschundene Nase.
„Uaaarggh, geil!“ Er schlägt sich gegen die Brust wie King Kong.
„Ich hab es einfach drauf, Mann!“
Heute Morgen erst hatte er ein vögelndes Pärchen in der Herrenumkleide erwischt.
„Na, wen haben wir denn hier? Was seid ihr denn für Schweine?“ Er zog den Nackten aus der Zelle und rückte ihm die Gesichtszüge zurecht, bis sein Blut die fußpilzverseuchten Kacheln in dem typischen Erythrozyten-Rot erscheinen ließ. Sie kreischte in einer Tour und vergaß in ihrer Angst, die Hände blickschützend vor ihre Blöße zu halten, was Mosches Wut in geile Raserei verwandelte.
„In meinem ...!“ Nase „... Schwimmbad ...!“ Zähne „... wird ...! Rechtes Auge „... nicht ...!“ Linkes Auge „ ... gefickt! Ist das klar?“ Das Kreischen der Nymphe wurde immer hysterischer, während ihr Geliebter in verbale Lethargie verfiel und außer zahnendem Schmatzen nicht mehr viel zu sagen hatte.
„Du kommst auch dran, Hure!“ Er packte den Bewusstlosen bei den Armen und zog ihn in die Kabine, wo er den immer noch erigierten Penis durch eines der Spannerlöcher drückte und an der anderen Seite gründlich mit einem Spindschlüsselband umwickelte, was ein herausziehen für den Rammler zumindest im durchbluteten Zustand unmöglich machte. Dann ritzte er noch die Worte „In meinem Schwimmbad wird nicht gefickt!“ über die verstopfte Öffnung, bevor er sich mit dem Ziel, die frisch formulierte Regel zu brechen, der jungen Frau zuwandte.
Aber das war heute Morgen.
Mosche kratzt sich den schmierigen Sack und steckt das Pack in seine Brusttasche. Er verschränkt die Arme und wirft einen kaiserlichen Blick durch die zu allen Seiten zeigenden Fensterrahmen auf sein Reich.
Hier liegen sie, die Aasgeier, die Faulenzer und Nichtsnutze. Ein jahrtausend Knast verweilt hier, Tuch an Tuch und schmiert sich gegenseitig die tätowierten Rücken ein.
Am Kiosk sitzen Specknacken und seine Genossen und trinken Bier den ganzen Tag. Mosche zieht seinen Feldstecher zur Hilfe. Lunge, Specknackens Pitbull schläft im Schatten des Tisches.
Eigentlich ist es laut Schwimmbadverordnung strengstens untersagt Hunde mitzubringen, aber wie sollte man Speckie das beibringen, wo er doch der mächtigste Mann der Gegend ist.
Als Lunge vor ein paar Jahren einem kleinen Mädchen das Gesicht anknabberte, hatte Mosche ihn darum gebeten das Monstrum doch wenigstens anzuleinen, ohne Erfolg. Speckie schickte der Familie des Mädchens eine Plastikmaske mit Pumuklmotiv und ließ ihren Vater von Pimmel Achim, seinem übelsten Schläger aufs Ärgste verprügeln, nicht aber ohne ihm einen eigens verfassten Vortrag über die elterliche Aufsichtspflicht vorlesen zu lassen.
Specknacken, eigentlich Günther Lempen, besitzt mehrere Wettbüros und Kreditinstitute im Bezirk. Jede Geldangelegenheit hier läuft über ihn und in einem Viertel wie diesem, sind das eine Menge.
Jetzt sitzt er da unten mit seinen Jungs und trinkt ein Pils nach dem anderen. Pimmel Achim kommt dazu und beugt sich zu Lempen, der ihm etwas ins Ohr murmelt. Der Schläger blickt in Richtung Turm und nickt.
„Hey was haben wir denn da?“
Da hat sich doch gerade ein Paar sonnengebräunter Titten in Mosches Blickfeld gemogelt. Eine Gelegenheit, die nicht zu nutzen für einen echten Moschinsky unverzeihlich wäre.
„Geil, du Sau! Zeig sie mir! Deine geilen ... Du miese ... Die geilen Dinger da ... Ohh ...! Zeig sie mir ...! Scheiße ... ! Mann ... Oh......! Ich schlag dir die Fresse ein, du Schlampe ...! Scheiße!“
Er pfeffert den umfunktionierten Schwimmflügel in die Ecke seines Beobachtungspostens und reinigt sich mit einer Leihbadekappe.
Wieder Wind of change.
„Ja, Mosche ...? Hallo Schatz ... gut ... ja, ich bringe Milch mit. Wie geht’s den Kindern?“
„Hallo ...“
„Ja? Schön ... Ja ich freue mich auch schon auf heute Abend.“
„Hallo, ich bräuchte ...!“
„Ja, ich liebe dich auch.“
„Entschuldigung?“
„Ja, dann machen wir es uns gemütl...“
„Eine Badekappe ...“
Ein verzweifelter Schrei durchschneidet den Nachmittag.
„Scheiße! Ich ruf dich zurück!“
„Ah, da ist ja eine.“
Mosche drängt die ältere Dame zur Seite, die sich allem Anschein nach mit einem Anliegen die Mühe gemacht hat, die Leiter zu seinem Posten hinauf zu klettern und macht sich in Sekunden ein Bild von der Situation.
Das Schauspiel, das sich ihm bietet, ist ihm nur zu bekannt. Wild mit den Armen um sich schlagend, versucht eine Frau dem Ertrinken zu entgehen. Ihre Bewegungen sind alles andere als koordiniert und somit auch wenig erfolgsversprechend. Es zieht sie eisern Richtung Grund.
Mosches Rettungsschwimmerinstinkt ist geschärft und mit hundertprozentiger Präzision macht er sich auf den Weg seine Berufung zu erfüllen.
Um den Beckenrand hat sich mittlerweile eine Traube Schaulustiger versammelt, die ein Durchkommen gleich erschweren wird. Aus dem Augenwinkel sieht er Specknacken, scheinbar Wetten abschließend. Am Fuße der Leiter angekommen, reißt er die Rettungsweste vom Haken und setzt seinen Weg fort.
Für seine Fülle behände, bahnt er sich seinen Weg durch die johlende Menge, springt mit einem beinahe eleganten Kopfsprung in das überchlorte Wasser und krault Richtung Einsatzort.
Die Schläge der Ertrinkenden sind etwas abgeschwächt, aber noch voller Hoffnung.
„Halten Sie durch, ich komme!“ Mosche erhöht das Tempo, ihre Aufenthalte über dem Wasserspiegel verkürzen sich, bis sie schließlich ganz unten bleibt.
Er stößt sich von einer imaginären Wand ab, schwimmt unter Wasser auf sie zu, bekommt sie schließlich direkt unter ihrem strammen Busen zu greifen und macht sich mit ihr im Schlepptau wieder zurück zur Oberfläche. Prustend kommt sie zu sich.
„Danke!“, stöhnt sie durch die Fontainen ihres Erbrochenen. „Das war knapp.“
Die Menge der Schaulustigen löst sich langsam auf. Hier gibt’s nichts mehr zu sehen.
Stolz schwimmt Mosche mit der Geretteten im Arm in der Mitte des Schwimmerbereichs, ohne den Versuch anzustellen das Ufer erreichen zu wollen. Ihm wird wieder einmal klar, was an seinem Beruf so reizvoll ist.
„Fass ihn an!“
„Was?“
„Du sollst ihn anfassen!“
„Nichts werde ich anfassen, du Schwein!“ Mosche drückt sie unter Wasser, um sie wenig später wieder Luft holen zu lassen. „Lust auf Döppen?“ Mosche lacht dreckig.
„Arschloch!“ Aus ihren Gesichtslöchern spritzt die lauwarme Brühe.
Der Bademeister lenkt sie an ihren Haaren mit einem Ohr direkt vor seinen Mund.
„Wenn du nicht tust was ich sage ersäuf ich dich, wie eine Katze!“
Das Publikum wird wieder neugierig, es scheint Komplikationen zu geben.
„Krämpfe!“, schreit Mosche. „Ich mach das schon!“
„Fass ihn an! Er ist schon ganz ...“ Mit weit aufgerissenen Augen starrt er sein vermeintliches Opfer an und verharrt erschrocken in seiner Bewegung. „ ... hart.“
„Du kannst mich mal du Dreckschwein!“, sagt sie, während sie das Messer aus seinen Gedärmen zieht.
„Was ...?“ Er blickt hinab in gerötetes Wasser.
„Fünfzigtausend ist einfach zuviel, soll ich dir von Speckie ausrichten.“
„Speckie?“ Erneut fährt die Klinge schonungslos durch seinen Bauch. Kein Schmerz, komisch.
„Ja, Speckie.“
„Aber ich hätte ... ich hätte diesmal gewonnen, ich hatte ... einen todsicheren Tipp.“ Seine Zunge wird schon müde, er lässt von ihrem Haar ab.
„Todsicher, das stimmt“, sagt sie, bevor ihr Skalpell seinen Adamsapfel entkernt.
Sie löst sich vom Gewicht des sinkenden Bademeisters und macht sich auf den Weg zum Beckenrand, wo Günther Specknacken Lempen und sein beschränkter Gehilfe, Pimmel Achim, die aufgebrachte Menge beruhigen.
Die Sonne lässt ein munteres Farbenspiel entstehen, ihre Strahlen hüpfen über das verfärbte Nass und verzaubern die, die sich des Ursprungs nicht bewusst sind.
Von den Anstrengungen scheinbar unbeeindruckt zieht sie sich die Treppe hoch und verlässt das Becken.
„Fein gemacht, Süße!“, flüstert Speckie und gibt ihr einen Klaps auf den knackigen Hintern.
„Meine Tochter.“
An Achim gewandt, sagt er:
„Sorg dafür, dass die Reste verschwinden und organisier uns einen neuen Bademeister, aber diesmal keinen beschissenen Zocker!“
Der Schläger macht sich auf den Weg.
„Dieser fette Penner!“, murmelt er wütend vor sich hin und tritt barfuss in einen klebrigen Holzstiel, mitsamt der dazugehörigen Wespe.
„Scheiße, verdammte!“
Der Abend senkt sich langsam über das Freibad, längst ist es nicht mehr so voll, wie noch am Nachmittag.
Aus den Herrenumkleiden kommt das leise Wimmern eines jungen Mannes, dessen Penis im Laufe des Tages seine Farbe im Stundentakt wechselte, um letztendlich bei einem ungesunden Dunkelblau stehen zu bleiben. Ein paar Jugendliche hatten ihn zwar entdeckt, aber nichts Besseres zu tun gewusst, als ein Elefantengesicht um den Rüssel zu pinseln und sich über ihre glorreiche Idee köstlich zu amüsieren.
Nun endlich dringt sein Weinen aber an die offenen Ohren einer älteren Dame, die gerade verzweifelt damit beschäftigt ist, vor dem Spiegel ihre verklebten Haare aus der geliehenen Badekappe zu befreien.
Und so endet wieder ein langer Tag im MZK Freizeitbad. Diesmal aber ohne Mosche, dessen Frau Moni heute Ihren Kindern wohl nicht wie geplant den heißgeliebten Milchreis kochen wird.