krissy schrieb:
und kunst sollte meiner meinung nach bestehende regeln, ordnungen immer wieder hinterfragen, an die grenzen bringen, grenzen überschreiten auch und im besonderen im namen von wenigerheiten, um das wort "minder"heiten zu vermeiden...
Natürlich sollte sie das, es ist allerdings die Frage, ob es über die Rechtschreiung da nicht zu einer Metaebene kommt. Ein Text setzt sich im günstigsten Fall schon mit etwas auseinander, hinterfragt, Regeln und Ordnungen, inhaltlich fern ab vor Rechtschreibung. Lese ich also einen Text in ausgesprochner Kleinschreibung, mag für den Autor nur das politische Bekenntnis gegen die Großschreibung dahinterstecken, ich aber suche in der Kleinschreibung einen inhaltlichen Bezug. Die Metaebene lenkt mich also ab, das Bekenntnis kommt nicht an.
die allerdings individuellen Abweichungen, je nach Können und Wollen (künstlerische Freiheit), Raum lassen, was sich im alltäglichen und besonderen Sprachgebrauch eh auf diese Weise etabliert, wenn da bloß nicht die Gleichsetzung von Rechtschreibschwächen und Dummheit wäre...
"Können" sollte dabei keine Rolle spielen, vorausgesetzt, man setzt Rechtschreibschwächen nicht mit Dummheit gleich sondern akzeptiert, dass es auf den Inhalt ankommt. Dann gibt es für das "Können" ja Lektoren, die den Text überarbeiten und dem Wollen anpassen können.
Andererseits habe ich auch ganz häufig das Gefühl, dass "künstlerische Freiheit" als Euphemismus für "Unvermögen im Ausdruck" verwendet wird.
Diese Anschlussfähigkeit habe ich in fast trotzigem Widerstand gegen Konventionen, die ich allzu gern als Machtmittel aufdecke, vernachläsigt.
Die Gefahr, die ich darin sehe ist, dass auf einmal alles Ausdruck von Machtmitteln ist und sich als solches sogar begründen lässt. Das führt oft von wesentlichen Macht- und Unterdrückungsmechanismen weg.
Gerade die Rechtschreibung ist ja bis auf die jetzige seit zehn Jahren umkämpfte Reform eher demokratischen Wandel unterstellt. Der Duden greift die Veränderungen aus dem Alltag auf und aktualisiert danach seine Auflagen.
Gerade was Bildung betrifft, halte ich die Frage des Machtmittels relevant, ziehe aber andere Schlüsse daraus. Bildung ist ein wesentlicher Faktor zur Chancengleichheit. Allen Menschen gleiche Bildung zukommen zu lassen, ist eine Grundlage, um demokratisches oder auch Klassenbewusstsein zu schaffen.
Hier ist die Praxis sicherlich noch weit von Gerechtigkeit entfernt (Pisa rügte ja gerade diesen Punkt in seiner Studie über Deutschland sehr).
Es mag aktuell sehr hilfreich sein, zu sagen, scheißegal, wie jemand schreibt, hauptsache, er hat etwas zu sagen. Es ließe sich aber fragen, ob ich damit nicht einen Zustand determiniere, der auf Dauer nicht wünschenswert ist.
Vor diesem Hintergrund stört mich die neue Rechtschreibung so wenig, wie es die alte getan hat. Es kommt darauf an, allen zu ermöglichen, sie zu erlernen, auch und gerade, um auch auf eigene Bedürfnisse aufmerksam zu machen.
Lieben Gruß, sim