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Sex am Arbeitsplatz

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28.04.2005
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Sex am Arbeitsplatz

Buchstabenkauderwelsch auf meinem Monitor. Wörter und Diagramme hatten sich in einem lustigen Tanz von ihren Plätzen auf dem Bildschirm gestohlen und schwirrten mir vor den Augen umher. Dabei waren es noch gute drei Stunden, bis ich mich endlich in den erlösenden Feierabendstau einreihen konnte. Trostlose Langeweile und keine Abwechslung in Sicht. Alle paar Minuten drückte ich eine Taste, um zu verhindern, dass sich der Bildschirmschoner einschaltete.
Ich hasste meinen Job.
Hinter mir wurde die Bürotür geöffnet. Herr Siebers.
„Entschuldigung. Dürfte ich kurz stören?“
Innerlich jauchzte ich auf. Eine Abwechslung hatte mein Büro betreten. Todernst fasste ich den Störenfried ins Auge.
„Das tun Sie doch schon.“
Ich erntete eine emporgezogene Augenbraue. Erfolg! Der Hofnarr zwischen meinen Ohren applaudierte mir freundlich.
Der Eindringling - heimlich bezeichnete ich ihn schon als meinen Erlöser - ließ sich jedoch nicht weiter aus der Fassung bringen. Er holte tief Luft und setzte zum Sprechen an, als ich ihm im letzten Moment zuvorkam.
„Möchten Sie sich nicht setzen?“
Er zögerte kurz, fuhr sich mit einem Finger über seine rot gemusterte Krawatte und nahm dann doch Platz. Ein wenig nervös war mein Held ja schon.
Etwas fahrig rückte er seine Brille zurecht und fasste mich dann streng ins Auge.
„Was halten Sie von Sex am Arbeitsplatz?“
„Ist zwar ein freundliches Angebot, aber ich muss ablehnen.“ ... und halte mich lieber an die Kolleginnen, fügte ich in Gedanken hinzu, konnte mir aber im letzten Moment auf die Zunge beißen.
Die Pausbäckchen meines Gegenübers liefen knallrot an.
„Ich muss doch sehr bitten. Das war eine ernst gemeinte Frage.“
„Das war auch eine ernst gemeinte Antwort.“
Für einen Moment fehlten Herrn Störenfried tatsächlich die Worte. Zum Glück verkniff ich mir ein Grinsen.
„Es handelt sich hier um eine heikle Angelegenheit. Uns sind in letzter Zeit einige Klagen von Mitarbeiterinnen zu Ohren gekommen, in Bezug auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.“
Der Kämpfer gegen Langeweile und geistige Verdummung setzte eine gewichtige Miene auf. Mein Schweigen ermunterte ihn scheinbar und so fuhr er ohne eine Unterbrechung fort.
„Aus diesem Grunde haben wir, hier im Büro, eine Umfrage gestartet ...“
„… und bei einer Zweidrittelmehrheit helfen wir ein paar jungen Polinnen über die Grenze?“
Herrn Störenfrieds Gesichtszüge entglitten. Vollkommen verdattert schaute er mich an und schnappte nach Luft.
„Sie unterschätzen den Ernst der Lage. Nehmen wir mal Fräulein Schmitz ...“
„Schon wieder? Wo bliebe denn da die Abwechslung?“
Kurz sah ich einen Engel vor meinen Augen vorbeifliegen, der mahnend auf ein Kündigungsschreiben klopfte, doch mir saß der Schalk im Nacken.
Und ich wurde belohnt. Eine dicke Ader auf der Stirn des Herrn vor mir zeugte von meinem Triumph.
„Sie führen hier also gerade eine Abstimmung durch, ob Fräulein Schmitz der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden sollte? Muss ich unterschreiben, oder reicht eine mündliche Zusage?“
Ich hatte damit gerechnet, ihn inzwischen bis zur Weißglut gereizt zu haben, doch mein Gegenüber gab noch nicht auf. Ein zäher Bursche, das musste ich ihm lassen. Scheinbar lag seine Hoffnung immer noch darin, das Gespräch zu einem sinnvollen Abschluss zu bringen.
„Es handelt sich keineswegs um eine Abstimmung. Es ist vielmehr eine Umfrage, deren Zweck es ist ...“
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche“, warf ich ein und sah auf den Monitor, dessen Bildschirmschoner geradezu nach dem Drücken einer beliebigen Taste schrie, „aber ich würde gerne weiterarbeiten. Könnten Sie vielleicht zum Punkt kommen?“
Schon lange hatte ich nicht mehr soviel Spaß im Büro gehabt, aber Herr Störenfried musste das ja nicht wissen. Und er schluckte es.
„Natürlich. Frage Eins. Ist ihnen jemals eine sexuelle Belästigung in diesem Büro aufgefallen?“
„Hier in meinem?“
Ich blickte mich viel sagend um. Eine vertrocknete Zimmerpflanze, ein Schreibtisch für Miniaturmenschen und ein Playboy-Kalender, den ich mit Herzblut verteidigte. Nicht gerade ein Catwalk.
„Die Frage bezog sich auf die gesamte Geschäftsstelle.“ An seinem leicht herablassenden Tonfall konnte man seine Gedanken förmlich ablesen. Ich war der Idiot und er Herr Superschlau. Denkste.
„Nun ja. Belästigung würde ich es nicht grade nennen. Aber ...“
Er wurde hellhörig. Superschlaus Gesicht verzog sich zu einem füchsischen Grinsen. Sein Jagdtrieb war geweckt.
„Sprechen Sie weiter.“
„Also direkt belästigend finde ich es nicht. Aber wenn das Fräulein Schmitz in ihren kurzen Röcken und dem tiefen Ausschnitt hier herumstolziert... Das ist schon ein flotter Feger. Wer kann sich da noch wirklich auf die Arbeit konzentrieren?“ Ich legte einen bewusst empörten Tonfall in meine Stimme, zwinkerte ihm dabei jedoch verschwörerisch zu.
Die Antwort schien ihm nicht gefallen zu haben. Resigniert sackte er in meinem Stuhl zusammen und zog die Augenbrauen hoch.
„Das war mit sexueller Belästigung nun wirklich nicht gemeint. Ist Ihnen dieser Tatbestand nicht einmal bekannt?“ Schullehrertonfall. Wie ich das hasste. Langjährige Übung ließ mich sofort abschalten, während er weiter lamentierte. Ein aufmerksames Gesicht war dabei die ganze Kunst.
Vor zehn Jahren war Siebers gewiss noch ein zielstrebiger und idealisierter Arbeitnehmer gewesen; heute war er nur noch ein Arschkriecher. Ich fragte mich immer häufiger, ob jede Firma so einen Typen anstellen musste. Die so genannte Denunziantenpflichteinstellung, gleich vor der Behinderten- und nach der Frauenquote.
Ich riss mich aus meinen Gedanken zurück. Herr Superschlau-Störenfried hatte eine Frage gestellt.
„Hm?“
„Ich fragte, ob Ihnen eine solche Art der sexuellen Belästigung in dieser Geschäftsstelle schon einmal aufgefallen ist.“
„Wenn Sie mich so direkt fragen, muss ich wohl mit 'Nein' antworten.“
Das Gespräch begann langweilige Formen anzunehmen. Ich musste etwas tun, andernfalls hätte ich auch weiterarbeiten können.
„Haben Sie eigentlich auch schon mal mit der Erna?“, eine viel sagende Handbewegung ergänzte meinen Satz.
„Wie meinen?“
„Na, die Erna. Frau Huber. Die Tippse vom Chef. Die lässt doch jeden ran.“ Nach einem kurzen Blick auf ihn überdachte ich meinen Satz noch einmal. „Fast jeden.“
Das hatte gesessen. Er vergaß tatsächlich den Mund zu schließen.
„Oh, ich verstehe. Aber bei der Azubine hatten Sie bestimmt schon mal das Vergnü... Also, ich meine, die muss ja auch jeden ranlass... Lehrjahre sind schließlich keine Herrenjahre.“
Ich stieß ihn mit dem Ellenbogen an und grinste.
„Wobei die Schmitz ja wirklich der Oberhammer ist. Aber das brauche ich einem Schwerenöter wie Ihnen wohl nicht zu erzählen, wie?“
Das war's. Mit einem leisen Pfeifen fiel der Engel ohnmächtig von meiner Schulter. Den brauchte ich gerade eh nicht, schließlich war das Teufelchen in der kreativsten Phase seit meiner Anstellung.
Noch schien das Gesagte mein Gegenüber nicht so recht erreicht zu haben. Oder er verarbeitete es noch in verstandgemäße Bröckchen. Der finale Schlag stand an.
„Eigentlich eine Sauerei, wie die Moral in unserer Geschäftsstelle vor die Hunde geht. Wir bräuchten mal wieder Zucht und Ordnung. Vielleicht kann der Chef ja Peitschen als Arbeitsmaterialien absetzen.“
Er sprang auf.
„Das war es für Sie. Ich sorge persönlich für Ihren Rauswurf.“ Sein Falsett tat schon fast in den Ohren weh, aber meinem kleinen Teufelchen gefiel der Ausbruch. Mir auch - ehrlich gesagt.
Mit hochrotem Kopf verließ Superschlau das Büro und eilte zum Aufzug, um dem Chef umgehend Bericht zu erstatten. Jetzt wurde es eng.
Ein schneller Seitenblick überzeugte mich davon, dass das Büro neben mir leer war. Fräulein Schmitz war wohl gerade auf der Toilette. Prima. Schnell an ihr Telefon und die 011 gewählt. Chefetage.
-Tut-. Kloß im Hals heraufbeschwören. –Tut-. Ich schaffte es tatsächlich mir eine Träne aus dem Augenwinkel hervor zu pressen. -Tut-
„Müller hier.“
Mein Schluchzen klang selbst für mich authentisch.
„Hallo?“
Jetzt oder nie.
„Ich... ich möchte eine sexuelle Belästigung melden.“ Broadway ich komme.
„Wie bitte?“. Empörung lag in seiner Stimme. Genau das richtige Maß.
„Herr Siebers kam mit einer Umfrage in mein Büro und hat mich dann angefangen zu betatschen.“ Oh, Oscar mein.
„Würden Sie das vor ihm wiederholen?“
Ein lang gezogenes Schluchzen. „Nein. Ich will das nicht. Ich will nicht dass man es weiß. Ich will anonym bleiben.“
„Aber Fräulein Schmitz ...“
Auflegen. Hastig. Fast hätte ich angefangen zu lachen. Ich liebe meinen Job.

 

möp, ich finde deine geschichte toll.. und finde auch nicht wie zahlreiche andere so viele verbesserungsvorschläge.. vor allem der schluss hat mir sehr gefallen.. hehe, cooler typ.. mfg

 

tuuut, danke für die Kritik. Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat!
fgz (freundlichen Gruß zurück) Zensur

 

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