Mitglied
- Beitritt
- 09.08.2023
- Beiträge
- 9
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Zuletzt bearbeitet:
Tod einer Göttin
Tod einer Göttin
Hektor pustet über den Rand der dampfenden Tasse und nimmt vorsichtig einen Schluck von dem heißen Kaffee. Er sitzt auf einem dreibeinigen Bildhauerbock in seinem Atelier und betrachtet die fast fertige Statue. Der 800 Kilo schwere Block aus feinstem Statuario-Marmor hat ihn ein kleines Vermögen gekostet. Nun sind es nur noch ein paar Tage, dann würde die nackte Frau mit dem locker um die Hüften gelegten Tuch fertig sein.„Das Unbeschreibliche
Hier ist es getan
Das ewig Weibliche
Zieht uns hinan“ [1]
Er tritt näher heran und betrachtet den schimmernden, von hellgelben Adern durchzogenen alten Stein, aus dem in feinen gehauen Linien dass anmutige Gesicht einer jungen Frau hervortritt. In wochenlanger Arbeit hat er es dem feinkörnigen Stein mit Schlag-, Spitz- und Beizeisen entrissen und dann die Oberfläche mit Diamantschleifpads und Polierpaste abgeschliffen, so dass diese nun glatt wie die Haut eines jungen Mädchens erscheint.
Im rückwärtigen Teil ist die Skulptur noch nicht fertig. Es wirkt, als würde sie aus dem Steinblock heraustreten, um sich zu materialisieren.
Das Gesicht mit den großen, tiefliegenden Augen, den hohen Wangenknochen und dem zierlichen Mund kommt ihm vertraut vor, als habe er es schon vor Beginn seiner Arbeit gekannt. Und dann weiß er auch, welchen Namen er ihr geben wird: Aglaia – die Göttin der Reinheit, Grazie und Anmut, so soll sie heißen.
Er stellte die Tasse mit dem Kaffee zur Seite, nimmt das Beizeisen in die linke und den Messingklüpfel in die rechte Hand, um einige letzte Korrekturen an der Falten des Hüfttuchs vorzunehmen.
Bald würde er sein Werk vollenden und Aglaia zum Leben erwecken. Nicht so lebendig natürlich wie die Aphrodite des Pygmalion aus Zypern, dem es vor über 2000 Jahren gelungen war, die von ihm erschaffene Statue mit Hilfe der Göttin Venus tatsächlich lebendig werden zu lassen. Um dann mit der erwachten Frau seiner Träume sogar Kinder zu zeugen. So lebendig würde sie nicht werden. Aber das war wohl auch gut so, denn er mochte keine lebendigen Menschen um sich herum und bevorzugte die Nähe zu seinen steinernen Skulpturen.
Hektor starrt in den Ausstellungsraum nebenan, wo noch einige unverkaufte Statuen standen, allesamt griechische Götter, Halbgötter, Nymphen und Unterweltwesen.
Ja, seine Skulpturen waren gut, aber Aglaia würde perfekt werden. Vielleicht nicht perfekt im üblichen Sinne, denn seine Werke enthielten verstörende Elemente mit eigenwilligen und teils dämonischen Interpretationen. Aber perfekt in seinem Sinne.
So wie Selene, die Mondgöttin, ohne Ohren und Augen oder Hermaphroditos mit weiblichen Brüsten und fein gemeißelten, männlichen Geschlechtsteilen. Für Poseidon, den er aus einer Laune heraus mit einem Blumenstrauß statt Dreizack ausstattete, hat er sogar schon einen Interessenten gefunden.
Und auch für die perfekte, anmutige Aglaia hat er noch einige künstlerische - wie soll man es am besten nennen? - ‚Ergänzungen‘ geplant. Die steinerne Schönheit würde später mit gebrochenem Genick auf ihrem Podest stehen. Mit einer tiefen Wunde im Genick, genau da, wo sich eine dunkle Ader durch den Stein zieht. Zu ihren Füßen würde ein Beil aus Marmor liegen. Die Anmut des Schönen vereint mit dem Schmerz des Todes!
‚Sabotage am eigenen Werk‘ nennen es seine wenigen Freunde. Und es gibt kaum Kunden, die seine verstörenden Werke kaufen.
‚Sie wollen es einfach nicht verstehen‘, denkt Hektor nicht zum ersten Mal. ‚Das Element der Destruktion macht das Lebendige, Reine und Anmutige doch erst richtig sichtbar. Nichts kann schließlich ohne sein Gegenteil existieren.‘
Er setzt den Daumen auf den Köppel und will gerade mit einem ersten sanften Schlag dem Lendentuch Leben einhauchen, als es plötzlich klingelt. Er hält mitten in der Bewegung inne und schaut sich verwundert um. Er hat wohl, entgegen seiner Gewohnheit, sein Smartphone mit ins Atelier genommen hat, welches ihn nun ungeduldig mahnt, einen Anruf anzunehmen.
‚Verdammt‘, flüstert er, greift nach dem Smartphone und nimmt das Gespräch an.
„Ja, was denn?“ bellt er ins Mikrofon.
„Oh, der Herr ist aber heute wieder gut gelaunt“, sagt die Stimme am anderen Ende.
„Ach, Laura.“ Hektor seufzt. „Du weißt doch, dass ich vormittags immer arbeite. Also, was gibt’s so Eiliges?“
„Dann will ich mich kurzfassen“, antwortet Laura. „Heute ist schon der siebte und ich hab‘ noch keinen Unterhalt auf dem Konto.“
Hektor blinzelt verlegen auf die teure Statuario-Skulptur. „Also, das ist … im Moment läuft‘s nicht so gut. Du weißt schon, keine Kundschaft, kein Geld.“
„Ja, und kein Geld, kein Essen“, zischt Laura. „Ich hab‘ Hunger verdammt!“
„Du hast ja Recht. Ich werd‘ mir was einfallen lassen."
„Hektor,“ fährt Laura etwas versöhnlicher fort, „so geht das nicht weiter. Du hast deine letzte Skulptur vor neun Monaten verkauft. Und von deinen neuen Werken“, sie spricht es aus, als würde sie bei diesem Wort Anführungszeichen in die Luft malen, „also von denen nach deinem Unfall, noch kein einziges. Was auch kein Wunder ist bei deinem makabren Stil des Neuen Antagonismus.“ Wieder Gänsefüsschen.
„Meine Inspiration kommt von Innen, sagt Hektor und nimmt einen Schluck von dem erkalteten Kaffee. „Ich mache innere Bilder lebendig und kann nicht einfach was anderes machen, nur weil es den Leuten besser gefällt. Ich bin Künstler und nicht Bäcker, der die Brötchen nach dem Geschmack seiner Kunden formt.“
„Aber früher lief es doch besser“, entgegnet Laura, „bevor… du weißt schon.“
„Was früher war, weiß ich nicht und es interessiert mich auch nicht. Wissen, was man weiß, und wissen, was man nicht weiß, das ist wahres Wissen. Konfuzius. Ich habe übrigens mal dran gedacht, statt der alten Griechen eine Interpretation von Konfuzius zu wagen. Chinesisch ist in und das könnte ein echter Neustart werden. Vielleicht werde ich auch den ganzen Laden so nennen: Atelier Konfuzius.“
„Konfuzius…“ Laura lacht. „Die Idee mit den Chinesen ist nicht schlecht. Die sind kleiner und die Steinblöcke deshalb billiger. Aber für dich würde statt ‚Atelier Konfuzius‘ besser ‚Alter Konfusius‘ passen.“
„Haha, sehr witzig!“ Hektor lacht gezwungen.
Als er nicht weiterspricht, fährt sie fort: „Übrigens, warst du inzwischen mal beim Neurologen? Der Kontrolltermin, du weißt schon.“
„Hör endlich auf, mich zu bevormunden, Laura! Wir wissen genau, dass es nach über einem halben Jahr nicht mehr besser wird.“
Jetzt war es Laura, die schwieg.
Hektors Blick fällt wieder auf Aglaia. „Laura“, sagte er eindringlich, „komm mal vorbei, ich muss dir was zeigen. Bitte!“
-------------------------------------------------
Während er sich mit der linken Hand durch den grauen Bart fährt, fixiert Hektor das filigrane Gesicht und die zarten Lippen, die ihn leicht geöffnet anlächeln.
„Aglaia“, flüstert er leise, „wer bist du? “
Er streichelt zärtlich ihre kalte Wange. ‚So nah, und doch so fern‘, denkt Hektor. ‚Wie Hero und Leander, die sich liebten, aber durch ein großes Wasser getrennt waren.‘
Er fragt sich, wie Aglaia aus der formlosen Wirklichkeit in die Wirklichkeit der Form übergegangen ist. Ein künstlerischer Akt des Schaffens, soviel ist klar. Aber war sie schon vorher da, in dieser anderen Wirklichkeit?
Hektor würde gerne wie Pygmalion die Venus bitten, Aglaia in Fleisch und Blut zu verwandeln. Ein total verrückter Gedanke, gewiss! Aber Künstler müssen verrückt sein. Wie sollen sie sonst etwas Neues erschaffen, das nicht von dieser Welt ist?
Für ihn ist die Erschaffung neuer Skulpturen wie eine künstlerische Form des Fracking, bei dem unter hohem Druck eine Substanz aus seinem Inneren hervorpresst und an die Oberfläche gebracht wird.
‚Mit den entsprechenden Verwüstungen in meinem Inneren‘, denkt Hektor, ‚wie sie auch das geologische Fracking im Innern der Erde hinterlässt‘
Eigentlich hat er vor weiterzuarbeiten. Aber nun kommt es ihm nicht richtig vor, die geplante antagonistische Ergänzung des Todes in seiner Skulptur umzusetzen. Denn wie soll Aglaia mit gebrochenem Genick jemals zum Leben erweckt werden?
-------------------------------------------------
Eine Stunde später, Hektor sitzt mit den kalt gewordenen Resten seiner zweiten Tasse Kaffee immer noch versunken vor der Marmorstatue, klingelt es wieder. Diesmal ist es die Haustürklingel, und wieder zuckt Hektor zusammen.
Mit der Tasse in der Hand humpelt er zum Eingang und öffnet die unverschlossene Tür des alten Hauses. Sein rechtes Bein macht heute wieder Probleme.
„Brauchst doch nicht klingeln“, brummt er, „kannst einfach reinkommen.“
Er wendet sich um und schlurft mit seinen marmorstaubbedeckten Arbeitsschuhen voran. Laura folgt ihm wortlos durch die Küche und den langen Flur ins Atelier.
„Also“, hebt sie an, „was gibt es denn so…“
Sie erstarrt mit Blick auf die fast fertige Skulptur in der Mitte des Raums.
„Aber das ist doch…“, stammelt sie, „das ist sie ja, mein Gott. Unglaublich, sie ist so perfekt und so… lebendig.“
Hektor schaut sie mit fragendem Blick an. „Ja, sie wirkt tatsächlich sehr lebendig. Aber deswegen musst du nicht gleich in Ohnmacht fallen!"
Laura zeigt mit der rechten Hand auf die perlweiß schimmernde, fast fertige Marmorfrau. „Moment mal, das kann doch nicht sein. Wie kannst du sie erschaffen, wenn du… Mein Gott, du erinnerst dich wirklich nicht, oder?“
Sie senkt den Kopf und hält sich beide Hände an die Stirn. Dann dreht sie sich abrupt herum und geht in Richtung Ausgang. Dabei greift sie in ihre Handtasche und holt einen alten Blackberry heraus, auf dem sie eifrig zu tippen beginnt.
Hektor starrt ihr ratlos hinterher. Wie so oft, versteht er Laura einfach nicht. Er weiß so wenig über sie und kann sich nicht vorstellen, dass er viele Jahre seines Lebens mit dieser undurchschaubaren Frau geteilt haben soll.
Durch das gekippte Fenster sieht und hört er, wie Laura draußen telefonierend auf und ab geht.
„…aber das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen, Doktor Wu. Ich meine, wenn das so ist, dann muss er sich doch irgendwie an sie erinnern, oder? Was halten Sie davon, wenn ich…“
Laura geht ein Stück weiter, so dass Hektor nicht mehr hören kann, was sie sagt.
Es ist ihm auch egal. Soll sie doch telefonieren! Er wird jedenfalls keinen Fuß mehr in die Praxis dieses Neurologen setzen.
Ein paar Minuten später kommt Laura mit geröteten Wangen wieder zurück. Hektor schaut sie fragend an.
„Überraschung“, sagt sie. „Also nicht jetzt gleich, aber in ein paar Tagen.“
„Ja ja“, murmelt Hektor, „du weißt, wie sehr ich Überraschungen liebe. Überraschungen sind das Elixier des Lebens. Und die größte Überraschung ist der Tod. Der verblüfft die Leute am meisten. Kommt meistens ungelegen… und am Ende immer überraschend.“
Laura hebt die Hand und winkt ab. „Hör doch auf mit deinem morbiden Geschwätz.“
Sie packt den Blackberry in ihre Tasche zurück. „Ich muss jetzt los. Und in ein paar Tagen kommt die Überraschung. Mach dich auf was gefasst.“
„Warte“, sagt Hektor und öffnet einen alten Schuhkarton, der im Regal steht. „Hier der Rest von meinem letzten Barverkauf.“
Er nimmt einen Stapel Scheine heraus und drückt ihn ihr in die Hand. Laura schaut betreten auf das Bündel Geld und nimmt es zögernd entgegen.
„Also, das ist jetzt...“ Sie zögert kurz, zählt zehn Fünfzigeuroscheine ab und gibt ihm den Rest zurück.
„Danke, das reicht erst mal. Also tschüss dann… und geh mit deinem Bein noch mal zum Orthopäden.“
Hektor verdreht die Augen. Sie kann es einfach nicht lassen.
---------------------------------------------------
In den folgenden Tagen versinkt Hektor abwechselnd in der Lektüre griechischer Götter und Sagen oder sitzt stundenlang regungslos vor der inzwischen fertig gestellten Skulptur der Aglaia.
‚Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheimgegeben.‘ So hat es Graf von Platen, der deutsche Lyriker, vor 200 Jahren schon formuliert. Hektor wollen diese Zeilen nicht aus dem Kopf gehen. ‚Oder ist es umgekehrt?‘ fragt er sich, ‚und nur der, der den Tod geschaut hat, kann die Schönheit wirklich sehen?
Nach der ersten Freude über das gelungene anmutige Werk hat sich ein größer werdendes Unbehagen bei ihm eingeschlichen. Als ginge eine Gefahr von der schönen Aglaia aus, ohne dass er hierfür einen Grund hätte nennen können.
In dieser Nacht findet er keinen Schlaf. Er beschließt, aufzustehen und sich einen Früchtetee aus dem Atelier zu holen, ohne sich einzugestehen, dass er in erster Linie wegen Aglaia dorthin will, weil er sie noch einmal sehen muss.
Als er die Tür des Ateliers aufschließt, sieht er sie im fahlen Licht des Monds auf ihrem Sockel stehen.
‚So tot und gleichzeitig so lebendig‘, denkt Hektor. 'Tot, wenn niemand hinschaut, und lebendig, sobald man sie erblickt!‘
Dann plötzlich bewegen sich Aglaias Lippen, und er meint, ein Raunen zuhören, ein leises Flüstern.
„Nein, nein…“, stammelt Hektor und tastet mit den Händen an der Wand nach dem Lichtschalter, wirft dabei eine Werkzeugkiste um, deren Inhalt sich scheppernd auf den Boden ergießt.
Dann endlich flutet der LED-Strahler den Raum. Hektor blinzelt und hält schützend die Hand vor seine Augen. Es dauert einen Augenblick, bis er erkennt, dass Aglaia unverändert an ihrem Platz steht, bewegungslos, stumm. Er zittert, öffnet eine Schranktür, greift nach einer halbvollen Flasche Bacardi, die dort als ‚Notreserve‘ verborgen steht und nimmt einen großen Schluck. Und dann noch einen.
Nach einer Weile spürt er, wie die Panik langsam wieder der Realität weicht. Die zum Leben erwachte Aglaia war nur eine Sinnestäuschung, welcher er erlag, halb wach, halb schlafend, im Halbdunkel.
‚Alles ist irgendwie nur halb‘, denkt Hektor. ‚Und ich selbst, ohne Erinnerung an mein Leben, bin auch nur halb.‘
‚Und vielleicht bist du nur zur Hälfte Aglaia‘, denkt Hektor und schaut sie an, ‚und zur anderen Hälfte Pandora, die Unheilsgöttin. Und ich bin zur Hälfte dein Erschaffer und dein Zerstörer.‘
Das Beil aus Marmor steht wie ein Menetekel senkrecht neben der Statue. Vielleicht muss er Aglaia mit diesem Beil zerstören, bevor sie als Pandora zum Leben erwacht.
An diesem und den folgenden Abenden schließt Hektor die Tür des Ateliers ab, um eine Grenze zwischen ihr und ihm zu schaffen. Und kann besser schlafen, als in den Nächten zuvor.
-------------------------------------------------
Hektor steht wartend vor der geschlossenen Ateliertür.
„Du darfst jetzt reinkommen“, ruft Laura von drinnen und es kommt ihm vor wie früher auf Heiligabend, kurz vor der Bescherung.
‚Fehlt nur noch das Glöckchen‘, denkt Hektor.
Er öffnet die Tür und tritt ein, erblickt Laura, welche mit der Hand auf Aglaia deutet: „Hier ist sie, deine heimliche Liebe, deine Schwäche, dein Verrat, der uns alles genommen hat. Erinnerst du dich jetzt? Als es endlich vorbei war, bist du gesprungen, hast dir das Bein gebrochen und den Schädel eingeschlagen.“
Hektor starrt ungläubig auf die Gestalt in der Mitte des Raums. Die ans Fenster verschobene Marmorskulptur der Aglaia nimmt er überhaupt nicht wahr.
Das Gesicht der Frau wirkt noch lebendiger als sonst. Sie trägt ein weißes Kleid und ihre langen blonden Haare bewegen sich im Wind, der durch das geöffnete Fenster ins Zimmer weht.
‚Haare aus Marmor bewegen sich nicht‘, denkt Hektor.
„Hallo Hektor“, sagt die Frau, lächelt ihn an und reibt sich verlegen die Hände.
„Du lebst“, stammelt Hektor, „du bist erwacht!“
Fassungslos starrt er sie an, wie sie als Mensch aus Fleisch und Blut vor ihm steht. Während er sie nicht aus den Augen lässt, hinkt er langsam auf sie zu. Sie steht in weißen Schuhen auf dem Boden des Ateliers. Das Marmorbeil, der antagonistische Vollstrecker des Todes, steht neben ihr.
In diesem Moment wir ihm klar, dass sein Werk noch nicht vollendet ist.
‚Nun muss ich alles zum richtigen Ende bringen‘, denkt Hektor.
Er nimmt das Beil in beide Hände, hebt es hoch über den Kopf und schlägt es durch die schützend hochgehobenen Hände in ihren Nacken, genau an die Stelle, die er für Aglaias Tod vorgesehen hat.
Wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hat, sackt die Frau in sich zusammen.
Nun erst ist sein Werk vollendet.
Und all das Blut, das pulsierend aus ihr herausströmt, ist Teil des Kunstwerks.
Und Lauras Schreie sind ebenfalls Teil des Kunstwerks.
Und er selbst, wie er dasteht, mit dem blutigen Marmorbeil in der Hand, schwer atmend, mit aufgerissenen Augen… er selbst, Schöpfer und Henker zugleich, Herr über Leben und Tod - er ist jetzt auch Teil des großen Kunstwerks.
[1] Goethe, Faust, 2. Teil