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Ende der Brennnessel

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06.08.2005
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Ende der Brennnessel

Ich habe euch alle gewarnt. Fasst mich nicht an. Ich bin eine Brennnessel.

Jetzt gehe ich durch den prasselnden Regen, die Böschung entlang. Als Kinder haben wir hier gespielt, sind den Abhang hinuntergeklettert. Es war eine Mutprobe, so tief wie möglich an die Bahngleise zu klettern und sich dort zu halten, wenn ein Zug vorbeidonnerte. Bis Jelina einen Krampf im Oberschenkel kriegte und wir sie kaum nach oben ziehen konnten. Anscheinend hat die Stadt Wind davon bekommen, denn heute gibt es dort einen Zaun.

Ich bin eine Brennnessel. Wer mich berührt, wird verbrannt. Doch keiner will mir glauben.

Jonas auch nicht. Ich sehe sein Gesicht vor mir, fragend, bekümmert, verletzt. Warum habe ich den Brief auch in „Die Leiden des jungen Werthers“ getan, in das Büchlein, das mir Jonas geliehen hat?
„Lies das“, hatte er ganz begeistert gesagt,“ erstaunlich, der olle Goethe war auch mal jung.“ Ich habe das Buch angenommen, ohne Absicht, es je zu lesen. Und gerade da hinein musste ich Paddys Brief klemmen, und Jonas musste es aus dem Regal nehmen, um mir etwas zu zeigen. Er hätte das herausgefallene Schreiben ja auch niemals gelesen, wäre da nicht das eine Wort gewesen. Dieses Wort, zu einem Kussmund umkringelt mit einem roten Filzstift.

Ungläubig sah Jonas mich an, wartete auf eine Erklärung, eine Ausrede. Ich sagte nicht, dass es einfach nur passiert sei. Dass ich nicht wusste, wie ich „nein“ sagen sollte. Er hätte es mir geglaubt, er hätte mir alles geglaubt. Stattdessen höhnte ich:
„Hast du wirklich gedacht, dass ich für drei Wochen ohne einen Jungen bleiben würde? Im Urlaub?“ Und als sein Gesicht in sich zusammenfiel, setzte ich noch einen drauf:
„Ich musste doch mal sehen, ob es jemand besser kann.“
Abrupt drehte er sich um, um mir die Tränen nicht zu zeigen und verließ die Wohnung. Ich bin eine Brennnessel, ich weiß.

Ich stapfe weiter, versinke immer wieder bis zu den Knöcheln im Schlamm. An dieser Stelle, wo jetzt nur dünnes Gras wächst, gab es früher eine ganze Fläche mit Brennnesseln. Im Sommer reichten sie mir bis zur Taille, und es war dicht an dicht. Als Moritz mich nach Hause brachte, hat er meiner entsetzten Mutter beteuert, dass er mich nicht mit Absicht hineingestoßen habe; er sei nur gestolpert. Trotzdem muss ich schrecklich ausgesehen habe: mir juckte es überall, und nicht nur meine nackten Arme und Beine, sondern auch unter der Bluse und den Shorts war ich übersät mit kleinen Pöckchen. Am Schlimmsten aber war wohl mein Gesicht, puterrot und zerkratzt.

Ich habe alle gewarnt. Ich bin eine Brennnessel. Wer mich berührt, wird verbrannt. Doch keiner hat mir geglaubt.

Auch meine Mutter nicht. Das Weinen und Schreien hatte sie schon vor Wochen aufgegeben, und wenn ich mal wieder spät in der Nacht nach Hause kam, lag sie schon im Bett, und nur mit einem Ohr an der Tür konnte ich ihr gedämpftes Schluchzen hören.
Als ich wieder einmal ihre Geldbörse in der Hand hatte, hörte ich sie ins Zimmer kommen. Ich wollte mich umdrehen und ihr etwas besonders Garstiges an den Kopf werfen, aber mein Blut pulsierte so laut im Schädel, dass mir nichts einfiel.
„ Selbst Schuld. Mit mehr Taschengeld hätte ich das gar nicht nötig“, war ein Klassiker, der nicht mehr zog. Beim ersten Mal war sie noch zusammengezuckt, hatte gestammelt von Hartz Vier und wenig Geld, so dass ich nachsetzen konnte:
„Dann such dir doch ’ne Arbeit. Ich habe unser Asi-Leben so satt.“
Das funktionierte nicht mehr. Beim letzten Mal hatte sie nur gesagt:
„Geh selbst arbeiten. Bist sechzehn!“ Pah.

Ich war so unbändig wütend. Warum ließ denn die Alte das Geld immer rumliegen? Erst verführen, und dann schockiert tun ... Ich wollte ihr entgegenspeien: „Du olle Schlampe, kein Wunder, dass Papa dich verlassen hat!“ Doch auch der Satz wirkte nicht mehr. Als ich mich zu ihr umdrehte, sagte sie ruhig und entschieden:
„Ich kann nicht mit einem Menschen zusammenleben, dem ich nicht mehr vertraue. Ich will, dass du ausziehst.“

Der Regen peitscht mir ins Gesicht , meine Haut brennt schon, und an den Haaren tropft mir das Wasser unter den Kragen. Alles ist nass, die Jeans, die Jacke, sogar der Pullover. In diesem leerstehenden Haus habe ich meinen ersten Kuss gekriegt, und durch das zerbrochene Fenster klettere ich hinein. Viele gepunktete Linien im Staub auf dem Boden zeigen mir, dass ich hier nicht allein bin. Ich kauere mich in eine Ecke und warte. Und friere.

Sollen sie doch kommen, diese Viecher, ist mir doch egal! Ich werde hier zusammensinken, und dann sollen sie ruhig über mich herfallen. Mit ihren spitzen Zähnen Bissen aus mir reißen, meinen Körper auseinandernehmen, dass er sich auflösen kann in vielen Mägen. Dann gibt es mich nicht mehr. Endlich!

Zwischen meinen halbgeschlossenen Lidern nehme ich eine Bewegung wahr. Keine zwei Meter von mir entfernt sind tatsächlich zwei Ratten, und mit schrillen Schreien kämpfen sie, so dass die braunen Krümel, die sie hinterlassen haben, auseinanderstieben. Ich will aufspringen, doch meine Beine sind eingeschlafen oder steif von der Kälte; ich sacke wieder zurück. Die Nager erstarren und sehen mich an, um dann ihren Kampf fortzusetzen. Sie haben gar keine Angst vor mir. Doch sie stürzen sich auch nicht auf mich.

Mein Herz pumpt Blut durch meinen Körper, ich reibe meine tauben Beine. Ich huste. Was gäbe ich jetzt für ein heißes Bad zu Hause! Zu Hause? Ich habe keins mehr. Mein Vater hat sich schon seit Jahren nicht um mich gekümmert, und meine Mutter hat irgendwas vom Jugendamt gesagt.

Was wäre, wenn ich kämpfen würde? Wenn ich meiner Mutter sage, wie Leid es mir tut? Wie wenig ich mich selbst verstehen kann? Wenn ich meiner Mutter freiwillig vorschlage, mit ihr zu der Beratung zu gehen, mit der sie mich vor Wochen genervt hat. Oder wenn ich das Sorgentelefon ...

Ich habe alle gewarnt. Ich bin eine Brennnessel, ich weiß. Aber ich will nicht mehr. Ich will nicht länger eine sein.


---Diese Geschichte wurde (fast) im Rahmen des Schreibspieles "Copywrite" von Golio kopiert. ---

 

Hallo Elisha,

ich mag den melancholischen Ton, den du in deiner Geschichte anschlägst. Ich finde, sie passt gut zum Thema.
Anfangs dachte ich, dass es einfach eine Geschichte über das Erwachsenwerden ist. Sie schwelgt in Kindheitserinnerungen, kommt auf die entscheidende Situation zwischen ihr und Jonas, bezeichnet sich selbst als Brennnessel (die drei n tuen mir fast in der Seele weh). Ob sie wohl schon gemerkt hat, dass sie damit nicht nur die anderen verbrennt, sondern auch sich selbst?
Insgesamt jedoch steige ich bei deiner Geschichte nicht so ganz durch, mir fehlen ein wenig die Zusammenhänge. Soll ihr Verhalten gegenüber Lukas, gegenüber ihrer Mutter mit ihren schlechten Familienverhältnissen gerechtfertigt werden? Ein bisschen viel Stoff, finde ich, für eine derart kurze Geschichte. Vielleicht habe ich den entscheidenden Hinweiß noch überlesen, aber so wirkt es auf mich noch ein bissschen oberflächlich.

LG
Bella

Das Weinen und Schreien hatte schon vor Wochen aufgegeben, und wenn ich mal wieder spät in der Nacht nach Hause kam, lag sie schon im Bett, und nur mit einem Ohr an der Tür konnte ich ihr gedämpftes Schluchzen hören.

Nach diesem "hatte" fehlt ein "sie", oder?

Als ich wieder einmal ihre Geldbörse in der Hand hatte, hörte ich sie ins Zimmer kommen, Ich wollte mich umdrehen und ihr etwas besonders Garstiges an den Kopf werfen, aber mein Blut pulsierte so laut im Schädel, dass mir nichts einfiel.

klein oder neuer Satzanfang

 

Hallo Bella,
so früh schon eine Antwort. Danke. :)

Sie schwelgt in Kindheitserinnerungen, kommt auf die entscheidende Situation zwischen ihr und Jonas, bezeichnet sich selbst als Brennnessel (die drei n tuen mir fast in der Seele weh).
Ja, war mir auch erst komisch - mein Rechtschreibsystem hat drauf bestanden - aber dann hat es irgendwann Spaß gemacht. nnn :D

Soll ihr Verhalten gegenüber Lukas, gegenüber ihrer Mutter mit ihren schlechten Familienverhältnissen gerechtfertigt werden?
Lukas, ist das nicht einer deiner Prots? :lol: Du meinst sicher Jonas.

Nein, es soll auf keinen Fall gerechtfertigt werden! Ich wollte diese Kluft darstellen: Sie zeigt nach außen ihren Hass, besonders bei Menschen, die ihr nahestehen (Wer mich berührt, wird verbrannt), nutzt deren verletzliche Stellen scharmlos aus (deshalb die Familienverhältnisse), ist ein regelrechtes Miststück, dass sich selbst aber genauso hasst. Sie ist im wahren Wortsinn totunglücklich.
Zu ihren guten, empfindsamen Seiten hat sie keinen Zugang, fühlt und versteht sie nicht.

Darin liegt die Hoffnung:

Was wäre, wenn ich kämpfen würde? Wenn ich meiner Mutter sage, wie Leid es mir tut? Wie wenig ich mich selbst verstehen kann? Wenn ich meiner Mutter freiwillig vorschlage, mit ihr zu der Beratung zu gehen, mit der sie mich vor Wochen genervt hat. Oder wenn ich das Sorgentelefon ...
Ich habe den letzten Abschnitt noch etwas erweitert.

Die Fehler sind schon korrigiert.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha.
Gratulation, eine sehr interessante, fesselnde Geschichte!
So, wie du das Mädchen vorgestellt hast, würde mir eigentlich nur die Super Nanny als Lösung einfallen...
Du hast sie echt interessant charakterisiert. Das Ende ist cool, weil es den Leser Platz für eigene Gedanken lässt. Und doch würde ich gerne noch wissen, wie das arme Ding endet.

Lg K.

 

@Kon-Flict

Gratulation, eine sehr interessante, fesselnde Geschichte!
:)
So, wie du das Mädchen vorgestellt hast, würde mir eigentlich nur die Super Nanny als Lösung einfallen...
Iiihhh, die? Natürlich wäre mehr Konsequenz besser gewesen, Grenzen, die die Prot akzeptieren müsste, und da ist sie ja jetzt angekommen. Aber dass die Super-Nanny es mit ihrer Methode schaffen könnte, der Prot mehr Kompetenz für ihre eigenen Gefühle und die anderer beizubringen, halte ich für zweifelhaft.
Danke fürs Lesen und die Werbung! ;)


@Golio

Ich bin eine Brennnessel. Wer mich berührt, wird verbrannt.
Lieber verbrenne ich mich eigenhändig, als Eure Hässlichkeit zu berühren!
Vorsicht, Golio, Beleidigungsfechten hat Suchtcharakter! :D Kaum sieht man einen Satz in einer Zeile, muss man ...aber das merkst du ja! :lol:

Mir ist egal, ob du der Geschichte noch beifügst, wie es "ausgeht". Ich werde mich lediglich daran erinnern, dass du einen wirklich interessanten Charakter geschaffen hast. Bravo!
Nein, natürlich musst du dir den weiteren Lebensweg schon selbst ausdenken. Und interessant ist der Charakter vermutlich, weil er so typisch pubertär ist, nur eben ziemlich extrem.

Ich denke, die Gunst deines Kommentars habe ich deinem Reggenjogger zu verdanken. Dir auch vielen Dank!

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Autoaggression, die sich gegen andere richtet. Obstanatsches Verhalten, um sich selbst weh zu tun, um sich immer wieder zu bestätigen: Ich bin gefährlich. Die Nähe, die man sucht, vertreiben.
Das hast du mit deinem Bild von der Brennnessel schön eingefangen. Und letztlich erreicht deine Protagonistin ihr Ziel. Immer und immer wieder. Sie erfüllt sich ihre Prophezeiung selbst. Der Freund verlässt sie, die Mutter schmeißt sie aus dem Haus. Die Kraft von Liebenden, die Selbstzerstörung der geliebten Menschen auszuhalten, ist nur begrenzt. Und deine Protagonistin muss, wie eine Süchtige, erst tief fallen, bevor sie aufstehen kann.
Sehr realtistisch.

Eine Anmerkung:

Bis Jelina einen Krampf im Oberschenkel kriegte und wir sie kaum nach oben ziehen konnten.
Auch, wenn es Kinderdeutch sein sollte und sowieso Geschmacksache ist, hier würde ich "bekam" statt "kriegte" vorziehen.

Diesmal findest du meine Gnade. ;)

Lieben Gruß, sim

(aber bitte, nicht doch die Kinderdomina ... äh, Supernanny auf dieses arme Mädchen hetzen)

 

Hi Elisha

Bis Jelina einen Krampf im Oberschenkel kriegte
*g* diese Jelina...
das geb ich ihr mal zu Lesen :D

Mein Kommentar (den du ja umbedingt haben willst): hat mir gefallen. Schöne Charakterisierung, die Geschichte dient ja fast ausschließlich dazu, das Bild der Brennsel zu verdeutlichen.
Und das sie erst bei den Ratten angekommen sein muß, um zu erkennen, was sie doch eigentlich für ein Leben gerade am Aufgeben ist... schön schön.

Eike

 

@Sim

Autoaggression, die sich gegen andere richtet ...Die Nähe, die man sucht, vertreiben ... Das hast du mit deinem Bild von der Brennnessel schön eingefangen.
Danke!

Diesmal findest du meine Gnade. ;)
Mein Tag ist gerettet! :)

@Sternensegler

Mein Kommentar (den du ja umbedingt haben willst)
Ja, so klingt er auch!
Natürlich ist mir die Meinung derer besonders wichtig, mit denen ich engeren Kontakt habe. Als Kommentar dann, wenn die Geschichte nach hinten gerückt ist. :p Sonst auch gern über PM, icq, Tel ...

Und das sie erst bei den Ratten angekommen sein muß, um zu erkennen, was sie doch eigentlich für ein Leben gerade am Aufgeben ist...
Häng dir das übers Bett! Besonders, wenn dir wieder nach China zumute ist ...:p


Danke euch beiden für die Kommentare!
Gruß, Elisha

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Elisha

Diese Geschichte lässt mich etwas geteilt zurück, da ich nicht weis, wie ich die Prota einordnen kann oder soll. Sie versucht ihre Grenzen auszutesten und merkt erst das sie zu weit gegangen ist, als es eigentlich schon zu spät ist. Ich denke das mit der Brennnessel trifft es schon gut: Von vielen als Unkraut verhönt, tut es ziemlich weh, wenn man sich nesselt, aber nach einer Weile, verschwindet der Schmerz und es juckt nur noch, wenn die Rötung dann abgeklungen ist, erinnert nichts mehr daran das man sich genesselt hat. Außerdem ist die Brennnessel ja auch eine Heilpflanze und in der Suppe schmeckt sie hervorragend. :schiel:

Also irgendwie war das jetzt mehr eine Interpretation als eine Kritik. *schulterzuck*

Lieben Gruß, Phoenix

Achso: hat mir gut gefallen, ließt sich flüssig, ohne Stolpersteine und hinterlässt einen leichten melancholischen Hauch.

 

@Phoenix
Ja, die Wirkung gegen Rheuma hast du noch vergessen ...;)

wenn die Rötung dann abgeklungen ist, erinnert nichts mehr daran das man sich genesselt hat
Dass es auch anders sein kann, zeigt ja das traumatische Kindheitserlebnis der Prot. Sie wird sich ein anderes Welt-und Selbstbild erarbeiten müssen.


@N8schatten

Der Leser weiß nicht, wieso sie diese Dinge tut oder getan hat. Und wieso weiß der Leser das nicht? Weil sie es auch nicht weiß!
Schön, dass das deutlich wurde. Sie wird so von ihren Emotionen überwältigt, dass sie das gar nicht steuern kann.

Dann such dir doch ’ne Arbeit. Ich habe unser Asi-Leben so satt.
Diese Aussage ist dir sehr authentisch gelungen.
Ja, das habe ich in meinem Bekanntenkreis auch gehört. Da fühlte sich ein Mädchen persönlich beleidigt, dass ihre Mutter arbeitslos war und nicht mit den Eltern der Freunde mithalten konnte. Dafür hat sie sich geschämt.

Ich finde den Schlusssatz in kursiv schlecht. lass den ganz weg. Aber ist nur meine Meinung.
Da denke ich noch drüber nach.

Danke euch beiden füs Kommentieren.
Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha.

Mir ist noch nie aufgefallen, wie komisch sich das Wort "Brennnessel" liest. Rechtschreibreform, sage ich da nur. ;)

Warum habe ich den Brief auch in „Die Leiden des jungen Werther“ getan, in das Büchlein, das mir Jonas geliehen hat?
(...) Und gerade da hinein musste ich Paddys Brief klemmen, und Jonas musste es aus dem Regal nehmen, um mir etwas zu zeigen. Er hätte das herausgefallene Schreiben ja auch niemals gelesen, wäre da nicht das eine Wort gewesen. Dieses Wort, zu einem Kussmund umkringelt mit einem roten Filzstift.
Auch wenn ich dieses Buch einmal freiwillig lesen wollte, es mir aber schon nach den ersten vierundzwanzig Seiten auf die Nerven ging und ich es überhaupt nicht mag: An diesem Punkt machst du mich neugierig auf das Folgende.

Ich wollte mich umdrehen und ihr etwas besonders Garstiges an den Kopf werfen, aber mein Blut pulsierte so laut im Schädel, dass mir nichts einfiel.
Diese Formulierung gefällt mir besonders gut. Blut, das laut im Schädel pulsiert und Gedanken verhindert ... Wenn ich nervös bin, fällt mir erst recht nichts ein und das Blut tobt in den Adern. Deine Worte treffen das gut.

Hat mir gut gefallen, deine Geschichte. Sie ist sehr gefühlvoll und nachvollziehbar mit einer dramatischen Überraschung am Schluss. Einzig der rote Faden, die Brennnessel, die durch die ganze Geschichte führen sollte, trifft es nicht ganz. Nach längerem Nachdenken findet man da bestimmt noch eine bessere Formulierung. Ausser du erklärst mir, warum du auf Brennnessel gekommen bist. :)

Liebe Grüsse.
Schwarze Seele.

 

Hallo Schwarze Seele,

Mir ist noch nie aufgefallen, wie komisch sich das Wort "Brennnessel" liest. Rechtschreibreform, sage ich da nur.
Jau! :D

Textzitat
Warum habe ich den Brief auch in „Die Leiden des jungen Werther“ getan, in das Büchlein, das mir Jonas geliehen hat?
(...) Und gerade da hinein musste ich Paddys Brief klemmen, ...
Zitat von Schwarze Seele :
Auch wenn ich dieses Buch einmal freiwillig lesen wollte, es mir aber schon nach den ersten vierundzwanzig Seiten auf die Nerven ging und ich es überhaupt nicht mag: An diesem Punkt machst du mich neugierig auf das Folgende.
Zum Lesen angefixt durch den Werther? :lol: Klasse!

Einzig der rote Faden, die Brennnessel, die durch die ganze Geschichte führen sollte, trifft es nicht ganz.
Warum findest du das nicht passend? Wer sie berührt, leidet. Und dass das eben mehr ist als mal ein kleines Jucken, zeigt die Szene aus der Kindheit ...

Danke für den Kommentar, Elisha

 

Hi Elisha,

hat mir gut gefallen: Du zeichnest ein realistisches Millieu mit Eisenbahnschienen & Drahtzäunen, Rost & Brennnesseln. Da konnte ich mich gut reinfühlen.
Die Zäune, die die Stadt ziehen kann, hat die Mutter längst versäumt. Manchmal muss man Kinder aussperren, damit sie sich nicht selbst im Gestrüpp verfangen.
Am Schluss hatte ich ein wenig den Eindruck, dass Dir das Brennnessel-Bild entgleitet: Der Rhythmus wurde langsamer, erst am Schluss wieder aufgenommen.

Dennoch insgesamt eine sehr gelungene Charakterisierung, schön traurig beschrieben.

Details:

und verließ die Wohnung. Ich bin eine Brennnessel, ich weiß.
Fehlt da ein Zeilenumbruch?
Ich war so unbändig wütend.
Könnte vielleicht noch stärker formuliert werden.

Beste Grüße,
Naut

 

Hi Elisha,


Ich stapfe weiter, versinke immer wieder bis zu den Knöcheln im Schlamm. An dieser Stelle, wo jetzt nur dünnes Gras wächst, gab es früher eine ganze Fläche mit Brennnesseln.
Hmm, ich kann mir nich vorstellen, wieso die Brennnessel verschwunden sein soll. Sie ist so zäh, so anspruchslos, die bleibt, wo sie mal ihre Wurzeln hat (sagt eine, die viel mit Brennnesseln in ihrem Garten zu tun hat :D )


Trotzdem muss ich schrecklich ausgesehen habe: mir juckte es überall, und nicht nur meine nackten Arme und Beine, sondern auch unter der Bluse und den Shorts war ich übersäht mit kleinen Pöckchen.
mich juckte es

Ich wollte mich umdrehen und ihr etwas besonders Garstiges an den Kopf werfen, aber mein Blut pulsierte so laut im Schädel, dass mir nichts einfiel.
stark
Ich kauere mich in eine Ecke und warte. Und friere.
Dieses Und am Satzanfang stört mich an dieser Stelle nicht. Aber dadurch, dass eines so dicht am vorherigen Satzende ist, wirkt es beim Lautlesen nicht gut.

Zwischen meinen halbgeschlossenen Lidern nehme ich eine Bewegung wahr. Keine zwei Meter von mir entfernt sind tatsächlich zwei Ratten, und mit schrillen Schreien kämpfen sie, so dass die braunen Krümel, die sie hinterlassen haben, auseinanderstieben.
auseinanderstoben - ist doch Gegenwart

Mir ging es wie Naut, dass ich die Brennnesseleinschübe nicht rhythmisch verteilt empfinde, wenn du sie auch, wenn ich es richtig verstanden habe, als Zeichen für einen neuen Zeitabschnitt benutzt hast. Irgendwie erwartet man als Leser unbewußt bei solchen mehrfach kursiven inhaltlichen Wiederholungen einen gewissen gleichen Abstand - ähnlich wohl wie beim Singen die Funktion des Refrains. Das ist für eine Geschichte betrachtet natürlich Quatsch, weil die Einschübe dem Inhalt folgen sollen. Ich versuche grade nur herauszufinden, wieso es Naut und mir so geht.

Die Perspektive und auch das Bild mit der Brennnessel haben mir gut gefallen, die Stimmung einzufangen ist dir auch gut gelungen. Für mich hätte sie gerne auch noch etwas länger sein können, um noch ein, zwei Situationen mehr einzufangen, die in der Kinderzeit angesiedelt wären.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hi Elisha!
Wow, sehr interessante Geschichte.
Jaja, du hast ja extrem wenig Kommentare... Witzig.
Naja, auf jeden Fall gefiel mir die Geschichte sehr gut, ich find so was zwar meistens sehr deprimierend (wie geht das aus - schafft sie es, sich zu ändern?), aber ich denke, du schlägst genau den richtigen Ton an. Nicht belehrend, aber auch nicht von oben herab... :) Naja, schwer zu erklären, ich hoffe, du weißt, was ich meine...
Liebe Grüße und danke für die PN, CJ

 

Hallo Elisha,

ich muss sagen, deine Geschichte gefällt mir ganz außerordentlich gut. Die Selbstzerstörung des Mädchens, die zu Selbsthass führt, der nur wieder zu weiterer Selbstzerstörung füührt, ein Teufelskreis, den ich sehr gut kenne (hab mal solche Mädchen betreut im sozialen Jahr). Hilflosigkeit, Wut, verzweiflung, hast du alles sehr schön nachvollziehbar dargestellt, düster, deprimierend, zum Schluss (in meinen Augen) aber auch ein wenig hoffnungsvoll, denn immerghin erkennt die Prot, dass sie Hilfe braucht.

Super Geschichte, werd ich jetzt empfehlen.

Grüße,

Ronja

 

AARRgghh, :xxlmad:, Grmpf ...
Gerade hatte ich die Antworten an Naut und fast an Bernadette fertig - da ist mir mein PC abgestürzt. Also, auf ein Neues; mal sehen, wie weit ich noch komme:

@Naut

Die Zäune, die die Stadt ziehen kann, hat die Mutter längst versäumt. Manchmal muss man Kinder aussperren, damit sie sich nicht selbst im Gestrüpp verfangen.
Man merkt, es spricht ein Vater. ;)

und verließ die Wohnung. Ich bin eine Brennnessel, ich weiß.
Fehlt da ein Zeilenumbruch?
Ich wollte den geichmäßigen Rgythmus durchbrechen, damit es nicht leierhaft-langweilig wird.

Ich war so unbändig wütend.
Könnte vielleicht noch stärker formuliert werden.
Ne Idee? Ich denk mal drüber nach.

Danke, Naut.
Gruß, Elisha

 
Zuletzt bearbeitet:

@Bernadette
Frau, wir sind ja richtige Stammleser voneinander geworden! :) Danke!

Hmm, ich kann mir nich vorstellen, wieso die Brennnessel verschwunden sein soll. Sie ist so zäh, so anspruchslos, die bleibt, wo sie mal ihre Wurzeln hat
Doch, das ist der autobiografische Teil der Geschichte. :D

Ich kauere mich in eine Ecke und warte. Und friere.
Dieses Und am Satzanfang stört mich an dieser Stelle nicht. Aber dadurch, dass eines so dicht am vorherigen Satzende ist, wirkt es beim Lautlesen nicht gut.
Stimmt. Ändere ich in "Ich friere". Danke.

Irgendwie erwartet man als Leser unbewußt bei solchen mehrfach kursiven inhaltlichen Wiederholungen einen gewissen gleichen Abstand - ähnlich wohl wie beim Singen die Funktion des Refrains.
Ich dachte, es würde vllt langweilig, wenn es zu gleich verteilt wäre.

Gruß, Elisha

P.S. Leider reicht wegen des PC-Absturzes meine Zeit nicht mehr für die Beantwortung aller Kommentare; mach ich später. ;)

 

So, aufgrund meines PC-Ausfalls gestern noch mal eine eigene Antwort (und hoffentlich kein Gemeckere Unbeteiligter mehr ... :p ) Vielen Dank auch Euch fürs Lesen und Kommentieren.

Hallo CJ,

Jaja, du hast ja extrem wenig Kommentare... Witzig.
Als ich deine PM beantwortet habe, gab es erst den von Bella.

...ich denke, du schlägst genau den richtigen Ton an. Nicht belehrend, aber auch nicht von oben herab...
Es sollte ja auch rüberkommen, wie sehr die Prot selbst leidet.


@Felsenkatze

Die Selbstzerstörung des Mädchens, die zu Selbsthass führt, der nur wieder zu weiterer Selbstzerstörung füührt, ein Teufelskreis, den ich sehr gut kenne ...düster, deprimierend, zum Schluss (in meinen Augen) aber auch ein wenig hoffnungsvoll,
Ja, es sollte ein Tief-, aber auch Wendepunkt sein.

Super Geschichte, werd ich jetzt empfehlen.
Huch, Überraschung! *mich erhol* wow :bounce:

Gruß, Elisha

 

Hallo elisha,
Ich hatte diese Geschichte gelesen, bevor ich Golios Version las, verzichtete aber auf einen Kommentar, weil ich zu deiner neuen KG Grauen-zone etwas schreiben wollte.
Vorab:Mir gefällt deine Version sehr gut. Ich glaube, es liegt daran, dass du mehr zeigst, dem Leser mehr Spielraum lässt, sich eigene Gedanken zu machen. Dem Leser wird deutlich, dass der Konflikt der Protagonistin ein ambivalenter ist.
Insgesamt empfinde ich deine Version dadurch als runder und reifer.

Lieben Gruß, Goldene Dame

 

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