Hallo zusammen!
@ Woltochinon
Die Naturwissenschaften sehe ich, nicht nur bezogen auf das Mittelalter, unterrepräsentiert, schließlich haben sie technische und geistige Systeme maßgeblich vorangetrieben. In diesem Zusammenhang finde ich auch interessant wie sich Wissenschaft und Politik gegenseitig beeinflussen, welche Ursache-Wirkungs-Beziehung bei verschiedenen Themen vorliegt (die wiederum ethische Probleme aufwerfen kann).
Ja, dass sie unterrepräsentiert sind, da stimme ich Dir zu. Aber auch hier kann man ganz schnell in eines von zwei Fahrwassern geraten:
1. Verteufelung der Entwicklung
2. Übertriebene Lobhudelei
Partei für eine der beiden Möglichkeiten zu ergreifen ist nicht schlecht, aber irgendwann hat man wieder dasselbe Problem, wie zuvor. Ein Trend etabliert sich und die guten Geschichten gehen im Schwall austauschbarer Derivate unter.
Eine Geschichte über einen schwedischen Naturforscher, der im ausgehenden 17. Jh. Kurator in der Royal Society in London wird, fällt mir in dem Zusammenhang als Positivbeispiel ein. Sie heißt "Die Kunst der Bestimmung" von Christine Wunnicke. Das kann ich nur empfehlen und ich glaube, Woltochinon, das könnte Dir gefallen.
Die Wahl des Themas scheint mir weniger das Problem zu sein, als der Umgang damit. Nichtsdestotrotz möchte ich doch gerne in den Reigen einstimmen und ein paar Themen in Form eines wahllosen Brainstormings vorschlagen:
- Menschwerdung: Eine gerechte und unvoreingenommene Betrachtung des Menschen, wie er sich entwickelt hat, ohne ihn in Anlehnung an Matrix als Virus oder Parasit zu bezeichnen.
- Mensch sein: Was ist das Wesen Mensch, was macht es aus? Wie schafft es der Mensch, sich selbst nicht immer gerecht zu werden? Welchen Wert hat ein Mensch für einen anderen?
Dazu zählen auch Themen wie: Gesellschaft kontra Individuum, Der Staat - "Das kälteste aller kalten Ungeheuer"
- Ethische Themen: Intelligente Auseinandersetzung mit Sterbehilfe, Schwangerschaftsabbruch oder Organspende.
Generell finde ich die Auseinandersetzung mit der Frage "Ist wirklich alles gut, was als gut wahrgenommen wird" sehr interessant.
Ich hab zum Beispiel mal eine wilde Diskussion geführt, als die Frage aufkam, ob Organspende als Standard etabliert werden solle und man einen Ausweis bei sich tragen muss, wenn man Nicht-Spender sein will.
Viele haben da angeführt "JA! Das ist doch was gutes! Wieviele Leben man da retten kann! Wer das nicht macht, ist ein egoistisches Schwein!"
Es war eine sehr heftige aber auch sehr interessante Diskussion. Was sind die möglichen Langzeitfolgen einer solchen vordergründig "guten" Entwicklung? Welche Formen des Missbrauchs können dadurch entstehen? Wie verändert sich das Menschenbild?
Auf der anderen Seite bedarf sicherlich auch das Thema "Gläserner Mensch" einer ausführlichen Auseinandersetzung. Gerne auch im Zusammenhang mit "Grenzen und Tabus".
Wenn man eine Grenze (z.B. die Privatssphäre) teilweise niederreißt, was passiert dann? Hier gibt es verschiedene Perspektiven und Möglichkeiten.
Medienkritik ist auch ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Natürlich die Manipulation durch die Medien, aber auch die künstliche Erweiterung der Wahnehmung, die es uns erlaubt, für Menschen, die sehr weit weg sind, all unser Mitgefühl aufzubringen, während der Nachbar gegenüber vor Wochen unerkannt gestorben ist und sich kontinuierlich in den Teppichboden reinfrisst.
- Die jüngere Vergangenheit wurde angesprochen. Hier wären vielleicht folgende interessante Themen vorhanden:
1. Der Kalte Krieg: Die Welt in Angst...aber war die Welt damals nicht irgendwie einfacher?
2. Die 68er: Eine notwendige Revolution oder ein unehrlicher Selbstreinigungsprozess ohne Pointe?
3. Amokläufe: Was bringt einen Menschen dazu, durchzudrehen? Hier wäre eine differenzierte und tiefsinnige Auseinandersetzung mit dem Thema recht erfrischend.
4. Der Walk-Man: Musikalisch untermalte Isolation zum Mitnehmen?
5. Kommunikation im Internet: Seit der jungen Etablierung von Datenflatrates ein interessantes Thema. Die ersehnte Entmenschlichung im Netz. Die digitale Gesichtsmaske.
Hierzu gibt es übrigens eine sehr gute Kurzgeschichte von Paulo Moura: "Der virtuelle Seitensprung". Geschrieben in der Mitte der 90er Jahre, kann man heute sehr gut nachvollziehen, wie Recht Moura mit seiner Zukunftsvision teilweise hat.
Die Geschichte ist hier zu finden: http://www.donat-schmidt.de/files/downloads/deutsch/textsammlung/moura_virtuellerseitensprung.pdf
Da sie auch auf Spiegel Online erschienen ist, ist die Verlinkung, denke ich, auf den Text nicht problematisch.
Ein Prinzip, das ich immer wieder gut und interessant finde und weshalb ich auch die Genre Fantasy und Science-Fiction so sehr mag: Die Reflektion des Menschen, ohne ihn selbst zu bemühen.
Im Bereich der Fantasy und der Science-Fiction geschieht das meistens durch die Verwendung von Archetypen. Fremde Rassen, fremde Völker, anhand derer sich der Mensch reflektieren kann, die dennoch genug mit ihm gemeinsam haben (klar, sind ja Archetypen, die von einzelnen Aspekten des Menschen abgeleitet sind), dass er sich damit identifzieren kann.
Damit hängt natürlich auch die Suche des Menschen nach extraterrestrischem Leben zusammen, aber auch die Intelligenzforschung bei Tieren.
Für mich ist zum Beispiel die hypothetische Frage interessant, was wäre, wenn sich ein anderers Wesen statt des Affen zu einer höheren Lebensform weiterentwickelt hätte? Wären diese Wesen besser als wir? Welche Fragen würden sie sich stellen? Welche Wendungen hätten ihre Geschichten genommen?
Ich habe diesbezüglich noch ein Konzept auf meiner Platte. Ein philosophisches Gespräch im Nachtprogramm in einer Welt, in der sich Orkas zu höheren Lebewesen entwickelt haben.
Davon abgeleitet ist aber auch die Frage interessant, ob wir uns tatsächlich zu so viel höheren Wesen entwickelt haben, als die anderen Arten auf der Welt. Sind wir wirklich allein? Können wir uns wirklich nicht an Tieren orientieren und reflektieren? Gibt es keinen gemeinsamen Nenner? Kein nachvollziehbares Empfinden?
So, jetzt habe ich wieder einen halben Roman geschrieben. Ich hoffe, man kann damit was anfangen und ich bin Deiner Fragestellung gerecht geworden, Woltochinon.
Auf bald!
Theryn