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Was will Literatur?

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01.07.2006
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Was will Literatur?

Vielleicht ist die Sommerzeit genau die richtige Zeit, um sich einmal über Grundsätzliches zu unterhalten.

Die Titelfrage ist natürlich eine sehr unpräzise Frage, die von „Wozu schreibe ich eigentlich?“ oder „Was ist überhaupt Literatur?“ bis zu „Was kann ein fiktiver Text alles leisten?“ oder „Wozu überhaupt Literatur?“ oder „Soll Literatur aus dem Leser einen besseren Menschen machen?“ ziemlich viel umfassen kann. Und damit verbunden natürlich auch: „Was zeichnet einen guten und interessanten Text aus?“

Ich habe mir in letzter Zeit bei verschiedenen Geschichten immer wieder die Frage gestellt: Warum mag ich die eigentlich, oder warum mag ich die nicht? Eine Geschichte muss für mich bestimmte Dinge leisten und wenn sie das nicht tut, dann fällt sie bei mir durch.

Die Frage nun: Was sind die wichtigsten Dinge für euch in einer Geschichte? Was muss sie unbedingt ganz grundsätzlich besitzen, damit sie euch interessiert? Kann man das überhaupt festlegen, oder gibt es da immer etwas Unbestimmbares, was einen fesselt und man kann das gar nicht genau festlegen?


Also: Was will Literatur?

Ich antworte mal ganz banal: Sie will unterhalten, sie will schön sein, sie will Gefühle erzeugen, sie will den Geist anregen, sie will eine neue Welt erschaffen.

Da das alles sehr naheliegend klingt, will ich die einzelnen Punkte genauer erläutern (um Widerspruch wird gebeten!)

1. Unterhalten heißt einerseits Interesse wecken und über die ganze Geschichte hindurch erhalten, hat also etwas mit Spannung zu tun. Spannung entsteht durch Wecken und Enttäuschen von Erwartungshaltungen, durch ungewöhnliche Wendungen, durch Gegensätze (gegensätzliche Charaktere etc.), durch Konflikte. Wirklich unterhalten kann eine Geschichte aber andererseits nur, wenn alle anderen oben angeführten Punkte zu einem Ganzen verschmelzen.

2. Unter Schönheit eines literarischen Textes verstehe ich alles, was mit dem sinnlichen Erfassen eines Textes durch den Leser zu tun hat: Das geht vom Aussehen des realen Textkörpers über die Rechtschreibung (das ist ein heikler Punkt, ich weiß, aber ich denke, Stil kann man nur entwickeln, wenn man Grammatik durchschaut und beherrscht), Lautlichkeit, Rhythmus und Binnenverknüpfung eines Textes (durch Verwendung von Leitmotiven zum Beispiel) bis hin zu den sinnlichen Bildern, die er in der Fantasie des Lesers erzeugt. Im Allgemeinen versteht man darunter den Stil.

3. Das Erwecken von Gefühlen ist ein starker Motor, um das Interesse für eine Geschichte zu wecken, weil wir alle ein ungefähr gleiches Spektrum an Gefühlen haben. Liebe, Hass, Furcht, Freude, Trauer, Neid usw. kennt und versteht nahezu jeder. Hierher gehört also die Identifikation mit Figuren. Wahrscheinlich ist Literatur aber auch imstande, durch die sprachliche Gestaltung, durch den Habitus des Erzählens, den Leser in die Lage zu versetzen, mit diesen Gefühlen umgehen zu lernen. Der Strom des Erzählens, die geschriebene bzw. gedruckte Sprache setzt eine Distanz, aus der heraus ich etwas IN RUHE betrachten und beurteilen kann. Indem ich mich mit Figuren vergleiche, kann ich mich mit Figuren identifizieren, diese aber natürlich auch total verabscheuen. Ich lerne also durch das Erwecken von Gefühlen immer auch etwas über mich, es geht dabei auch um meine Identität.

4. Was die Anregung des Denkens anlangt, ja, ich denke, Literatur sollte uns etwas lehren. Sprache bildet die Struktur des Denkens ab, ich kann schlicht gesagt also überhaupt erst dadurch denken lernen. Durch jede Art von Sprache natürlich, aber literarische Sprache kann durch seine Schönheit und durch das Erwecken von Emotionen viel Wissen, Denk- und Lebensweisen, auch Ideologien im weitesten Sinne auf angenehme Weise transportieren. Ich will neue Dinge erfahren in literarischen Texten, auch solche, die ideologisch vielleicht gefährlich sind oder moralisch verwerflich, ich will alles wissen, aber auf eine andere Art, als es mir die Wissenschaften oder die Religion oder die Politik usw. vermitteln können.

5. Das Erschaffen einer neuen Welt innerhalb eines literarischen Textes hat mit der Subjektivität des Autors zu tun. Originalität und Authentizität sind hier die Stichwörter. Die ganz subjektive Sichtweise des Autors auf die reale Welt muss das Zentrum bilden, um das herum er seine fiktive Welt schafft, dann wird diese auch stimmig sein. Ein Abbild der realen Welt 1:1 kann es nicht geben, da Sprache wie jedes andere Medium die Wirklichkeit verändert.

Diese fünf Punkte sind unabdingbar für eine gute Geschichte.


Aber vielleicht ist alles auch ganz anders … Das heißt, ich bitte um eine rege und vor allem unerbittliche Diskussion. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

*stürz drauf*

Schöner thread, tolle Idee - ich hab nämlich grad in letzter Zeit ständig überlegt und kommentiert, ob ein Text so Literatur für mich ist oder halt nicht. :)

Deine Aufstellung ist schon sehr rund und gut durchdacht, natürlich. Erstmal da entlang gesprochen sehe ich zwei Ebenen: An oberster Stelle stehen für mich 5. eine neue Welt, sei es nur, einen kleinen individuellen twist auf Altbekanntes und 2. die Ästhetik, der Stil, ja, eine Schönheit.

Ist das gegeben, schaltet sich eine Ebene tiefer Gefühl und Verstand ein, bei mir absolut nicht zu trennen, zu sehr/rasch voneinander abhängig bzw. einander bedingend, daß ich das so differenziert aufteilen könnte.
Zu Unterhaltung würde ich Anregung sagen, das entspricht dann aber angesprochenem Gefühl & Verstand. Unterhaltung heißt für mich "Zeitvertreib" um seiner selbst Willen ohne oben genanntes als Bedingung, und das hole ich mir selten aus Geschriebenem. Bzw. macht es mich sogar aggressiv, wenn Texte in erster Linie unterhalten wollen.

Dann spielt noch etwas eine große Rolle, was ich herausheben würde (obwohl es in einigen Punkten bei Dir anklingt): Leidenschaft.
Ein Text - sogar ein Sachtext - muß, um für mich zu funktionieren, mit einem Willen zu genau dieser verwendeten Aussage/Inhalt und Form erdacht und verfaßt worden sein. Und das muß rauszulesen sein. Leidenschaft braucht nicht unbedingt fröhlicher Enthusiasmus sein, es kann auch Trauer, Depression, Wut, eine blitzartige Einsicht, komplexe philosophische Erkenntnis etc etc und pp bedeuten. Ist ein Text nicht mit dieser Leidenschaft geschrieben, nicht zudem mit einem gewissen Respekt vor Sprache, und Lust am / Notwendigkeit zum Schreiben selbst, dann interessiert er mich nicht, selbst wenn er etwas objektiv Neues oder Anregendes präsentieren mag. Oder selbst wenn seine Form makellos sein sollte.

Ein Text muß mich überraschen - nicht nur durch eine Idee, sondern während der Zeit, in der ich ihn lese durchgängig. Nicht im billigen Sinne, nicht als thrill. Sondern er muß eine Haltung, eine Form, eine Geschichte, eine Psychologisierung ... in einer innovativen, individuellen Form bieten. Das kann in rohem, brutalem Splatter sein, in ganz leisen, zarten Alltagserfahrungen, in phantastischem Surrealismus, in harter Erotik, oder ganz anderen Inhalten/Perspektiven liegen. Aber ich darf einem Text nicht emotional/intellektuell voraus sein.

Ist das gegeben, sehe ich etwas als Literatur. Alles andere ist ein Versuch zu schreiben, und/oder nur zu unterhalten.

Soweit erstmal, hoffentlich ohne allzuviel Redundantes ... :D

 

Hey du ... nochmal. :)

Interessantes Thema, und ich weiß nicht, ob man wirklich eine allgemeine Antwort auf deine Frage geben kann. Wenn man sagt, Litaratur ist Kunst, könnte man auch fragen: Was will Kunst? Und dann hat man einen riesigen Haufen an Leuten, die wild herumfuchteln mit ihren Pinseln, ihren Schreibmaschinen, ihren Meißeln, ihren Gedanken ... und jeder würde andere fünf Punkte haben.

Aber du schränkst das dann ja ein, dir geht es darum, was FÜR UNS die wichtigsten Dinge in einer Geschichte sind. Was ja nicht unbeding dem entspricht, was Literatur will.

Allerdings lädt dein Topic mehr zum Diskutieren ein als ein "Was ist euch bei Geschichten wichtig?" :o)

Tja ... was ist MIR wichtig?

Deine Punkte finde ich alle richtig. Allerdings sehe ich Punkt 1 bei dir eher als die Folge aus den anderen Punkten ... so quasi: Wenn alles zutrifft, dann unterhält eine Geschichte. Ich finde aber, eine Geschichte muss mehr können, also für mich, damit sie mir gefällt.

Ich erzähle gerne Geschichten, also wirklich so mündlich, nicht unbedingt am Lagerfeuer, aber so in ner Gruppe am Abend. Das hat, glaub ich, jeder hier schon einmal gemacht. Und ich mag es, wenn meine Geschichten andere Leute "berühren", wenn sie sie "rühren", ich mag das Blitzen in den Augen sehen.

Mir geht es also in den Geschichten, die ich erzähle, darum, Kontakt herzustellen zwischen meinen Gedanken und den Gedanken der Leute, denen ich etwas erzähle. Ich will sie erreichen. Vielleicht ist das total eitel aber: Ich will etwas von mir weitergeben. :)

Und andersrum: Ich finde Geschichten gut, die MICH erreichen. Geschichten, bei denen ich den Eindruck habe, sie rühren mich, sie bringen etwas in mir zum Klingen. Ich bin beeindruckt, wenn ich das Gefühl habe, etwas Authentisches zu lesen. Ganz egal, ob das Fantasy ist oder Erotik oder ein Krimi. Mir geht es beim Lesen um den Menschen dahinter. Um die Person, die den Text verfasst hat. Um das Persönliche. Wenn das durchscheint, wenn ich die Person sehen kann, wenn ich den Gedanken erfassen kann, den der Autor beim Schreiben hatte, dann mag ich den Text.

Aber .. hm, so gehts mir insgesamt bei ... Kunst? Ich habe mal eine ganz spannende Diskussion mit einem Arbeitskollegen gehabt über eine Kunstinstallation, die er plant. Das ist so sein Hobby. Und was ihm so vorschwebte, war: Eine Wand, und am oberen Ende ist eine lose Dachrinne befestigt, die das Wasser mal da, mal da an der Wand nach unten laufen lässt, was wunderbare, völlig zufällige Muster aus Schmutz erzeugt.
Und ich habe gesagt, so ganz zufällig, weil mir der Gedanke kam: Whow, so wie in einer Gasse in einer süditalienischen Kleinstadt, wenn es da mal regnet? Und er war völlig begeistert, weil er genau das darstellen wollte, und die Idee kam ihm tatsächlich irgendwo in Venedig, als er so in einer Gasse stand. Und als es regnete. Er wollte das Gefühl, das er dort hatte, einfangen. Und was ihn so begeistert hat, war: Bei mir hat das funktioniert. Er hat mir das vermitteln können.

Ich glaube, Literatur will Austausch. Will Kontakte knüpfen. Will dafür sorgen, dass unsere Gedanken weitergegeben werden. Will verstanden werden.

Aber so ists eben, wie ich das sehe. Joa.

Bis bald,
yours

 

Schönheit klingt gefährlich nach Kitsch. Deine Definition umschifft die Klippe, aber ich finde das Wort als Maßstab für Literatizität unpassend. Zur Schönheit hatte mein gestriges Kalenderblatt den Spruch eines südamerikanischen Autors zu bieten: "Literatur heißt, die Wahrheit schönzulügen."
Das finde ich zu kurz gegriffen. Dabei denke ich an Baudelaire oder den Marquis de Sade, der eine bedichtete wie ein Leichnam von Würmern zerfressen wird, der andere schilderte die sexuellen und sadistischen Ausschweifungen von Sodom.
Auch bei zeitgenössischen Thrillern oder Krimis habe ich das Gefühl, dass die Autoren ohne fantasievolle Folterszenen nicht auskommen, weil die Leute genau das lesen wollen.
Man könnte genauso sagen, dass Literatur die Aufgabe hat, die Wahrheit hässlichzulügen.
Besser, weil offener, ist da der Satz, dass wir uns von Version zu Version näher an die Wahrheit heranlügen. (Sinngemäß von Grass gesagt)

Ich denke, dass gute Literatur möglichst viele Seiten abbildet. Wenn explizite Darstellungen von Gewalt und Sex Selbstzweck sind, ödets mich an, obwohl beides dazugehört. Aber auch bspw. Kontemplatives oder Philosophisches gehören in eine gute Geschichte. Literatur gefällt mir, die ein breites Spektrum abbildet.

Beim Thema Unterhaltung denke ich an was seichtes zum Nebenbeilesen. Da fällt mir der Mann ohne Eigenschaften ein. Ein Arbeitsbuch, das unglaublich gedankenreich und anregend ist, aber unterhaltsam höchst selten. Ist es deswegen keine Literatur?

Wichtig finde ich auch was Katla sagte: dass man dem Text nicht voraus sein darf. Wenn ein Roman oder eine Geschichte mich wirklich mitnehmen wollen, müssen sie die bestehenden Grenzen erweitern. Man muss etwas neues lesen, besonders ausgefallene Sex- oder Gewaltszenen sind sicher ein Teil davon.
Spannender ist aber für mich, wenn Autoren verschiedene Gattungen verarbeiten. Zum Beispiel Lyrik in den Fließtext aufnehmen, wie in der Romantik, oder heutzutage bspw. Textpassagen, die wie eine Reportage oder ein Protokoll ausgearbeitet sind. Solche Experimente sind viel zu selten.

Die großen Würfe halte ich für herausragende Literatur, auch wenn sie mich als Leser teils sehr fordern. In diesen Textgebirgen oder -meeren steckt so viel mehr, als in kurzen Texten oder Romanen nach bekanntem Strickmuster. Unterhaltung, Lesearbeit, Humor, poetische Momente, dutzende Figuren, die wenigstens einen Teil menschlicher Vielfalt darstellen...
(Berlin Alexanderplatz, der Mann ohne Eigenschaften, 2666, Unendlicher Spaß)

Jede Literatur sollte den Anspruch haben die bestehenden Grenzen zu erweitern.

Manches für mich wichtige wurde bereits genannt. Ich hoffe noch was neues hinzugefügt zu haben.

Abendgrüße

 

Hallo,

ich glaube, ich bin da einfacher gestrickt.
Ganz generell behaupte ich, Literatur will ... mittlerweile gar nichts mehr. Ich glaube, das viele schreiben, um verkauft zu werden und so ein bisschen Berühmtheit und in seltensten Fällen viel Geld zu bringen. Aber immerhin kann man behaupten, Literatur zu machen. Machen - ja - das ist sicher ein Punkt. Literatur wird gemacht. Nicht nur von den AutorInnen, sondern in erster Linie von den Medien und auch den Literaturbetrieben, Verlagen und so.
Bitte mich nicht falsch zu verstehen. Ich meine nicht, dass jeder nur mehr nach momentanen Geschmack schreibt und nichts einbringen will und das alle schlecht und böse sind. Nein, weit gefehlt. Ich will damit nur behaupten, dass der Begriff Literatur und seine Begrifflichkeit mittlerweile ein nichtssagender, schwammiger Begriff ist, der alles oder eben auch gar nichts mehr umfasst.

Für mich persönlich ist Literatur etwas, das mich berührt - am besten auf vielfältige Weise. Grenzen aufbrechen, wie Kubus sagte, darf sein, muss es aber nicht zwingend. Andrea H. gebe ich recht, dass zumindest rudimentäres Verständnis für Rechtschreibung und Grammatik vorhanden sein sollte, sonst macht es keinen Spass. Stil ist da für mich schon umstrittener und auch das spielt durchaus in die Grammatik rein - denn hier darf und sollte man offen sein für das, was da kommen möge - denn die Beurteilung nach universitären oder journalistischen Massstäben verstellt da sicher manches Mal den Blick.
Yours Trulys Ansatz über das Erzählen an sich und damit einhergehendes Erreichen des/der LeserIn oder HörerIn bekäme da große Sympathie meinerseits. Denn am schönsten ist, wenn man irgendwo ankommt, oder? Ich brauche keine Spitzen-Erste Sätze, keine identifikationsfähige HeldInnen und keine AntiheldInnen, denn selbst, wenn diese perfekt durchkomponiert sind, hat mich das Buch, der Text noch nicht erreicht.
Womit wir wieder beim Berühren wären. Show oder Tell bringt alles nichts, wenn ich nicht hinschaue oder zuhöre. Dass ich das eine und/oder das andere mache, dass muss schon der/die AutorIn schaffen, indem ich berührt werde. Ob mit Stil, schönen Worten, Überzeugung - ist mir persönlich egal, Hauptsache ich komme an, in seiner/ihrer Literatur.

Salve
Lev

 

Wenn ich das richtig sehe, kann daraus nichts anderes werden als eine vielfache Definition von „Was ist Literatur?“, ähnlich der, die Robin Williams alias Lehrer John Keating in dem Film „Club der toten Dichter“ in seiner ersten Unterrichtsstunde seitenweise aus einem Lehrbuch herausreißen lässt.

Andererseits ist es sicher nicht uninteressant zu wissen, wie die einzelnen Autoren auf kg.de, übrigens allesamt Kandidaten für den Club der toten Dichter!, zur Literatur stehen oder von ihr erwarten. Allein deshalb will ich mich hier beteiligen und ein paar Sätze dazu sagen:

Zunächst einmal lehne ich den Begriff Literatur ab. Dieser Begriff ist elitär, weil wertend - das Schlimmste, was einem Autor passieren kann, ist, wenn seinem Text das Prädikat Literatur verweigert wird, obwohl er selbst seinen Text als Literatur betrachtet. Das ist so, als wenn man zu einem Maler sagte, seine Bilder seien keine Kunst. Deswegen stehe ich auf dem Standpunkt, Kunst ist ein Werk dann, wenn der Schöpfer dieses Werks es für die Kunst hält, und zwar unabhängig davon, ob seine Zeitgenossen das anerkennen oder nicht. Begründung: Viel zu oft wurden Werke als Schrott oder eben als keine Kunst bezeichnet, die später als epochal und/oder als bestimmend für Entwicklung der Kunst galten und gelten, nur die Zeitgenossen haben das seinerzeit nicht erkannt.

Auch den Begriff Schönheit sehe ich ähnlich wie Kubus kritisch und als kontaminiert an, nicht zuletzt wegen dessen Dehnbarkeit: Er steht für alles und nichts – nicht umsonst heißt ein berühmter Spruch: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Was ein Leser als schön empfindet, wirkt auf andere als hässlich. Der Begriff ist außerdem Moden unterworfen, mal gilt das als schön, mal was anderes, im Extremfall wird das, was gestern noch schön war, heute als gewöhnlich und morgen vielleicht sogar als bedauerlicher Irrweg in der Kunst/Literatur bezeichnet.

Für mich hat die Literatur nichts zu wollen, sondern nur zu sein. Es gibt kein Ziel und daher auch keinen Weg. Falls es die beiden gäbe, wäre die Literatur prädeterminiert und damit voraussagbar und in gewisser Weise langweilig. Womit ich nicht sagen will, dass sich die Literatur nicht mit Zukunft beschäftigen soll. Ganz im Gegenteil: Literatur, wie auch die gesamte Kunst, beschäftigt sich schon immer mit dem Kommenden, jedoch noch nicht fassbaren. Mit Dingen, die in der Luft liegen, aber noch nicht sichtbar sind. Es ist das Aufspüren des Zeitgeists, bevor dieser für jedermann sichtbar und zum Mainstream wird.

Industrie beschäftigt Scharen von sogenannten Trendforschern. Sie sollen aufspüren, was demnächst in sein wird, und ich bin sicher, auch große Verlage tun was in diese Richtung, wenn nicht anders, dann mit Übersetzungen von amerikanischen Romane, die dort Erfolg hatten – sie wissen, fast alle Moden der letzten fast 100 Jahre kamen zuerst in den USA zum Vorschein und schwappten dann mit einer Verzögerung von ein paar Monaten bis ein paar Jahren über den Atlantik.

Wie bei allen Künsten, verlangt auch ein literarisches Werk nach handwerklichem Können. Doch das darf nicht zum Hauptkriterium erhoben werden, weil dann die Gefahr besteht, dass wir perfekt gefertigte Werke ohne Inhalt, Aussage oder Sinn bekommen. Ich weiß nicht, wie man so ein literarisches Werk nennt, aber in anderen Künsten hat man dafür den sehr treffenden Begriff Kunsthandwerk.

Literatur muss nicht in jedem Fall anecken, aber sie sollte überraschen. Nichts ist schlimmer als etwas zu lesen, was man schon vor Jahren oder Jahrzehnten gelesen hatte. Gleiche Inhalte in genau der gleichen Form, das ist tödlich. Ich meine, entweder der Inhalt oder die Form muss sich von den Vorgängern unterscheiden. Am besten wäre es, das Undenkbare zu denken und das auf eine nie dagewesene Weise niederzuschreiben. Wer hier nicht neugierig würde, wäre kein lebendiger Mensch.

Und damit bin ich bei dem Punkt 5 von Andrea H.: „Das Erschaffen einer neuen Welt innerhalb eines literarischen Textes.“ Den Leser auf diese Reise mitnehmen, das halte ich für sehr wichtig, ja für unabdingbar. Wenn das nicht gelingt, ist die ganze Mühe umsonst gewesen.

 

Literatur erschüttert und heilt, sie bringt den Leser dem Leben näher, sich selbst näher. Wie andere Formen der Kunst auch.
Nun nehme ich mal ein paar Sätze aus der Diskussion, die mich angesprochen haben und schaue nach, ob sie sich damit vertragen:

Yours truly: Geschichten, bei denen ich den Eindruck habe, sie rühren mich, sie bringen etwas in mir zum Klingen. Ich bin beeindruckt, wenn ich das Gefühl habe, etwas Authentisches zu lesen.

Genau, ohne Resonanz zwischen Text und Leser passiert gar nichts, und Resonanz geschieht nicht zwischen dem Leser und etwas abstraktem, sondern zwischen Leser und Autor. Deswegen funktionieren authentische Texte und andere nicht.

Lev: Literatur will ... mittlerweile gar nichts mehr.

Sie muß auch nichts wollen, aber hier ist gemeint, daß Literaur Geld will, und daß ist auch ein Wille, allerdings keiner, der irgendeinem Menschen weiterhilft. Der Kommerz hat seinen Markt: den Leser, der keine Resonanz erleben will, sich oder dem Leben nicht näher kommen will, sondern sich lieber entfernt. Deswegen gedeihen hier die seichten Traumwelten so gut.

Dion: Für mich hat die Literatur nichts zu wollen, sondern nur zu sein.

Die absichtslose Handlung hat die große Wirkung. Wenn man Absicht spürt, ist man verstimmt. Kein Widerspruch zu den Aussagen oben, kein Widerspruch zu Authentizität, Intensität und Entwicklung.

 

Literatur ist erweiterte Erfahrung. Sie erweitert das Repertoire des Denkens, Fühlens und Handelns. Das ist es, was Literatur mir als Leser bedeutet.

Was Literatur will, ist eine andere Frage. Die Autoren wollen (manchmal) Botschaften unter die Leute bringen. Doch die Hauptsache, wie in jeder Kunstform, besteht darin, etwas von hoher Qualität zu schaffen. Die äußert sich in Komplexität, Klarheit der Strukturen und verschiedenen anderen Merkmalen, die eine wohltuende Wirkung auf uns entfalten. Kurz: Schönheit.

 

Ich versuche mal eine etwas andere Vorgehensweise.
Ich trenne zunächst Literatur und Prosa und vergleiche letztere mit einem anderen Medium, um am Ende wieder bei der Literatur zu landen.


Was will Literatur?

Sie will gelesen werden. Ganz einfach. Nur hat diese Antwort hat einen Haken an versteckter Stelle: Wer würde Literatur lesen, gäbe es nicht die oft verachtete Prosa? Wer nie Karl Mays Abenteuerromane oder die Harry Potter Serie verschlungen hat, wächst nicht zum Leser heran und ist für die (Welt-) Literatur verloren. Die Schulen können dem auch nicht entgegenwirken. Mit ihrem Hang und Zwang zur Interpretation töten sie jedes Interesse an Literatur.


Also Prosa.
Prosa hat einen Wunsch, sie will gelesen werden.

Was sie zur Erfüllung ihres Wunsches tun muss, ist die Ansprüche ihres Lesers kennen und bedienen und dabei möglichst übertreffen. Oder wie Katla es ausdrückte: Dem Leser voraus sein.
Es spielt keine Rolle, ob ich frage „was will Prosa“ oder „was soll(te) Prosa (leisten)“ oder „was kann Prosa“. Die Antworten wären sinngemäß gleich.

Bei der vielfältigen Konkurrenz, die Prosa heutzutage durch leichter zu konsumierende Medien erfährt, müssten die Ansprüche an ihr astronomisch sein. Seltsamer Weise ist das nicht der Fall. Ein Paradoxon? Oder hat Prosa ein paar Vorteile, die andere Unterhaltungssparten wie Spielfilme, Film-Dokumentationen, filmische Reiseberichte usw. nicht haben?

Die Umsetzung aller fünf Punkte, die Andrea aufgelistet hat, ist für gute Prosa unerlässlich. Nun wähne ich mich damit dem Geheimnis zwar auf der Spur, habe es aber noch nicht gelüftet.

Schönheit (in der Textstruktur), Rhythmus, Binnenverknüfungen und sinnliche Bilder gehören zu einem gelungenen Text.
Während und nach den Dreharbeiten sorgen Regie, Kameraführung und Schnitt für die entsprechende Qualität beim Film.
Ich sortiere Punkt 2 unter „Handwerkliches“ ein. Hier ist ein solides Können wichtig, damit der Konsument das Werk genießen und verstehen kann, es sollte aber nicht überbewertet werden. Wer je einen (frühen) Grisham Roman gelesen hat, wird mir da bestimmt zustimmen.

Prosa soll Unterhalten, selbstverständlich. Doch das genügt heute nicht mehr. Es gibt zu viele Alternativen, die der Unterhaltung dienen. Wenn ich Unterhaltung wünsche, schalte ich den Fernseher ein oder gehe ins Kino. Auch dort werden Spannung und ungewöhnliche Wendungen geboten, und Gegensätze aufgezeigt.
Prosa muss also mehr leisten. Sie muss dem Menschen etwas vermitteln können, was Dialog, Hintergrundmusik und visuelle Darbietung nicht können.

Unter Punkt 1 finde ich dazu die zwei wichtigsten Stichworte: Charaktere und Konflikte.
Literatur kann Charaktere in jeder Vielschichtigkeit (Tiefe) zeigen, wogegen das Medium Film hier nur die Oberfläche ankratzen kann. Gleiches gilt für Konflikte, insbesondere für innere.
Hierin sehe ich die ersten wichtigen Vorteile der Prosa und zugleich auch wo ihre Stärke liegt und was sie leisten kann.

Das wird unter Punkt 3 bestätigt: „Das Erwecken von Gefühlen ist ein starker Motor.“
Identifikation mit den Figuren ist über gut ausgearbeitete Charaktere und starke Konflikte möglich. Wenn durch den äußeren Konflikt (zusätzlich) ein innerer entsteht, sind Figur und Leser kaum mehr zu trennen.

Bei Punkt 5 möchte ich weg vom Autor, der ist für den Leser uninteressant, hin zum „kompetenten Erzähler“. Unter Kompetenz meine ich hier nicht die ausgefeilte Sprache.
Der Erzähler ist die Trumpfkarte der Prosa, vom Film (Stimme aus dem Off) oft und vergeblich kopiert.
Der (kompetente) Erzähler öffnet dem Leser eine Tür in der Realität und ermöglicht ihm die Flucht (in eine andere Welt).
Das gelingt nur, wenn ich das Gefühl habe, der Erzähler lebt bereits Tausend Jahre in der neuen Welt und kennt dort jeden Stock und jeden Stein und weiß genau auf welchen Stock und welchen Stein er deuten muss (und auf andere eben nicht), damit ich mich in der neuen Welt zurecht finde, ja, sie sogar lieben lerne.

Fazit: Liebe Andrea, ich kann deine 5 Punkte unterschreiben, habe aber, was Prosa betrifft, eine eigene Gewichtung dieser Punkte.

Zurück zur Literatur. Hier würde ich alle 5 Punkte als gleich wichtig ansehen. Hinzu kommen sollte vielleicht noch ein gesellschaftlich relevantes Thema/Problem, möglichst zeitlos, also in der Natur des Menschen verankert, und einige philosophische Überlegungen/Ansätze.

 

Hallo Leute,

zunächst einmal vielen Dank für eure ausführlichen und anregenden Beiträge.

Katla:
Das mit der Leidenschaft ist tatsächlich auch ein wichtiger Punkt, allerdings bringt sie nur ein gutes Ergebnis, sprich gute Literatur hervor, ist also nur Mittel zum Zweck und ist nicht selbst das Ergebnis. Das heißt, "Leidenschaft" sehe ich eher als Motor oder als Treibstoff, den der kreative Prozess braucht, damit das Werkel ordentlich arbeitet.

Zur Überraschung - ich denke, das ist mit dem Punkt 5 abgedeckt: Wenn ich eine neue Welt erfinde, dann ergeben sich die Überraschungen für den Leser da von ganz allein.


Yours:

Interessantes Thema, und ich weiß nicht, ob man wirklich eine allgemeine Antwort auf deine Frage geben kann. Wenn man sagt, Litaratur ist Kunst, könnte man auch fragen: Was will Kunst? Und dann hat man einen riesigen Haufen an Leuten, die wild herumfuchteln mit ihren Pinseln, ihren Schreibmaschinen, ihren Meißeln, ihren Gedanken ... und jeder würde andere fünf Punkte haben.
Ehrlich gesagt der Kunstgedanke interessiert mich kein bisschen, ich hab nicht gefragt, was will Kunst. Genauso hab ich keine Unterscheidung zwischen "hoher" und Trivialliteratur getroffen. Ich will da keine Unterscheidung treffen. Für mich ist "Kunst" ähnlich wie "Liebe" eine reaktionär-bürgerliche Worthülse, ein gesellschaftliches Distinktionsmittel, kurz gesagt: Wenn man an Liebe und Kunst glaubt, dann ist man schon was Besseres. *provozier*
Aber du schränkst das dann ja ein, dir geht es darum, was FÜR UNS die wichtigsten Dinge in einer Geschichte sind. Was ja nicht unbeding dem entspricht, was Literatur will.
Ja, das ist gut beobachtet, einerseits wollte ich einen plakativeren Titel und andererseits denke ich, dass diese fünf Punkte sich aus all den literarischen Texten ergeben, die, sagen wir mal, seit dem Entstehen des Buchmarktes im 18.Jh. produziert wurden. Mit "uns" müsste man also alle Autoren und Leser seitdem zusammenfassen.
Tja ... was ist MIR wichtig?
Es ist zwar interessant, was dir wichtig ist, aber eben deswegen hab ich nach dem gefragt, was Literatur will, weil es mir eher um die kleinsten gemeinsamen Nenner geht als um persönliche Vorlieben, also um das, was für alle gemeinsam unabdingbar ist an einem literarischen Text.
Deine Punkte finde ich alle richtig. Allerdings sehe ich Punkt 1 bei dir eher als die Folge aus den anderen Punkten ... so quasi: Wenn alles zutrifft, dann unterhält eine Geschichte. Ich finde aber, eine Geschichte muss mehr können, also für mich, damit sie mir gefällt.
Das hab ich ja auch gesagt im Grunde: Wenn alle anderen Punkte zu einem gelungenen Ganzen verschmelzen, dann ist ein Text unterhaltsam. Trotzdem ist das der wichtigste Punkt, weil ohne das wird niemand weiterlesen, außer Selbstquäler.
Mir geht es also in den Geschichten, die ich erzähle, darum, Kontakt herzustellen zwischen meinen Gedanken und den Gedanken der Leute, denen ich etwas erzähle. Ich will sie erreichen. Vielleicht ist das total eitel aber: Ich will etwas von mir weitergeben.
Sprache ist ein Zeichensystem, das dem sozialen Austausch dient, klar, aber Kontakt herzustellen zwischen Gedanken verschiedener Leute und etwas von einem selbst weitergeben wollen, ist noch keine Literatur.
Und andersrum: Ich finde Geschichten gut, die MICH erreichen. Geschichten, bei denen ich den Eindruck habe, sie rühren mich, sie bringen etwas in mir zum Klingen. Ich bin beeindruckt, wenn ich das Gefühl habe, etwas Authentisches zu lesen.
Hm, aber das ist doch ganz klar in Punkt 3 und 5 enthalten, oder? Das emotionale Erreichen und die subjektive Wahrhaftigkeit eines Autors.
Ganz egal, ob das Fantasy ist oder Erotik oder ein Krimi. Mir geht es beim Lesen um den Menschen dahinter. Um die Person, die den Text verfasst hat. Um das Persönliche. Wenn das durchscheint, wenn ich die Person sehen kann, wenn ich den Gedanken erfassen kann, den der Autor beim Schreiben hatte, dann mag ich den Text.
Nein, das glaub ich nicht. Ein Text verabschiedet sich von seinem Autor, wenn er niedergeschrieben und dann gelesen wird, er bekommt ein Eigenleben, entsteht bei jedem Leser neu. Das Subjektive ist nur bedingt mit dem Persönlichen gleichzusetzen - das Persönliche ist auch, auf welche Art jemand sein Klopapier faltet. Das Subjektive ist etwas, das sich selbst völlig neu setzt, sich über die eigene reale Person erhebt und etwas Neues schafft, indem er sich selbst als Ursprung setzt. Gerade die Schriftsprache ermöglicht durch ihre Verzögerung in der Vermittlung - Schreiben und Lesen passiert ja niemals gleichzeitig - sich als Autor über das eigene beschissene (persönliche) Leben zu erheben und zu einem "göttlichen" Erzähler zu werden - oja, klar hat das was mit dem "Originalgenie" zu tun, aber wir sind ja noch alle Kinder der Aufklärung, dessen rebellisches Kind der Sturm und Drang nur war.
Die Gedanken, die ein Autor beim Schreiben hatte, kann ich als Leser nie erreichen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Buchstaben nur für etwas anderes stehen, aber nicht selbst die Bedeutung sind. Ich muss den Buchstaben als Leser deuten - und hier kommt dann natürlich die Subjektivität des Lesers hinzu, ich kann nur nach meinen eigenen Erfahrungen deuten.
Ich glaube, Literatur will Austausch. Will Kontakte knüpfen. Will dafür sorgen, dass unsere Gedanken weitergegeben werden. Will verstanden werden.
Nein, das will vieles andere auch, das ist nichts der Literatur Wesentliches.


Kubus:

Schönheit klingt gefährlich nach Kitsch. Deine Definition umschifft die Klippe, aber ich finde das Wort als Maßstab für Literatizität unpassend. Zur Schönheit hatte mein gestriges Kalenderblatt den Spruch eines südamerikanischen Autors zu bieten: "Literatur heißt, die Wahrheit schönzulügen."
Das finde ich zu kurz gegriffen. Dabei denke ich an Baudelaire oder den Marquis de Sade, der eine bedichtete wie ein Leichnam von Würmern zerfressen wird, der andere schilderte die sexuellen und sadistischen Ausschweifungen von Sodom.
Da wird viel durcheinander geworfen. Zunächst einmal ist der Vorwurf, dass Literatur lügt, ein sehr alter Vorwurf. Aber warum sollte der Willen, einen Text so zu gestalten, dass ich ihn als schön empfinden kann, kitschig sein? Das verstehe ich nicht. Auch kann man Baudelaire und de Sade überhaupt nicht vergleichen: Der eine wollte tatsächlich die Poesie und Schönheit eines an sich sehr ekligen Vorganges des realen Lebens zeigen, der andere ist ein Vertreter der dunklen Seite der Aufklärung, die zeigen wollte, dass der Mensch nicht an sich gut und tugendhaft und vernünftig ist. Aber de Sade bildet keine Wirklichkeit ab, die er schön machen will.
Der Wunsch nach Schönheit ist für mich mit dem Wunsch nach Gestaltung gleichzusetzen.
Beim Thema Unterhaltung denke ich an was seichtes zum Nebenbeilesen. Da fällt mir der Mann ohne Eigenschaften ein. Ein Arbeitsbuch, das unglaublich gedankenreich und anregend ist, aber unterhaltsam höchst selten. Ist es deswegen keine Literatur?
Ich finde den „Mann ohne Eigenschaften“ sehr wohl unterhaltsam, „Unterhaltung“ ist nicht an sich schon seicht, aber das ist wohl Definitionssache.

Lev:
Natürlich richtet sich das, was als Literatur ensteht, sehr nach dem, was auf dem Markt gefordert wird, aber das ist nicht nur heute so, sondern schon, seit der Buchmarkt ein wichtiger Markt geworden ist, auf dem man viel Geld verdienen kann, also so ungefähr seit der 2. Hälfte des 18. Jh.s

Bitte mich nicht falsch zu verstehen. Ich meine nicht, dass jeder nur mehr nach momentanen Geschmack schreibt und nichts einbringen will und das alle schlecht und böse sind. Nein, weit gefehlt. Ich will damit nur behaupten, dass der Begriff Literatur und seine Begrifflichkeit mittlerweile ein nichtssagender, schwammiger Begriff ist, der alles oder eben auch gar nichts mehr umfasst.
Es ging mir auch gar nicht um eine Definition von „Literatur“, sondern um die Grundpfeiler dessen, was einen guten fiktiven Text ausmacht. Und ich wollte das so einfach wie möglich machen, eventuell um anderen eine Handhabe oder Richtlinie zu bieten, nach der sie ihre eigenen Kriterien, wie sie einen Text beurteilen, überprüfen können.
Stil ist da für mich schon umstrittener und auch das spielt durchaus in die Grammatik rein - denn hier darf und sollte man offen sein für das, was da kommen möge - denn die Beurteilung nach universitären oder journalistischen Massstäben verstellt da sicher manches Mal den Blick.
ja, idealerweise sollte man sich bei seinem Stil völlig frei fühlen.

Dion:

Wenn ich das richtig sehe, kann daraus nichts anderes werden als eine vielfache Definition von „Was ist Literatur?“, ähnlich der, die Robin Williams alias Lehrer John Keating in dem Film „Club der toten Dichter“ in seiner ersten Unterrichtsstunde seitenweise aus einem Lehrbuch herausreißen lässt.
Nein, eben nicht, siehe oben bei der Antwort zu Lev. Literatur definieren zu wollen, find ich eigentlich unnötig.
Auch will ich hier keine Diskussion, ob „Literatur“ ein elitäter Begriff ist oder nicht, es ging mir einfach um Beurteilungskriterien für fiktive Texte.
Auch den Begriff Schönheit sehe ich ähnlich wie Kubus kritisch und als kontaminiert an, nicht zuletzt wegen dessen Dehnbarkeit: Er steht für alles und nichts – nicht umsonst heißt ein berühmter Spruch: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Was ein Leser als schön empfindet, wirkt auf andere als hässlich. Der Begriff ist außerdem Moden unterworfen, mal gilt das als schön, mal was anderes, im Extremfall wird das, was gestern noch schön war, heute als gewöhnlich und morgen vielleicht sogar als bedauerlicher Irrweg in der Kunst/Literatur bezeichnet.
Der Wunsch nach Schönheit ist für mich mit dem Willen nach Gestaltung gleichzusetzen – und der ist sicher nicht Moden unterworfen. Nur das „Wie“ der Gestaltung ist Moden unterworfen, welche Stile entwickelt werden, ist eine Frage der historischen Veränderung, aber dass grundsätzlich ein unbedingter Gestaltungswille da ist oder sein soll, wirst du doch auch kaum bestreiten.
Für mich hat die Literatur nichts zu wollen, sondern nur zu sein.
Das ist halt so eine hohle Phrase, was soll das schon aussagen? Die Frage „Was will Literatur“ ist natürlich im Grunde Unsinn, aber ich denke, ich hab deutlich gemacht, dass es einfach um unhintergehbare Kriterien geht, die ein fiktiver Text unbedingt erfüllen muss.
Es gibt kein Ziel und daher auch keinen Weg. Falls es die beiden gäbe, wäre die Literatur prädeterminiert und damit voraussagbar und in gewisser Weise langweilig. Womit ich nicht sagen will, dass sich die Literatur nicht mit Zukunft beschäftigen soll. Ganz im Gegenteil: Literatur, wie auch die gesamte Kunst, beschäftigt sich schon immer mit dem Kommenden, jedoch noch nicht fassbaren. Mit Dingen, die in der Luft liegen, aber noch nicht sichtbar sind. Es ist das Aufspüren des Zeitgeists, bevor dieser für jedermann sichtbar und zum Mainstream wird.
Ja, das wäre vielleicht tatsächlich noch ein 6. Punkt: Literatur als Seismograph feiner, aber wesentlicher Strömungen und die Deutung dessen, wo diese Strömungen hingehen. Trotzdem werden aber auch alte literarische Texte noch gerne und mit Gewinn gelesen, sie "verändern" sich mit der Zeit und haben uns auch noch heute was zu sagen.

Jynx:

Was Literatur will? Dasein. Literatur existiert nur um ihrer Selbst willen.
Nichts existiert um seiner selbst willen – Literatur ist genauso wenig frei wie alles andere, trotzdem ist es natürlich ein schöner, aber ebenso hohler Anspruch. Das gibt als Beurteilungskriterium nix her.

Setnemides:

Die absichtslose Handlung hat die große Wirkung. Wenn man Absicht spürt, ist man verstimmt. Kein Widerspruch zu den Aussagen oben, kein Widerspruch zu Authentizität, Intensität und Entwicklung.
Eher so: Natürlich stecken in jedem literarischen Text jede Menge Absichten – manche bewusst, manche unbewusst, absichtslose Handlung ist für mich ein Widerspruch in sich, schlicht weil Handlung immer in irgendeine Richtung geht, also sich zu einem Ziel hin entwickelt.

Berg:
Ja, das ist es , was ich unter dem Willen zur Gestaltung verstehe – der Wunsch nach hoher Qualität.

Asterix:
Du wirfst hier einiges durcheinander: Was du meinst, ist die Unterscheidung zwischen hoher Literatur und Trivialliteratur – „Prosa“ ist die Gattungsbezeichnung für erzählende Literatur und kein Werturteil.

Du stellst die Frage, was Literatur gegenüber anderen Medien an Mehr bieten kann: Es ist die Unsinnlichkeit des Mediums Sprache – gerade weil Sprache so unsinnlich ist, wird Fantasie gefördert, indem sie gefordert ist. Der nackte Buchstabe zeigt nichts, da muss der Leser im Grunde viel leisten, seine „inneren“ Sinnesorgane in Gang setzen.
Den „Autor“ durch „kompetenten Erzähler“ zu ersetzen find ich gut, es nimmt das Autobiographische weg.

Ich muss mich entschuldigen, weil ich so lange nicht geantwortet habe, schieb es aber auf die Hitze! :D

Gruß
Andrea

 

Ich finde, dass Jynx recht hat, wenn sie sagt, dass Literatur um ihrer selbst willen existiert. Was wollte demnach Mathematik?
(Nebenbei: Alles existiert um seiner Selbst willen. Was nicht gleichbedeutend mit Freiheit ist und von mir ebenso haltlos wie von Dir behauptet wird. ;) )

Wonach Du fragst und was du unter den Punkten Unterhaltung, Schönheit usw. erläuterst, ist: Was will der Autor (von Literatur)? Literatur will nicht unterhalten, Schönheit erzeugen oder Gefühle erwecken. Ein Autor schon. Literatur ist dabei Mittel zum Zweck.

Ich glaube, dass ein (guter) Autor immer zuerst schreiben will. Er will nicht in erster Linie unterhalten, Schönheit erzeugen oder Gefühle erwecken. Da gäbe es einfachere Varianten. Er will schreiben und wenn er Glück hat (oder das als Glück ansieht), produziert er dabei Literatur oder etwas, was andere dafür halten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Andrea, du denkst also nicht, dass allein die Ästhetik des Hässlichen den Begriff der Schönheit als Maßstab für literarische Qualität sprengt?
Wenn du den Wunsch nach Gestaltung meinst, solltest du es auch so schreiben.

Zunächst einmal ist der Vorwurf, dass Literatur lügt, ein sehr alter Vorwurf. Aber warum sollte der Willen, einen Text so zu gestalten, dass ich ihn als schön empfinden kann, kitschig sein?
Alt und richtig, wenn auch nicht unbedingt ein Vorwurf. Schließlich kann man Wirklichkeit nicht eins-zu-eins abbilden, automatisch wird verfremdet, also gelogen.
Nein, nein, Schönheit ist nicht zwangsläufig kitschig, das sage ich nicht. Aber der Begriff ist zu eng und deswegen irreführend. Ich hätte den zweiten Punkt gern offener formuliert, bspw: Wille zur (äußeren und inneren) Gestaltung (des Textes).
Das aber war ja nicht mein eigentlicher Beantwortungsversuch der Titelfrage, sondern nur ein kleines Gedankenspiel.
Grüße
ps: Ich hab da nichts durcheinander geworfen, sondern schlicht zwei Beispiele genannt, die durch das Schönheitsraster fallen. Natürlich sind die zwei Franzosen in Stil und Absicht weit voneinander entfernt. Beide aber kommen aus der Welt "unschöner" Literatur.

 

Was will Literatur?, eigentlich gar nix. Und was wollen die, welche Literatur "machen" oder gar "leben"uneigentlich?

Zwo uralte Briefausschnitte, die sich ergänzen mögen:

„Meine Dichtungen sind alle ohne Absichten, ohne Tendenzen entstanden. Wenn ich aber nachträglich nach einem gemeinsamen Sinn in ihnen suche, so finde ich allerdings einen solchen: vom «Camenzind» bis zum «Steppenwolf» und «Josef Knecht» können sie alle als eine Verteidigung (zuweilen auch als Notschrei) der Persönlichkeit, des Individuums gedeutet werden. Der einzelne, einmalige Mensch mit seinen Erbschaften und Möglichkeiten, seinen Gaben und Neigungen ist ein zartes, gebrechliches Ding, er kann wohl einen Anwalt brauchen. Und so wie er alle großen und starken Mächte gegen sich hat: …, so habe ich und haben meine Bücher immer alle diese Mächte gegen sich gehabt und bekamen ihre Kampfmittel, die anständigen wie die brutalen und gemeinen, zu spüren.“

So H. Hesse, 1954 in einem Brief, mehr als hundert Jahre nach G. Kellers

„… bin ich einmal aus dem Dreck heraus, so werde ich mich freuen, eine gute Zeit an Wind und Wetter gestanden zu haben. Denn meine Maxime ist geworden: Wer keine bitteren Erfahrungen und kein Leid kennt, der hat keine Malice, und wer keine Malice hat, bekommt nicht den Teufel in den Leib, und wer diesen nicht hat, der kann nichts Kernhaftes arbeiten.“ 1851.

 

bekommt nicht den Teufel in den Leib, und wer diesen nicht hat, der kann nichts Kernhaftes arbeiten
jetzt fehlt nur noch: "Ein Teil der Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft."
Deine Zitate spiegeln den selbsttherapeutischen Aspekt der Literatur und dessen Übergang in eine die Welt verändernde Botschaft, übermittelt mithilfe der "Malice". Damit in Verbindung stet der Begriff der Katharsis: die Läuterung oder Reinigung der Seele durch das Mitleiden mit den Protagonisten, man könnte ergänzen: auch die Emanzipation der Seele.

Die absichtsvolle und die absichtslose Literatur betreiben die Entwicklung des
Autors und des Lesers, letztere tut dies oft wirkungsvoller.

 

Wer keine bitteren Erfahrungen und kein Leid kennt, der hat keine Malice, und wer keine Malice hat, bekommt nicht den Teufel in den Leib, und wer diesen nicht hat, der kann nichts Kernhaftes arbeiten.
:rotfl:

 

Literatur will gelesen werden. Literatur muss mal dringend aufs Klo. Literatur kann mich mal. Es ist bei genauerer Betrachtung eigentümlich, einer leblosen Sache einen Willen zuschreiben zu wollen. Wahrscheinlich gibt es in der Arbeitsgruppe Autoren bloß ein Sommerloch zu stopfen?

Kopfschüttelnd,
-- floritiv.

 

Tschuldige floritiv, aber es kann nicht dein Ernst sein, Literatur als leblose Sache zu bezeichnen! Scheiße Mann. Schon mal drüber nachgedacht, dass die ganze Literatur ein Gewebe ist, an dem eine schier endlose Anzahl Schreiber über Jahrtausende gewirkt haben?
Geniale Gedanken können inspirieren, obwohl ihre Autoren schon längst tot sind. Literatur wird in den Köpfen der Leser lebendig, oder unter den Fingern des Schreibers.

 

Scheiße Mann.
Jetzt hysterisier doch nicht wie in einem billigen Hollywood-Kriegsfilm. Literatur selbst ist leblos, sie hat keine Identität, kann also nichts wollen. Dass sie im Kopf des Lesers etwas, durchaus Positives bewirkt (um sie von einem Messer abzugrenzen, das in jemandes Bauch gerammt ja ebenfalls etwas bewirkt), will ich nicht bestreiten.
Aber diese Diskussion hier ist in meinen Augen ein peinlicher Tanz von Eitelkeiten, da musste ich einfach mal Saboteur spielen. Ich muss dabei eingestehen, dass auch ich hin und wieder meine intellektuellen Phasen habe.

Ich sags gleich noch mal: Literatur ist tot, lang lebe der Rezipient.

 

Friedrichard schrieb:
„… bin ich einmal aus dem Dreck heraus, so werde ich mich freuen, eine gute Zeit an Wind und Wetter gestanden zu haben. Denn meine Maxime ist geworden: Wer keine bitteren Erfahrungen und kein Leid kennt, der hat keine Malice, und wer keine Malice hat, bekommt nicht den Teufel in den Leib, und wer diesen nicht hat, der kann nichts Kernhaftes arbeiten.“

Ich muss grinsen, wenn ich das lese, weil es so ein wenig danach klingt wie beim Herrn der Ringe - in der Szene, in der Gandalf vom Balrog ins Feuer geworfen wird und dann als "der Weiße" wieder aufersteht.

Oder nach einem Film mit Bruce Willis, in dem er am Anfang ein gescheiterter, vom Leben gebeutelter Aussteiger ist, seine Ehe kaputt, er raucht und trinkt und rettet dennoch die Welt.

Joa, so etwas macht Mut, wenn man in der Tinte sitzt, das alles könnte ja doch noch für etwas gut sein, nichts ist umsonst, und mit jeder Narbe kannst du später in deinen Geschichten am Lagerfeuer andere (jüngere!) Jäger beeindrucken.

Yes, we can!

Udo1234 schrieb:
Erst wenn man nicht mehr unterscheiden kann, durch wen die Kunst entstanden ist, durch den "Autor" oder durch den "Leser", dann beginnt Literatur.

Das ist ein rätselhafter Satz, der mich eine Weile beschäftigt hat. Aber jetzt, da ich meine, irgendwas mit ihm anfangen zu können, bin ich froh, ihn gelesen zu haben. Da steckt viel Wahrheit drin. Danke dafür!

 
Zuletzt bearbeitet:

Ane:

Ich finde, dass Jynx recht hat, wenn sie sagt, dass Literatur um ihrer selbst willen existiert. Was wollte demnach Mathematik?
Ich verstehe es einfach nicht, wenn man sagt, etwas existiert um seiner selbst willen? Was soll das denn heißen? Ich bitte um Erklärung!
Wonach Du fragst und was du unter den Punkten Unterhaltung, Schönheit usw. erläuterst, ist: Was will der Autor (von Literatur)? Literatur will nicht unterhalten, Schönheit erzeugen oder Gefühle erwecken. Ein Autor schon. Literatur ist dabei Mittel zum Zweck.
Ja, ich wollte es aber von einem Autorwillen wegbringen, einfach mal zusammenfassen, was es denn ist, was Literatur zu Literatur macht, und ich denke, da hat der einzelne Autorwillen nur wenig Bedeutung.

Udo1234:

Es gibt nicht einmal einen Hersteller (Autor) von Kunst und einen Verbraucher (Leser) von Kunst. Erst wenn man nicht mehr unterscheiden kann, durch wen die Kunst entstanden ist, durch den "Autor" oder durch den "Leser", dann beginnt Literatur.
Das heißt, es müsste da noch eine dritte Instanz geben, neben Autor und Leser, aus dessen Perspektive gesehen werde könnte, wie die Grenze zwischen Autor und Leser verschwimmt, aber die kann es nicht geben. Dass ein Text durch den Autor UND den Leser entsteht, ist klar, aber das macht einen Text noch nicht zu Literatur, denn das gilt im Grunde für jeden Text.
Wenn jemand einen Text als Kunst, also als Literatur empfindet, dann hat er ein komplexes Erlebnis, was sich nicht nachträglich auf den Verstand reduzieren lässt. Gerade oder auch die "Schreiberlinge" haben kein zusätzliches Werkzeug und können wie alle anderen Menschen auch keine "vernünftige" Antwort geben, was sie gerade erlebt haben. Allerdings bin ich kein Unmensch und gestattet jedem, dass er ausspricht, was er eigentlich nicht aussprechen kann. Wer einen Baum pflanzt, braucht ihn wahrscheinlich
Ich habe auch nicht die Frage gestellt, wann etwas Kunst ist, sondern, und das sage ich jetzt zum wiederholten Mal, was für einen literarischen Text unhintergehbar ist. Was genau Kunst ist, interessiert mich überhaupt nicht. Ich glaube auch nicht an dieses verzückende Kunsterlebnis - ein Text kann mich auf vielfache Weise beschäftigen und ich kann ihn genießen, aber ich erwarte mir keine Epiphanie.
Sehr wohl kann ich aber danach fragen, was einen guten Text auszeichnet, ich glaub nicht, dass ich damit die hehre Kunst schände.

Kubus:

Andrea, du denkst also nicht, dass allein die Ästhetik des Hässlichen den Begriff der Schönheit als Maßstab für literarische Qualität sprengt?
Wenn du den Wunsch nach Gestaltung meinst, solltest du es auch so schreiben.
Das hab ich auch hier:
Das geht vom Aussehen des realen Textkörpers über die Rechtschreibung (das ist ein heikler Punkt, ich weiß, aber ich denke, Stil kann man nur entwickeln, wenn man Grammatik durchschaut und beherrscht), Lautlichkeit, Rhythmus und Binnenverknüpfung eines Textes (durch Verwendung von Leitmotiven zum Beispiel) bis hin zu den sinnlichen Bildern, die er in der Fantasie des Lesers erzeugt. Im Allgemeinen versteht man darunter den Stil.
ps: Ich hab da nichts durcheinander geworfen, sondern schlicht zwei Beispiele genannt, die durch das Schönheitsraster fallen. Natürlich sind die zwei Franzosen in Stil und Absicht weit voneinander entfernt. Beide aber kommen aus der Welt "unschöner" Literatur.
Du verwechselst hier klar Stil mit Inhalt. Es wird wohl kaum jemand behaupten wollen, dass Baudelaire sich in seinem Stil nicht um Schönheit bemüht hat.

Friedrichard:

„Meine Dichtungen sind alle ohne Absichten, ohne Tendenzen entstanden. Wenn ich aber nachträglich nach einem gemeinsamen Sinn in ihnen suche, so finde ich allerdings einen solchen: vom «Camenzind» bis zum «Steppenwolf» und «Josef Knecht» können sie alle als eine Verteidigung (zuweilen auch als Notschrei) der Persönlichkeit, des Individuums gedeutet werden. Der einzelne, einmalige Mensch mit seinen Erbschaften und Möglichkeiten, seinen Gaben und Neigungen ist ein zartes, gebrechliches Ding, er kann wohl einen Anwalt brauchen. Und so wie er alle großen und starken Mächte gegen sich hat: …, so habe ich und haben meine Bücher immer alle diese Mächte gegen sich gehabt und bekamen ihre Kampfmittel, die anständigen wie die brutalen und gemeinen, zu spüren.“
Gerade diese Feier des Individuums macht Hesse zu einem so beliebten Autor bei Pubertierenden. Aber ich glaube nicht, dass dieser Subjektivismus grundlegend für einen literarischen Textes ist.

„… bin ich einmal aus dem Dreck heraus, so werde ich mich freuen, eine gute Zeit an Wind und Wetter gestanden zu haben. Denn meine Maxime ist geworden: Wer keine bitteren Erfahrungen und kein Leid kennt, der hat keine Malice, und wer keine Malice hat, bekommt nicht den Teufel in den Leib, und wer diesen nicht hat, der kann nichts Kernhaftes arbeiten.“ 1851.
Dieses Zitat antwortet darauf, wie ein Autor sein muss, um gut schreiben zu können, aber nicht darauf, was grundlegend für einen guten fiktiven Text ist.

Floritiv:

Literatur will gelesen werden. Literatur muss mal dringend aufs Klo. Literatur kann mich mal. Es ist bei genauerer Betrachtung eigentümlich, einer leblosen Sache einen Willen zuschreiben zu wollen. Wahrscheinlich gibt es in der Arbeitsgruppe Autoren bloß ein Sommerloch zu stopfen?
Nein, dieser Thread ist nur um seiner selbst willen entstanden ... ;)

Ich weiß, dass Literatur keinen Willen hat, wie schon x-mal gesagt. Der Titel war als Aufhänger gemeint, aber ich denke, dass ich da schon erklärt hab, um was es mir eigentlich geht.
Ich hab mich bemüht, möglichst einfach und anschaulich zusammenzufassen, was unbedingt notwendig ist, damit ein Text ein guter Text ist. Auch um Richtlinien zu geben, um Texte beurteilen zu können. Man muss diese Richtlinien nicht teilen, aber ich hab mich schon bemüht. Jetzt vom hohen Ross aus zu sagen, das ist eh alles nur ein aufgeblasenes Nichts, weil es grad fad ist, find ich schlichtweg nur arrogant.


Gruß
Andrea

 

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