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Copywrite Cool?

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06.08.2005
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Cool?

(überarbeitete Version, Urversion hier)​

„Es ging sehr schnell: Er holte aus, traf mich, ich ging zu Boden, er trat eine Weile auf mich ein und ließ mich blutig zurück.“

ENDE​

Es war eine kurze Geschichte, und als ich das Vorlesen beendet hatte, gab es nur betretenes Schweigen im Raum. Ich wusste, das war eine Gnadenfrist, bevor der Tumult losgehen würde. Die Aufgabe war klar: die Geschichte kopieren, mit eigenen Worten und eigenem Sinn füllen. Schreibübungen waren sie gewohnt, dazu waren sie ja hier. Das Problem war die Geschichte: kurz, knapp, wenig Handlung. Eine Ghetto-Situation, Jugendliche wie sie, einer wird zu einer Schlägerei herausgefordert, bei der er keine Chance hat. Über so was würden sie nicht schreiben wollen, und dann auch noch mit einem so provokanten Titel wie „Coolness“.

Andererseits wussten sie, dass ich mir bei meinen Übungen was dachte. Wie beim letzten Mal bei der „Ja-Nein“-Aufgabe. Was hatten sie da zuerst gemeutert!
„Tut euch paarweise zusammen, und für fünf Minuten sagt der eine immer nur „Ja“, der andere immer nur „Nein“.“
„Das ist viel zu abstrakt, so ohne Kontext“, hatte jemand eingeworfen.
„Probiert es doch einmal aus“, war ich standhaft geblieben.
Und dann hatten sie es durchgezogen, zunächst steif und peinlich berührt, dann spielerisch, bis bei jedem eigene Bilder im Kopf erschienen waren, und kein „Ja –Nein“ dem anderen glich. Es hatte sich Stöhnen entwickelt, Wimmern, Kämpfen, Schreien, und erst, als ich das Zeichen zum Abbruch gab, hatten sich alle hingesetzt und ihre Geschichten dazu aufgeschrieben.

Das ging ihnen wohl jetzt durch den Kopf, bevor Simon das Schweigen brach: „Warum diese Geschichte? Das ist dreist. Keine Überraschung, keine Pointe. Und das sollen wir kopieren?“
„Ein Typ verabredet sich zu einer Schlägerei und wird zusammengeschlagen. Was hat das mit „Coolness“ zu tun?“, fragte jetzt auch Rob ratlos. „Ist der Erzähler mutig oder schlicht ein Idiot?“
„Tja, Coolness, was soll man dazu sagen?", überlegte Michi. "Ich lass den Prot einfach so cool wie er ist, er stellt sich, fürchtet sich nicht, es ist ihm vielleicht schlicht egal.“
„Da steckt doch nichts dahinter.“ Judas schnaubte, und ein kleines Bläschen bildete sich an einem seiner Nasenlöcher. Mit jedem Atemzug schwoll es an und wieder ab, bis es bei seinem letzten Wort zerplatzte: „Ist doch einfach hingerotzt.“

„Das erinnert mich an einen Witz.“ Nick fielen zu allem und jedem Witze ein. „Kennt ihr den? Ein Mann kommt in den Saloon und sagt: `Man hat mir mein Pferd geklaut. Wenn das nicht gleich wieder da steht, geschieht das, was vor genau einem Jahr in Santa Fé passiert ist´.“
„Und, was war da passiert?“, spielte Simon müde lächelnd mit.
„Er hat sich ein neues Pferd gekauft.“ Nick strahlte.
„Und was hat das jetzt mit der Geschichte zu tun?“ Ein ungeduldiger Judas.
„Keine Pointe!“, triumphierte Nick. „Das ist die Pointe!“
„Oder ein ganz anderer Aspekt“, meldete sich jetzt Sascha zu Wort. „Diese Parallele: der Typ hat keine Chance und geht trotzdem hin. Die Geschichte wird verrissen, und der Autor hat sie trotzdem veröffentlicht. For Shizzle.“
Große Augen. Alle sahen mich jetzt an.

Nun, das ist ein Jugendwerk von einem Freund von mir. Ich dachte kurz an Stefan. Aber doch, er fand sie gut. Ich grinste. So, und jetzt mal zur Arbeit. Die Geschichte ist offen in Plot, Charakteren und Schauplatz. Ideal, damit ihr eure Fantasie spielen lassen könnt. Überlegt mal, was könnte den Helden denn bewogen haben?

„Oder den Autor?“ Nick grinste. „Vielleicht wollte der eine Schlägerei-Geschichte schreiben, und dann ist ihm keine Pointe eingefallen. Kein Deus-ex-Machina. Obwohl ... Ist doch klar. Eigentlich hatte er einen Deal mit Außerirdischen. Ich stelle mir das so vor“:

„Ich werde das ein für alle Mal regeln.“ Gelassen blies ich den Rauch aus meiner Lunge. Wenig später stand ich in der Raumstation, die zusehends verfiel. Die Deckenbeleuchtung hatte einen Wackelkontakt und blinkte in unregelmäßigen Abständen. Den Alien schien es nicht zu stören. Er reichte mir seine Tentakel und versicherte: „Wir beamen dein Bewusstsein in dem Moment zu uns, in dem die Schlägerei beginnt. Du wirst nichts spüren. Und wenn er damit fertig ist, enterst du deinen Körper wieder.“

Ich lachte. „Ja, eine gute Idee. Noch welche?“

„Das klingt so sehr nach männlichem Hormon“, meinte Sanne. „Nun, vielleicht war ein Mädchen im Spiel. So wie bei Romeo und Julia.“
„Ah, der weibliche Blickwinkel!“ Natürlich musste Sascha wieder seinen Senf dazugeben.
„Also ...“

„Morgen Abend um zehn“, sagte Kemal zu mir. „Hier unter der Brücke“
Jeder um uns herum sah, dass ich keine Chance gegen diese Traube von Muskeln hatte.
Meryem wartete hinter dem Gebüsch auf mich. „Du musst fliehen. Çabuk. Er meint es ernst.“
„Nein, ich lasse es nicht zu. Du und ab in die Türkei? Niemals.“
„Er wird wirklich kämpfen; es geht um die Ehre.“
„Aber wenn ich nicht komme, wird dein Bruder dich nicht in Ruhe lassen. Soll er sich doch als Sieger fühlen ... soll er doch die Ehre wiederherstellen ... Dann kannst du jetzt dein Abi machen, und wenn ich wieder heil bin, gehen wir zusammen weg ...

„Eh, Leutz! Wie wäre es damit?“ Sascha überlegte. „Die Bitch hat ihn versetzt, und jetzt will er nicht mehr leben. Sozusagen ein geschenkter Selbstmord. Ein Abgang mit Coolness.“

Jetzt hatte auch Gülsen eine Idee. „Oder so in der Richtung, wie Basem es immer erzählt:“

„Warum kämpfst du gegen ihn?“, fragte mich Bernie? “Wir leben in Deutschland, nicht in South Central. Wenn er dir Stress macht, dann hol doch die Polizei.“
„Für dich gilt das, Bernie. Du bist weiß wie er und unauffällig. Was meinst du, was die Polizei machen wird? Die werden mich doch erst mal auf Drogen untersuchen. Weißt du, wie oft ich angehalten werde, wenn ich unterwegs bin? Wie oft den Bullen nur eins einfällt, wenn sie mich und die anderen sehen? Ausweise.“

„So, ich glaube, ihr habt jetzt genügend Ideen. Dann könnt ihr ja mit dem Schreiben beginnen. Ihr habt jetzt noch bis zwanzig Uhr Zeit, und nächste Woche besprechen wir dann eure Geschichten.“ Ich fand es immer wieder toll, was diesen jungen Menschen alles einfiel. Und von Woche zu Woche wurden sie besser, ideenreicher, sprachgewaltiger.

Damals hätte ich auch gern so einen Schreibkurs besucht. Doch es gab noch nicht mal ein Jugendzentrum. Nur diesen Bolzplatz unter der Brücke, mit den Scherben überall. Noch heute habe ich diesen Geruch in der Nase, Teer und Erde und Urin. Noch heute höre ich das Knacken, als Stefans Finger unter den Stiefeln brachen und sein Röcheln, als der andere ihn liegen ließ. Dass das der Zeitpunkt war, als wir beide angefangen haben zu schreiben, haben wir uns erst später erzählt. Unfähig zu reden, haben wir, jeder für sich, einen Weg gefunden, das Erlebte zu verarbeiten, uns nicht zu verlieren. Na ja, für uns war es ein Anfang, und nicht das

ENDE​

 

@Woltochinon

Ich sehe „Coolness“ als Problem bei Jugendlichen, oft Schaden sie sich damit, kompensieren aber mit ihrem Verhalten auch Unsicherheiten die u. U. durch mangelnde kulturelle Orientierung entstehen. Insofern eine wichtige Thematik.
Da kann ich dir nur zustimmen.

Interessanter wird der Text dann, als die Rückblende einsetzt. Gerade am Ende vom Schlussabsatz wird mir die `Quintessenz´ der Geschichte zu direkt präsentiert, es wirkt ein wenig eilig.
Eigentlich sollte das nur ein etwas melancholisches Ausgleiten sein. Im Grunde, dachte ich, ist da alles erzählt (und die Copywrite-Geshichte abgehandelt), und es sollte einen etwas verstörenden Abschluss geben (der Bella gar nicht gefällt). Interessant also deine Meinung dazu.

Und nun zum Wichtigsten :D :

heißt es nicht Çabuk?
Doch! Wo hast du die Cedille her? Will ich auch haben!
Ich weiß, dass man ein i ohne Punkt auf unserer Tastatur so schreibt: ý .
Wie macht man das Ç ???
So, ich habe das schonmal in den Text kopiert :bounce: , aber generell wüsste ich schon gern, wie man das schreibt (genauso mit dem S).

Also, vielen Dank für den Kommentar.
Gruß, Elisha

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Elisha,

die Cedille erhälst du:Bei offenem Word-Dokument -- Einfügen (oben bei Taskleiste) - Symbol - Symbol anklicken - dann `Einfügen´ im Kasten anklicken.

Weiterhin viel Erfolg,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Elisha,

ich habe jetzt nicht alle Kommentare zu Deiner Copywrite-Geschichte gelesen. Möglicherweise wiederhole ich mich also ...

Da ich das Original kannte und auch die Diskussion dort, hat mich Deine Geschichte sehr gut unterhalten und ich hatte viel Spaß beim Lesen. Du hast aus Golios kurzer Geschichte sehr viel gemacht - die Idee mit dem Schreibspiel finde ich klasse :D.

Auch an der Stelle mit dem Alien habe ich sehr gelacht.

Noch ein paar Bemerkungen:

„Da steckt doch nichts dahinter.“ Judas schnaubte, und ein kleines Bläschen bildete sich an einem seiner Nasenlöcher. Mit jedem Atemzug schwoll es an und wieder ab, bis es bei seinem letzten Wort zerplatzte: „Ist doch einfach hingerotzt.“
wunderbar :D

„Keine Pointe!“ triumphierte Nick.
Pointe!",

Vielleicht wollte der eine Schlägerei-
fehlen vor "Vielleicht" vielleicht die Anführungszeichen?

„Warum kämpfst du gegen ihn?“ fragte
ihn?", fragte

wenn sie mich und die anderen sehen? Ausweise“
Ausweise."

noch bis Zwanzig Uhr Zeit
zwanzig

Sehr gerne gelesen!

Lieben Gruß
al-dente

 
Zuletzt bearbeitet:

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Hallo Elisha,
Ich sehe du hast die Geschichte geändert. Viel besser!!!!! Jetzt sind die einzelnen Fragmente zu einer schlüssigen Handlung zusammengewebt. :)

 

@al-Dente

Da ich das Original kannte und auch die Diskussion dort, hat mich Deine Geschichte sehr gut unterhalten und ich hatte viel Spaß beim Lesen. Du hast aus Golios kurzer Geschichte sehr viel gemacht - die Idee mit dem Schreibspiel finde ich klasse .
Vielen Dank!

Auch an der Stelle mit dem Alien habe ich sehr gelacht.
Leider hat sich der "Nick" noch nicht dazu geäußert ...


@Goldene Dame

Ich sehe du hast die Geschichte geändert. Viel besser!!!!! Jetzt sind die einzelnen Fragmente zu einer schlüssigen Handlung zusammengewebt.
Mich verwirrt das jetzt etwas, denn die Geschichte habe ich ja sofort nach Phoenix´Kommentar, also lange vor deinem, umgeschrieben. Meine letzte Änderung bestand nur darin, die Charaktere "Nick" und "Fredrick" zu einer Figur (Nick) zusammenzufassen.


Danke für eure Kommentare!

Gruß, Elisha

 

Mich verwirrt das jetzt etwas, denn die Geschichte habe ich ja sofort nach Phoenix´Kommentar, also lange vor deinem, umgeschrieben. Meine letzte Änderung bestand nur darin, die Charaktere "Nick" und "Fredrick" zu einer Figur (Nick) zusammenzufassen.

Was meinst du wie verwirrt ich war. Ich hatte die Urversion gelesen...nachdem ich einem Link gefolgt bin. :( ???? Unkonzentriertheit????Ist auch egal. So wie sie da steht gefällt sie mir.

 

Leider hat sich der "Nick" noch nicht dazu geäußert ...
Der hat seit zwei Wochen einen guten Grund - namens? - und wird sich noch melden ...

@Goldene Dame

Was meinst du wie verwirrt ich war. Ich hatte die Urversion gelesen...nachdem ich einem Link gefolgt bin.
Ja, so kann es gehen. ;)
So wie sie da steht gefällt sie mir.
:)

Gruß, Elisha

 

Hi Elisha,

ich hatte auch die Urversion schon gelesen. Mir gefallen beide gut, aber diese hier liest sich noch etwas runder (einer so kurzen Geschichte tun zu viele Personen nicht gut).

Es ist Dir recht gut gelungen, die Personen verschieden zu charakterisieren: Jeder hat eine eigene Vorstellung davon, wie die Geschichte abläuft.

Die Metaebene der Copywrite-Reflexion und der Kritik zu Golios Geschichte gewinnt dem Ganzen zusätzlichen Reiz ab, die Story funktioniert aber auch ohne das Insiderwissen (und das ist sehr gut so).

Natürlich habe ich mich auch ohne Deinen Hinweis in Nick erkannt. :) Ich kann Dir aber versichern, dass der Tag, an dem ich das Wort "Tentakel" in einer SF-Geschichte verwende, ein schwarzer Tag für die SF sein wir. ;) Die Grundidee Deines Ausweichplots ist aber gut: Eine klassische P.K.-Dick-Variante.

Am besten gefällt mir aber die Auflösung am Schluss: Hier setzt Du die Konsequenz fort, die Golio schon begonnen hat. Man kann die Kerngeschichte als pointless kritisieren (denn das ist sie), aber das haben Geschichten, die wirklich passiert sind zuweilen so an sich. Das entwertet die Kritik nicht. Jedoch gilt diese Kritik nun nicht mehr für Deine Geschichte, denn die ist eine Reflexion über die Kerngeschichte und schließt sie damit zu einem abgeschlossenen Kreis.

Beste Grüße,
Naut

 

Hi Naut,
schön, dass deine verdoppelten Vaterpflichten dir für einen Kommentar Zeit gelassen haben.

Die Metaebene der Copywrite-Reflexion und der Kritik zu Golios Geschichte gewinnt dem Ganzen zusätzlichen Reiz ab, die Story funktioniert aber auch ohne das Insiderwissen (und das ist sehr gut so).
Danke für das Feedback. :)

Natürlich habe ich mich auch ohne Deinen Hinweis in Nick erkannt.
Wirklich? :lol: *merk: Tentakel nix gut*

Man kann die Kerngeschichte als pointless kritisieren (denn das ist sie), aber das haben Geschichten, die wirklich passiert sind zuweilen so an sich. Das entwertet die Kritik nicht. Jedoch gilt diese Kritik nun nicht mehr für Deine Geschichte, denn die ist eine Reflexion über die Kerngeschichte und schließt sie damit zu einem abgeschlossenen Kreis.
Schön formuliert, vielen Dank! Ich fühle mich geehrt. ;)

Gruß, Elisha

 

Hi Elisha,

es ist zwar schon alles zu deiner KG gesagt worden, doch da ich alle Copy-KGs lesen möchte, werde ich meinen Komm. auch abgeben.:)

Es hat mir gefallen, dass du verschiedene Möglichkeiten, die zu der Plotsituation geführt haben können, durchgespielt hast. Auch, dass du am Ende eine wahre Geschichte daraus gemacht hast.

Nur der Hinweis auf den Schreibkurs hat mich etwas gestört. Ich finde ihn zu erklärend. Ist aber Geschmacksache.

Trotzdem, gerne gelesen.

lieben Gruß, coleratio

 

@coleratio

es ist zwar schon alles zu deiner KG gesagt worden, doch da ich alle Copy-KGs lesen möchte, werde ich meinen Komm. auch abgeben.
Danke! Und die Bemerkung zum Schreibkurs war ja neu. ;)

Gruß, Elisha

 

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