Stümmen sie nicht, köme Friedrichard über Dich und verbässere sie umgehend
meint Makita &'s wird für einen, der sich ein Stündchen am Tag fürs Internet gönnt ächt anstrengend, hier mitzumischen. Darum noch einmal zum Lifestyle der modernen Küche:
Der feindlichen Übernahme des einen Wirtschaftsunternehmens durch ein angeblich mächtigeres und doch eigentlich schon bankrottem, weil überschuldetem - wie Real Madrid, Zufall? - entspricht im Kulturellen die Denglisierung der anderen indogermanischen Sprachen.
Der denglische Konjunktiv*
Gäbe es heutigen tags einen Menschen, der die folgenden Verse nicht kennte, der aber insbesondere die ersten vier Zeilen in der korrekten Form wiedergäbe?
»Wenn ich ein Vöglein wär
und auch zwei Flügel hätt,
flög ich zu dir,
weil´s aber nicht kann sein
bleib ich allhier«** -
wir dürfen es getrost bezweifeln. Es kläng’ im zu befürchtenden Fall des modisch-eleganten Nichtküchenstyling etwa wie folgt:
„Würd’ ich ein Vöglein sein
und auch zwei Flügel haben,
ich würde zu dir fliegen,
weil es aber nicht sein kann,
bleib ich hier liegen“,
so also - oder ähnlich - trüge man das Volkslied vor. Denn der Konjunktiv II, - der Konjunktiv irrealis, wie er auch genannt wird, - ist Opfer des Denglischen geworden. Was heißt das?
Der Konjunktiv ist im Deutschen neben Indikativ und Imperativ einer der drei Modi des Verbs. Hier herrschen zwei Arten des Konjunktivs vor: Konjunktiv I wird in der indirekten Rede verwendet, der Konjunktiv II am häufigsten in Konditionalsätzen.
Da die indirekte Rede allüberall noch in Gebrauch ist wie in Protokollen, Berichten, Inhaltsangaben, wird sie auch weitgehend beherrscht. Durch sie wird kenntlich gemacht, dass nicht die eigene Meinung, sondern das, was ein anderer geäußert hat, berichtet wird. I. d. R. verwendet man den Konjunktiv I. (wurd von Vorrednern schon referiert)
Anders, weil schwieriger und darum zumeist umgangen (daher der Begriff "Umgangssprache"), ist die Verwendung und Bildung des Konjunktivs II.
Er wird im Deutschen üblicherweise vom Präteritum abgeleitet. Unregelmäßige starke Verben mit umlautfähigem Stammlokal werden umgelautet: Bleiben wir bei den Versen von oben: sein > war > wäre / haben > hatte > hätte / fliegen > flog > flöge und außer der Reihe nehmen wir kommen > kam > käme etc.
Unmögliche oder unwahrscheinliche Bedingungen / Folgen sollen durch ihn benannt werden. Durchs Formulieren von Bedingungen und deren Folgen lassen sich Vorstellungen, Wünsche, - die wahrscheinlich unerfüllt bleiben - oder auch Zweifel an bestimmten Sachverhalten ausdrücken. Wie bei den zitierten Versen kann der irreale Konditionalsatz mit wenn oder falls eingeleitet werden (was an anderer Stelle schon behauptet wird), muss er aber nicht. Der Nebensatz stellt eine Bedingung auf, bei deren unwahrscheinlichem Eintritt die Folge einträte, die im Hauptsatz benannt wird. Die Konjunktionen wenn und falls können auch entfallen wie aber auch der Nebensatz, könnte die Bedingung aus dem Kontext erschlossen werden: Ich flöge nämlich nicht zu dir.
Die Denglisierung des Konjunktivs ist Folge der Grammatikregeln im Deutschen: Es gibt nämlich Ersatzformen sowohl für den Konjunktiv I als auch für den Konjunktiv II: Stimmt der Konjunktiv I mit dem Indikativ überein, kann der Konjunktiv I durch den Konjunktiv II ersetzt werden, um Verwechslungen mit dem Indikativ Präsens vorzubeugen. Wenn aber der Konjunktiv II mit dem Indikativ Präteritum zu Missverständnissen führen kann (wohlgemerkt: keine muss-, sondern kann-Regelung) infolge der Identität beider Formen, so darf immer schon der Konjunktiv mit würde - aber dann doch bitte mit Würde und nicht, um dem mainstream zu gefallen, der heute so und morgen wieder andes bläst - konstruiert werden.
Denn man geht in der Umgangssprache den einfachsten Weg und macht die würde-Konstruktion zur vorherrschenden Konjunktiv-Konstruktion. Wer traute sich heute noch zu sagen wenn er irgendwann mal bäckt, dass er „büke“, da fühlt man gleich Arbeit und dass man sich bücken müsste. Wie unmodisch, ungemütlich und wenig bequem! Unzeitgemäß! Als machte es irgendetwas am Backvorgang einfacher, wenn einer „backen würde“. Nun sind aus vier Buchstaben elf geworden! Eine Inflation heiße ich so etwas!
I. d. R. folgt die Umgangssprache unbewusst der englischen Grammatik mit would. Dabei hat dieses would mehr Bedeutungen als das deutsche würde je haben kann und dem would gesellen sich might, could u. a. zu.
Kafka hat 1910 den Wunsch, Indianer zu werden, niedergeschrieben – eine Kürzestgeschichte in einem einzigen Satz (der keine Kleist’sche Wortkaskade ist) überwiegend im Konjunktiv niedergeschrieben. Freilich fürcht ich, dieses kleine Schmuckstück wird die meisten heute überfordern, vermögen sie doch kaum zu unterscheiden, wann der Konjunktiv II ins Präteritum umschlägt.
Zur Versöhnung und Entspannung ein paar ältere Verse
Es lädt zu einer sehr späten Stunde
Präsens in seine bescheid’ne Hütte ein.
Alle Zeitformen wollen geladen sein
Zu dieser weisen und gelehrten Runde.
Geladen ist, - die Reihenfolge muss sein, -
Vor all den anderen das Plusquamperfekt.
Das streit’ herrlich sich und laut mit dem Perfekt.
Wer mag denn da von beiden vollendeter sein?
’s meldet sich, - recht ruppig, - das Präteritum
Als längstens bestätigte gräuliche Zeit
Und bringt selbst den Gastgeber, das Präsens um
In seinem bunten futuristischen Kleid. –
Keine Zukunft seh’n wir für ein Futurum,
Exaktums Vollendung tut niemand mehr leid!
Exkurs: Hier spricht das Konjunktief
Niemandes Zukunft sei heute mehr sicher
Nicht einmal die des Futurs, ob I, ob II!
Real würd Konjunktiv zwo im Hintergrund kichern,
Wär er, - wenn überhaupt, - noch dabei.
So viel oder wenig für heute!
Gruß
Friedel
*Die Höflichkeitsform etwa der Art „Ich hätte gern ein Bier“ sei hier ausgeschlossen.
**Aus Des Knaben Wunderhorn