Was ist neu

Präsens oder Präteritum?

1. Sie trank Milch in der Bar, obwohl sie das normalerweise nicht tat.

2. Sie trank Milch in der Bar, obwohl sie das normalerweise nicht tut.

3. Sie trank Milch in der Bar, obwohl man das normalerweise nicht tut.

1. Alles ist Vergangenheit.

2. Das Milchtrinken geschah in der Vergangenheit, aber die Deixis, der Punkt, von dem aus erzählt wird, liegt in der Gegenwart, was man damit anzeigen kann.

3. Weil es allgemeiner gesellschaftlicher Konsens ist, dass man in einer Bar nicht Milch trinkt, steht hier der zweite Satz im Präsens. Es ist eigentlich ein Mittelding, weil das natürlich auch ein Standpunkt ist, von dem aus erzählt wird: Der zeitliche Standpunkt mischt sich vielleicht mit gesellschaftlichen, sozialen, geographischen usw. Standpunkten, die NOCH IMMER vorherrschend sind.


Tschuldigung für das doofe Beispiel! ;-)

 

Nö, es ist ziemlich langweilig, Grammatikregel aufzuzählen, die jeder selbst nachschlagen kann. Das handwerklich Spannende beginnt erst im Einzelfall, wo die Kunst wiederum ist, das Wesentliche zu erkennen und sich darauf zu beschränken. Alles andere ist Gelaber.
*unterschreib* :aua:
Es geht hier nicht um Grammatik, sondern um die Erzähltheorie – siehe Quinns ersten Beitrag. :D

Andererseits gibt es natürlich auch unwichtige Fragen – zum Beispiel: Wenn es in Deutschland mal wieder zu Unruhen käme, wenn Molotow-Cocktails flögen, dann – das schwöre ich – stünde …

Ist der Ich-Erzähler hier 40 Jahre älter als in Wirklichkeit und dazu noch gefangen im Deutsch einer anderen Epoche? :Pfeif:

 
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Kasimir: Sei doch nicht gleich beleidigt, nur weil ich deinem Beitrag etwas hinzugefügt habe. Du könntest mal Größe zeigen und drüberstehen. :)

Und: Wo hast du denn den Link ausgegraben?

KONJUNKTIV I BEISPIELE:
Sascha dachte pausenlos darüber nach, wie er sie ansprechen könne.

Er hat das nicht getan, also Irrealis und der braucht Konjunktiv II.

"Sascha dachte pausenlos darüber nach, wie er sie ansprechen könnte."

Weiter:

Er glaubte, sie habe schon einen festen Freund.

Das ist keine indirekte Rede, es ist eine Vermutung. Also: Konjunktiv II.

"Er glaubte, sie hätte schon einen festen Freund."

Edit:

Andrea schrieb:
3. Weil es allgemeiner gesellschaftlicher Konsens ist, dass man in einer Bar nicht Milch trinkt, steht hier der zweite Satz im Präsens. Es ist eigentlich ein Mittelding, weil das natürlich auch ein Standpunkt ist, von dem aus erzählt wird: Der zeitliche Standpunkt mischt sich vielleicht mit gesellschaftlichen, sozialen, geographischen usw. Standpunkten, die NOCH IMMER vorherrschend sind.

Richtig, nur wie verhält es sich in einer Geschichte? Du erklärst ja, wie man den Satz auseinanderpflückt und was er aussagt - völlig richtig, bezogen darauf, dass du das Präteritum für die Vergangenheit verwendest und das Präsens für etwas Allgemeingültiges.

Aber geht das so auch in einer Geschichte?

Denn da geht es ja um die Perspektive, nicht um die Zeit und ob etwas in der Vergangenheit stattfand. Das Präteritum steht in einer Geschichte nicht für Vergangenes. Also gibt es auch kein Präsens. Demnach:

"Sie trank Milch in der Bar, obwohl man das normalerweise nicht tat."

Nochmal edit, weils mir gerade einfällt:

"Es war im Jahr 2015, als die große Katastrophe kam. Er ging in eine Bar und trank Milch, was man normalerweise nicht tut."

Das "tut" ist schräg, weil es bedeutet, dass mir jemand diese Geschichte jetzt erzählt. Aber sie spielt in der Zukunft!

Also muss man konsequent auf der Ebene bleiben und sagen:

"Es war im Jahr 2015, als die große Katastrophe kam. Er ging in eine Bar und trank Milch, was man normalerweise nicht tat."

 
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Niemand beherrscht den Konjunktiv bis ins letzte starke Verb hinein, also stirbt er schön langsam aus und das ist wahrscheinlich gut!

Ich dachte, es geht hier um Präsens und Präteritum?^^

Edit: Tut mir leid, Yours, aber ich verstehe deinen Einwand einfach nicht!

 

Grammatik ist wichtig, aber nicht in diesem Kontext. Sie ist nicht das Thema! Dions hats gesagt, es geht um Erzähltheorie! Ich bin nicht beleidigt, sondern genervt. Hier geilt sich langsam jeder nur an seiner Kleinkrämerei auf!

 

Und du geilst dich dran auf, dass du alle als Kleinkrämer bezeichnen kannst. Viel besser ist das auch nicht. :)

Edit: Tut mir leid, Yours, aber ich verstehe deinen Einwand einfach nicht!

Tja. Schade. Hast du denn Interesse daran, ihn zu verstehen? Dann führe ich das noch weiter aus. Aber falls nicht, ich hab eh Hunger und besorge mir gleich mal was zu essen.

 

@ Yours: Wenn ich jetzt einen Text aus dem 18. Jh. lese und da wird im Präsens erzählt, glaub ich ja auch nicht, dass der aus unserer Gegenwart heraus spricht. Aber ich weiß, dass der Erzähler wollte, dass der Leser glaubt, dass er aus einer Gegenwart heraus erzählt. Es geht also nie um eine absolute, sondern nur um eine relative Zeit.

 
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Andererseits gibt es natürlich auch unwichtige Fragen – zum Beispiel: Wenn es in Deutschland mal wieder zu Unruhen käme, wenn Molotow-Cocktails flögen, dann – das schwöre ich – stünde …

Ist der Ich-Erzähler hier 40 Jahre älter als in Wirklichkeit und dazu noch gefangen im Deutsch einer anderen Epoche? :Pfeif:

Der Konjunktiv II ist nicht in allen Formen gestelzt, nur in manchen. Diese hier "käme, flöge, stünde" - alles kein Problem.

Und das Beispiel scheint mir von einem äußerst talentierten und wohlriechendem Autor zu stammen, dessen Leistungen mir nicht genügend gewürdigt scheinen!

Und was du da zitierst, ich glaub das ist nicht richtig verstanden worden.
Wenn ich beginne einen Text zu schreiben und mir eine Erzählsituation überlege, dann entscheide ich mich auch für ein Tempus. Das ist eine Frage der Erzähltheorie.
Diese völlig losgelösten Beispiele von allem ... das ist Grammatik, das hat mit Literatur so viel zu tun wie die Rechtschreibung.

Und so etwas, was Makita gemacht hat. Ein Beispiel und dann gesagt: Hier ist die Erzählebene, das gehört ins Präteritum. Und das ist die Reflexionsebene, das gehört ins Präsens.
Das löst ja gerade eine wundersame Panik hier aus, weil die Leute glauben, hier exisitierten riesige Bildungslücken und nur einige, wenige Ausgewählte verfügten über das Geheimwissen, welche Zeit in diesen speziellen Sonderfällen die ultimativ richtige sei!

Ich finde die Aspekte des Erzählens nun eben spannender als solche Grammatikfragen, die dem "Recht-Schreiben" zuzuordnen sind. Und die wir ohnehin alle instinktiv richtig machen, weil wir als anständige Autoren ab und an mal ein Buch lesen und sich so Sprachbilder einprägen.

Die Priorität eines Autors - die Diskussion hatte ich mit sim schon einige Male - sollte darin liegen, schön zu schreiben, nicht richtig. Das ist in den allermeisten Fällen identisch und wo es nicht so ist, in diesen Grauzonen, da macht man es einfach so, wie es schöner klingt. Und wenn das nur genug machen, gibt der Duden schon nach. :)

 
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"Es war im Jahr 2015, als die große Katastrophe kam. Er ging in eine Bar und trank Milch, was man normalerweise nicht tut."

"Es war im Jahr 2015, als die große Katastrophe kam. Er ging in eine Bar und trank Milch, was man normalerweise nicht tat."


Hier wird eine festzumachende Jahreszahl gesagt, 2015, die absolute Zeitschiene gilt dann natürlich: Ich weiß, dass das in der Zukunft spielt, weil wir jetzt erst 2011 haben, aber vom ERZÄHLSTANDPUNKT her liegt das in der Vergangenheit, ich kann etwas als Erzähler nicht erzählen, was nicht bereits passiert ist oder was gerade in diesem Moment passiert, außer ich bin Hellseher.

Spürst du nicht, Yours, dass es da einen erheblichen Unterschied zwischen beiden Beispielsätzen gibt?^^ Beim zweiten Beispiel tat man es damals im Jahr 2015 nicht, beim ersten tut man es noch immer nicht, unbestimmt, ob jetzt 2016, 3080 oder 11900.^^

 

Quinn schrieb:
Die Priorität eines Autors - die Diskussion hatte ich mit sim schon einige Male - sollte darin liegen, schön zu schreiben, nicht richtig.

Ja, so seh ich das auch. Und das mit den Sprachbildern triffts ebenfalls.

Andy schrieb:
Spürst du nicht, Yours, dass es da einen erheblichen Unterschied zwischen beiden Beispielsätzen gibt?^^ Beim zweiten Beispiel tat man es damals im Jahr 2015 nicht, beim ersten tut man es noch immer nicht, unbestimmt, ob jetzt 2016, 3080 oder 11900.^^

Freilich spüre ich da einen Unterschied.

Trotzdem ist das Präteritum in einem Roman keine Form der Vergangenheit. Es ist eine Erzählebene, und das ist ja der Trick, diese Ebene, die losgelöst von der aktuellen Zeit existiert. Das hat Quinn auch sehr schön dargestellt, irgendwo weiter vorne im Thread.

Wenn ein Roman anfängt, fängt auch gleichzeitig eine eigene Welt an, eine ganz eigene Zeit. Und die wird in Romanen (vorwiegend) im Präteritum erzählt. Und ein Wechsel ins Präsens stellt eine Verbindung in die andere Zeit dar, in die Zeit, in der der Erzähler erzählt, in die Zeit, in der der Leser das Buch liest. Und das ist für mich ein Bruch in der Perspektive.

Natürlich kann man das einsetzen, so als Stilmittel, gerade WENN man einen Bezug zum Jetzt herstellen will.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hier mal als Beispiel wie Erzähler heute aussehen können. Das ist ein Text, der den Bachmannpreis gewonnen hat, vor 4, 5 Jahren, was weiß ich. Also da gab es a) richtig Kohle für und b) die Chance, es literarisch zu was zu bringen.

http://bachmannpreis.orf.at/bachmannpreis/texte/stories/117531/

Da geht es um Entpersonalisierung des Ich-Erzählers, um Realitätskonstruktion und um Selbstrechtfertigung.

 

Und das Beispiel scheint mir von einem äußerst talentierten und wohlriechendem Autor zu stammen, dessen Leistungen mir nicht genügend gewürdigt scheinen!
Deswegen hab ich’s auch gebracht! :thumbsup:

Die Priorität eines Autors - die Diskussion hatte ich mit sim schon einige Male - sollte darin liegen, schön zu schreiben, nicht richtig. Das ist in den allermeisten Fällen identisch und wo es nicht so ist, in diesen Grauzonen, da macht man es einfach so, wie es schöner klingt. Und wenn das nur genug machen, gibt der Duden schon nach. :)
Klar, beim Duden arbeiten auch nur Menschen, die geliebt werden wollen.

 

Makita -

ich bitte tausendmal um Entschuldung - aber was gut ist, et hätt doch jewirkt, oder? - kann auch noch zwotausendmal wiederholt werden, weshalb ich mich nochmal unzeitgemäß hier äußere.

Tut mir leid, ich habe Titanic nie gesehen und bin sehr stolz darauf,
sagt Quinn unter # 14, was für mich gleichermaßen gilt wie noch der Vielschreiber St. King hinzukäme, hätt' ich nicht doch zwei Verfilmungen gesehen, von denen Es mich schüttelte, zuvor aber Shining packte – letzteres dann wohl eher Kubricks & Nicholsons Leistung, denn die Kings. Aber dank Quinn begreif ich erstmals, warum ich morgens zu nachtschlafener Zeit (zwischen fünf und sechs) von einer uniformierten Dickmamsel einer Vitrine entnommen und mit einem Wedel mehr geprügelt denn gestreichelt werde und wieder in die Vitrine mit dem Hinweis „der letzte Fußgänger“ zurückgestellt werde. Aber Quinn täte mir Unrecht mit seiner Quantifizierung meiner Antiquiertheit: Ich leb in der Welt der (janz) Alten Meister. Nicht so alt wie Thomas Bernhard und doch vorm Konrad Duden und wahrscheinlich noch vor Gottscheds Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst. Und da behaupte ich nun kackfrech – und darum auch tumb:
alles Erzählen ist im Grunde auktorial, wie es auch daherkäme und sich zu verstellen suchte - so auch das Hochjubeln des Authentischen, modern und doch eher nur modisch, da gesellschaftlich erwünscht. Es ist das, von dem man gar bald mit Adenauer sagen wird: „Wat kümmert mich mein Jeschwätz von jestern?“ Es lässt sich aus den gesellschaftlichen Verhältnissen erklären, und behaupte keiner, Lieteratur und Kunst überhaupt hätte nix mit Gesellschaft zu tun. Extrem an einem aktuellen Beispiel, dem gewesenen Verteidigungsminister, der mit einer angetrauten Bismarck-Enkelin zur Popgröße aufgebauscht wurde – der ein Muster nichtauktorialer Erzählkunst abgab – oder wird einer glauben, dass der Baron nicht um die Feinheiten seiner Promotion wusste?, oder – eigentlich schlimmer noch – um die Vorfälle in Kundus?
Und siehe: Er stürzt zurück in die Rollentheorie der 1950-er Jahre, in der gesellschaftliches Geschehen mit dem Theater verglichen und gleichgesetzt wurde. Wähnt sich schon als Hiob. Kurz: Authentizität ist einstudiert und der Regisseur wird wohl wissen, was da auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sich abspielt.

Gleichwohl schüttelt es mich wie beim King, wird heute einem jungen Menschen von m. E. schlechten Beratern empfohlen authentisch zu sein, da er sonst niemals eine Stelle bekäme. Während sich der junge Mensch offenbart weiß er nicht die Bohne um den Arsch, der auf der andern Seite in den Sessel furzt.

Und jetzt geht's auf alle Fußballplätze der Republik - ob mit oder ohne Bömbchen!

Gruß

Friedel

 

Auf 3Sat laufen im Moment grade wieder die Bachmann-Preise.
So von wegen Gegenwartskurzgeschichte.

 
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Dass es so oft Ich-Erzähler sind! Hier habe ich den Eindruck, einen größeren Weltausschnitt zu sehen, die Perspektive ist nicht so enggeführt wie bei den meisten anderen Texten dieser Art. Inhaltlich ist der nicht überraschend, bei seinen Themen bekomme ich das Gefühl, ein Kind meiner Zeit zu sein. Angenommen, die wären repräsentativ. Hat mir gefallen, wirklich gut lesbar, ein bisschen harmlos für meinen Geschmack und etwas zu viel Zuckerguss. Aber dafür eine Carla und ein Klavier, das Piano heißt.

 

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