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Tschüs, Kathi ...
Tschüs, Kathi, und stell mir nix an!
Während ich die Stiegen hinuntersteige, Kathi's Abschiedskuss als wohlig warme Erinnerung spürend, höre ich, wie sie absperrt. Mich aussperrt. Zumindest habe ich in letzter Zeit den Eindruck, dass das so ist. Auch, wie sie mich taxiert, als überlege sie sich etwas. Sie wird mir doch nix anstellen?
Ich muss grinsen. Immer dieser blöde Spruch. Wie oft wollte ich mir den schon abgewöhnen? Irgendwann einmal war er locker gemeint, ich fand das irgendwie witzig. Doch heute ist er nur mehr leere Phrase, Gewohnheit - möglicherweise. Gewohnheit? Na, hoffentlich nicht! Sieben Jahre sind doch kein ernstzunehmender Zeitraum. Oder? Obwohl ... Irgend etwas ...
*
"Alle Neune!"
Der Kerl aus der Buchhaltung springt herum, als hätte er zu viele verbotene Substanzen zu sich genommen. In seiner Begeisterung stößt er mein Bierglas um, während er von seinem eigenen einen viel zu großen Schluck nimmt. Ein paar Mädels, vermutlich Praktikantinnen, kichern pflichtschuldig, während einer der Betriebsräte dem glücklichen Kegler gratulierend auf den Rücken klopft.
Ich hingegen beseitige die Sauerei auf meinem Platz.
Was mach ich eigentlich hier?
Anfangs war es immer lustig gewesen. Wir waren nur wenige, doch im Laufe der Zeit sind diese Kegel-Sauna-Abende zum Firmenereignis geworden, an dem alle teilhaben wollten. Vom geselligen Kegeln keine Spur mehr, von entspannten und anregenden Gesprächen in der Sauna schon gar nicht.
Heute protzen die werten Kollegen um die Gunst der jungen Praktikantinnen und so manch Mitarbeiter nutzte die Chance zum Seitensprung. Schlimm finde ich, dass die Frauen um keinen Deut besser sind. Wahrscheinlich lauter Fälle von spontanem Freiheitsdrang. Gut, Freiheit ist wichtig. Auch mir selbst. Das liebe ich so an Kathi. Niemals hat sie etwas dagegen, wenn ich einmal fort will - zum Kegeln oder sonst wohin. Immer lässt sie es zu.
Ach, Kathi! Wie viel schöner wäre es doch, wenn wir uns gerade jetzt daheim zusammenkuschelten - am besten mit wenig bis gar nichts an. Haut an Haut. Miteinander. Ineinander.
Ein barscher Zuruf von Müller reißt mich zurück ins Hier. Na gut, wenn's sein muss. Mach' ich halt auch "Alle Neune".
*
Du schläfst schon. Schade. Obwohl ich immer todmüde bin, wenn ich vom Kegel-Sauna-Wahnsinn heimkehre, plaudere ich noch gern ein paar Worte mit dir. Es hat und gibt mir etwas Vertrautes.
Aber ich verstehe dich. Auf was sollst du schon warten? Der Büroklatsch interessiert dich noch weniger als mich. Und mit mir ist auch nicht mehr anzufangen.
Es hat aber auch etwas Gutes, wenn du bereits schläfst. So kann ich dich ungeniert betrachten. Ein klein bißchen Voyeur sein.
Wie immer verwickelt ins Bettzeug, der Atem geht tief, aber unregelmäßig. Hey Süße, du wirst doch nicht schlecht träumen! Ich sehe schon, wir müssen reden. Unbedingt! Irgend etwas beschäftigt dich, beunruhigt dich. Liegt es an mir? An dir? Habe ich etwas falsch gemacht? Ja, wir müssen reden - am besten gleich morgen.
Einen Blick gönne ich mir noch - auf deine Brüste und die sich deutlich abzeichnenden Brustwarzen, die mich so heiß machen und dich auch, wie ich nur zu gut weiß. Ein kleiner Gutenachtkuss und leise sage ich:
"Tschüs, Kathi, bis morgen."
*
"Hmmm ... Kathi ... guten Morgen", murmle ich, als du neben mir hochschreckst. Vielleicht lächle ich ja auch, bevor mich der Schlaf wiederhat.
*
"Tschüs, Kathi, und stell mir nix an!"
Schon wieder habe ich es gesagt. Ein schneller Kuss von mir, um meine Betretenheit zu kaschieren. Durch meine wirren Gedanken dringt deine Antwort.
"Kann sein, dass ich nicht da bin, wenn du wiederkommst."
Was? Obwohl ich nicht will, fallen mir viel zu schnell Worte aus meinem Mund.
"Wo gehst du denn hin?"
Was tue ich da bloß? Ich könnte an meinen eigenen Worten ersticken. Was will ich bitte darstellen? Cerberus? Das hast du nicht verdient.
"Ich weiß es noch nicht. Ich will einfach mal wieder raus. Irgendwohin."
Meine Chance! Ich kann das wieder hinbiegen!
"Dann wünsch ich dir viel Spaß, ... aber pass auf dich auf, hörst du?"
Shit! Wieder im Ton daneben. Gut gemacht, Herr Oberlehrer!
"Ja ja, ist schon gut. Geh schon, sonst kommst du zu spät."
Ich bekomme einen Kuss und umarme dich, fester als notwendig und ärgere mich. Spielte da nicht ein mitleidiges Lächeln um deine Lippen? Ich starre die mittlerweile geschlossene Tür an und schlucke.
"Tschüs, Kathi, und ... äh."
*
Verdammt! Verdammt, verdammt! Mein Selbstärger kennt keine Grenzen. Wie konnte ich mich nur so blöd gebärden? Was für ein Teufel hat mich dabei geritten?
Kathi muss mich für einen kompletten, hochgradig eifersüchtigen Vollidioten halten. Als nächstes suche ich wahrscheinlich noch geheime Tagebücher oder blonde Haare.
Unter dem hämischen Gejohle der gegnerischen Mannschaft versenke ich bereits die dritte Kugel, ohne auch nur einen Kegel zum Zittern gebracht zu haben.
Was sollte das? Hat mir Kathi nicht immer Vertrauen geschenkt, mir meine Spinnereien und Freiheiten gelassen? Ich ticke bereits aus, wenn sie einmal, ein einziges Mal, ihren Abend ohne mich auswärts genießen will. Was soll sie denn schon groß machen? Mit einer Freundin Kaffee trinken und schmutzige Witze erzählen oder sich im Kino eine romantische Komödie ansehen. Weiter wird nichts sein. Nicht Kathi!
Nein! Aus! So geht das nicht! Ich werde meinen Fehler ausbügeln! Ich gehe jetzt sofort nach Hause und warte auf sie. Ich werde Blumen kaufen und Champagner und reden werden wir. Endlich. Ich wollte das doch sowieso schon. Wo ich doch gespürt habe, dass ihr irgendetwas Sorgen macht. Und ich? Ich Narr! Gehe kegeln! Warum eigentlich? Weil ich es schon ewig mache? Keine gute Ausrede. Ich gehe!
*
Blumen! Was für eine Schnapsidee, um diese Zeit Blumen zu kaufen! Die einzigen Blumen zur Zeit hatten diese herumschwärmenden Rosenverkäufer, wobei dieses tiefgefrorene Zeug nicht einmal eine Blattlaus hervorlocken würde.
Aber den Champagner habe ich. Tankstellen haben einfach alles! Außer Blumen natürlich.
Aber vorerst muss ich mich einmal orientieren. Keine Ahnung, wo ich bin. Ich halte Ausschau nach Bekanntem, bis ich bei einer Frau hängenbleibe, die gerade aus dem Fenster sieht, allerdings nur kurz, dann zieht sie ihr Typ vom Fenster weg. Wenn mich nicht alles täuscht, flackern da Kerzen im Hintergrund. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ein Romantiker. Obwohl - eigentlich gar nicht so schlecht, hin und wieder.
Ah, da - ein Straßenschild. Alles klar. Kenn' mich wieder aus. So! Heimwärts!
Seltsam. Diese Frau da - am Fenster. Die Bluse erinnert mich an jene blaue, leicht transparente, die Kathi trug - damals, als wir uns kennenlernten.
Blödsinn! Bei dem Licht ... Ich glaube, ich habe Sehnsucht nach dir.
*
Wo bleibt sie nur so lange? Ich hoffe, es ist nichts passiert. Ach, Schwachsinn! Verplaudert hat sie sich! Sonst gar nichts!
Wo sie nur bleibt? Ich könnte ihre Freundinnen anrufen.
Schon bin ich beim Telefon. Hör auf! Mach dich nicht lächerlich! Was willst du denn sagen? 'tschuldigung, ist Kathi bei dir? Was sollen die Weiber von mir denken? Dass ich nicht mehr Herr meiner Sinne bin? Oder dass ich unbedingt heraushängen lassen will, dass ich Kathi's Herr bin?
Ich muss mich ablenken. Fernsehen. Ein Kanal folgt dem anderen. Ich bleibe bei einer Nachrichtensendung hängen. Es wird gerade von einem tödlichen Unfall berichtet. Meine Kehle wird eng und ich schalte schnell weiter. So habe ich "Tschüs, Kathi, ..." nie gemeint.
Ah, ein Film aus den Fünfzigern. Seicht, amüsant, harmlos. Gerade das Richtige für mich.
*
Ein sanftes Streicheln weckt mich. Ich lächle, denn an dem frischen Seifengeruch merke ich, dass du da bist, dass du wahr bist. Obwohl ...?
Zu frisch ... Egal, du bist da und du wirkst erleichtert. Du freust dich scheinbar ehrlich auf mich. Das macht mich glücklich. Ich umarme dich, spontan und fest - schon wieder - und will gar nichts Genaues wissen.
*
Nackt liegst du neben mir und schläfst. Du bist ganz entspannt, wirkst gelöst, auf alle Fälle glücklicher als zuletzt.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann wir uns ausgezogen und niedergelegt haben. Ich weiß nicht, wo du warst - nicht einmal, wo ich war. Es ist egal. Du bist hier neben mir und schön wie immer.
Ach was, noch schöner.
Ich beginne, dich sanft am Bauch zu streicheln, rund um deinen Nabel zu spielen - mit dem festen Vorsatz, ihn auch noch mit der Zunge zu erforschen - als du langsam erwachst. Deine Zehen streicheln meine Füße und du schmiegst dich an mich, während meine Hände deinen Körper erforschen.
Du rollst dich auf meinen Brustkorb und presst deinen Kopf auf ihn, als wolltest du so zu meinem Herzen durchtauchen.
Ich massiere dich in der wahnwitzigen Hoffnung, dich zum Schnurren zu bringen. Doch du hast anderes vor. Zärtlich saugst du an meinen Brustwarzen.
Manchmal kannst du ein richtiges Luder sein, weißt du das?
Aber ich will das Heft nicht aus der Hand geben. Wie du mir, so ich dir. Die Brustwarzen sollen es also sein, hm?
Oh, Kathi! Ich weiß, was du vorhast. Dein schlängelndes Abwärtsrutschen sagt mir alles. Im Normalfall habe ich da gar nichts dagegen. Doch heute ist kein Normalfall.
Schwungvoll wende ich die Verhältnisse und nun bin ich es, der am Weg nach unten ist. Meine Finger sind treue Diener meiner genau so wie deiner. Sie bewachen den Weg, den meine Zunge nimmt.
Ich beobachte dein Gesicht, nehme jedes Zucken war, genieße, was ich sehe. Deine Augen verschleiern, schließen sich und ein Stöhnen jagt durch deinen Körper. Was auch immer war, was auch immer sein wird, im Moment bin ich ausschließlich glücklich.
Doch du gibst nicht auf. Deine Hand übernimmt die Regie. Ich lasse es zu, lasse dich führen und mich gleichzeitig fallen. Ich greife mir gerade noch die Decke, ziehe sie über uns und weiß:
Heute wird es kein "Tschüs, Kathi" geben.