Was ist neu

Was habt ihr gegen Adjektive?

Da magst du wohl Recht haben. Übrigens kann ich nicht umhin, Hohlbein mit King und Konsorten gleichzusetzen, weil sie sich für mich sprachlich so sehr ähneln wie ein Ei dem anderen (ok, eventuell ein braunes und ein weißes, aber das macht den Hund auch nicht in der Pfanne... hä? Moment...).

Aber auch bei Autoren, die man noch als modern durchgehen lassen kann, wie zB Hesse, kann man viel mehr Sprachkunst finden als allgemein üblich - und ich glaube, den würde (fast...) niemand als veralteten Kitsch o.ä. abtun wollen.

Irgendwie läßt sich also vielleicht auch ein Mittelding finden, zwischen Moderne und Unmoderne. Ich sag dir Bescheid, wenn ich's gefunden habe. :D

 

Ich habe mal an einer Volkshochschule einen Schreibkurs mitgemacht. Der Typ sagte uns, jeder solle sein Lieblingsbuch mitbringen. Dann sollten wir blind eine Seite aufschlagen und drei Sätze vorlesen. Die anderen hatten die Aufgabe, die Adjektive mitzuzählen. Und dann stellte sich in der Tat heraus, dass Nobelpreisträger und geachtete Namen kaum bis keine Adjektive gebrauchten - mein Lieblinsbuch stammte damals von Camus - während Trivialliteratur bis unter die Decke mit Adjektiven gefüllt war.


Ich habe nichts gegen Trivialliteratur, außer Arztromanen und den ganzen Rosamunde Pilcher Kram.

 

Die einzige wissenschaftlich zulässige Schlußfolgerung ist die, daß das Nobelpreiskomittee auch etwas gegen Adjektive hat, harhar.

King und Hohlbein sind sich im Stil nicht ähnlich, Hohlbein ist wesentlich braver und emotionsärmer.

Um auch noch meinen Senf zu Adjektiven allgemein zu geben: Es gibt objektive und subjektive Adjektive (hehe, les das einer mal laut).
Objektive Adjektive beschreiben Dinge einfach nur näher:
Ein grauer Wohnblock.
Ein übergewichtiger Mann.
Ein stinkendes Loch.
Ein kurzer Rock
Subjektive Adjektive werten:
Ein trister Wohnblock.
Ein fetter Mann.
Ein widerliches Loch.
Ein schockierender/aufreizender Rock
Es ist keineswegs egal, welche von beiden man verwendet, wobei wenn man fragt, welche man bevorzugen soll, die Antwort lautet: Kommt drauf an.
Mit objektiven Adjektiven ist man immer auf der sicheren Seite, sie können jedoch langweilig sein.
Subjektive Adjektive verleihen dem Text Emotionen, und das ist bisweilen wichtig. Aber: Nichts ist übler, wenn sie nicht im Einklang mit dem Leser stehen. Der macht sich nämlich beim Lesen seine eigenen Gedanken. Parade-Negativ-Beispiel ist für mich Lovecraft, bei dem es von wertenden Adjektiven nur so wimmelt, insbesondere liebt er die Wörter "widerlich" und "blasphemisch" - und er setzt sie meines Empfindens nach geradezu wahllos ein, auch an von mir völlig unpassend empfundenen Stellen.
Möglicherweise war es zu seiner Zeit stimmig, heute ist es das nicht. Die Werte ändern sich. Und deswegen sind Texte, die arm an wertenden Adjektiven sind, vielleicht zeitloser und auch nach vielen Jahrzehnten (Jahrhunderten?) noch modern.

Manchmal sind verkappt-subjektive Adjektive eine interessante Alternative:
kirschrote Lippen
fauliger Atem
affenartiges Gesicht

Tipp: Wenn aus einer subjektiven Perspektive geschildert wird, werden subjektive Adjetive wesentlich besser toleriert und entfalten eher ihre gewünschte Wirkung.

Adverben sind übrigens die Adjektive der Verben und für sie gilt alles zu den Adjektiven gesagte in gleicher Weise.

r

 

Ich habe es erneut gelesen und habe erkannt, dass dir der Grammatikkurs ernst war. Kein Gag. Und so uninteressant ist es auch nicht. Erinnerte mich irgendwie an den Englischunterricht der siebenten Klasse, deshalb wahrscheinlih die Vermutung, es könnte humorvoll gemeint sein.

 

ich sehe daran ebenfalls keinen Gag, sondern eine durchaus ernstgemeinte und -zunhemende Abhandlung, die wirklich weiterhilft, wenn man sie im hinterkopf behält.
Besonders aber werde ich mir natürlich folgendes hinter die Öhrchen schreiben:

Die einzige wissenschaftlich zulässige Schlußfolgerung ist die, daß das Nobelpreiskomittee auch etwas gegen Adjektive hat,

Das hat den Charme ganz direkter Logik :D

 

Adjektive und Adverbien sind ohne Frage wichtige Textelemente. Tatsache ist jedoch, dass sie nicht die Handlung oder das Objekt selbst sind, sondern immer nur eine Beschreibung dessen. Attribute können Stimmung erzeugen, aber das können auch Nullattribute, bzw. Die Verwendung eines Adjektives zur Erzeugung von Stimmung ist nur ein Weg von vielen. Es ist auch gleichzeitig der scheinbar einfachste Weg. Dieses Phänomen kann man übrigens bei Schulaufsätzen, die eine bestimmte Stimmung vermitteln sollen, gehäuft beobachten :D
Eine andere Sache ist, dass Attribute, die man mit den Sinnesorgangen direkt wahrnehmen kann, auffälliger sind als andere: groß, laut, rauh, warm, süß, etc. (stark vereinfacht)... Weniger auffällig und wesentlich atmosphärischer sind dagegen abstrakte oder spezielle Adjektive (wurde oben schon angesprochen). Diese beschreiben einen Prozess oder einen Referenten, ohne dass sie ersetzbar scheinen.

Ob ein Text Attributen "sachgemäß" anwendet muss letztendlich jeder für sich selbst entscheiden. Aber es lohnt sich seinen Text nach Fertigstellung darauf zu untersuchen. Manchmal fällt einem erst nach mehrmaligen Lesen auf, dass es dort ein Problem gibt. (ähnlich verhält sich übrigens auch die SPO-Problematik manchmal)

 
Zuletzt bearbeitet:

relysium mag: "kirschrote Lippen"

Ist "Lippen hatte sie! Oh Herr, oh Sterbliche, Lippen hatte sie! Mir schien, als prangte eine Tomate in ihrem Gesicht!" nicht ausdrucksvoller? Verwendet keine Adjektive!

Okay, okay, ist auch'n bischen länger.

Gernot

 

hmm..

weniger adjektive? ne, nur überflüssige müssen raus.. und ich finde darüber lässt sich schwerlich allgemein streiten, eher am beispiel.. und horni hat recht mit seiner "dunklen nacht".. ist sie dunkler als sonst, ist sie nicht dunkel, sondern schwarz oder etwas kreativeres...

bleibt aber nur die "nacht" ist sie offensichtlich nichts besonderes.. ist sie eine (vorsicht adjektiv!) besondere Nacht, dann sollte das auch beschrieben werden - und lieber adjektiv als "eine Nacht, die besonders war"..so etwas lese ich viel häufiger...

gernot: göttlich, die sterbliche - aber eine tomate??? urgh...;)

grüße, streicher

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Streicher!

Die Tomate war nicht ganz ernst gemeint :p

Mir ist bei dieser Diskussion sehr bewußt geworden, sie sehr ich Adjektive zum BREMSEN und BESCHLEUNIGEN verwende. Ich füge Adjektive ein, wenn ich ein langsames Lesetempo möchte:

"Der modrige Waldgeruch war verschwunden und hatte sich in etwas Fremdes verwandelt; schwer wogten die weiten Zuckerfelder in dem ruhigen Wind."
und lasse sie weg, wenn ich ein hohes Tempo wünsche:

"Ein Stein traf ihn am Hals und er fiel in den Staub, die anderen jubelten, und ein faustgroßer Kiesel schug vor seinen Augen in den Lehm."
(Okay, das "faustgroß" liess sich hier nicht streichen)
Das geht natürlcih auch anders, z. B. über Satzlänge, Wortwahl etc., aber mir fällt auf, dass Adjektive sehr effektiv sind: Man kann sie leicht hinzufügen oder herausnehmen und hat so gute Kontrolle.

Gernot

 

Was Adjektive betrifft gibt es nur eine Regel: es gibt keine Regel.

In diesem Sinne: weiterhin frohes Schaffen.

Dion

 

bevor ihr nun denkt, ich melde mich ja in dieser von mir angestoßenen Diskussion gar nicht mehr zu Wort, ich habe schlicht keine Antworten. Ich verfolge gebannt eure Antworten und lerne dabei eine Menge über den Gebrauch von Adjektiven.
Den Aspekt von Gernot finde ich sehr spannend, denn da liegt für mich in der Tat auch ein großes Plus der Adjektive.

Lieben Gruß, sim

 

aber gerade gernots zweites beispiel macht auch schön deutlich wie wichtig adjektive sind - was war es denn für ein stein, der ihn am hals traf? wie stelle ich ihn mir vor? ist er so groß, dass er ihn unter sich begräbt - oder ist es nur ein kleiner, feiner kieselstein, der eine schramme wie ein mückenstich hinterlässt - außerdem adverben: "traf ihn hart am hals" - ist stärker..

grüße, streicher

 

Einspruch!

Meiner Meinung macht gerade dieser Satz von Gernot

...und ein faustgroßer Kiesel schug vor seinen Augen in den Lehm.
deutlich, wie vorsichtig man mit Adjektiven umgehen sollte. Ein faustgroßer Kiesel? Was soll denn das sein? Ein Kiesel ist per Definition ein kleiner Stein. Was aber ist ein faustgroßer Kiesel? Ein faustgroßer kleiner Stein? Das ist ein Widerspruch, und somit ist das Adjektiv in diesem Satz überflüssig und muss gestrichen werden.

Weitere Anmerkungen von mir zum Thema "Adjektive" folgen später.

Gruß
George

 

Einspruch, George! Du hast zwar Recht, wenn du sagst, ein Kieselstein ist per Definition ein kleiner Stein, und würde man im obigen Beispiel schreiben „ein kleiner Kiesel schlug …“, so wäre das eine Tautologie und das Adjektiv zu Recht überflüssig.

Aber wie klein ist klein? Das Wort faustgroß sagt es genauer, wenn auch hier nach wie vor offen bleibt, wie groß man sich die Faust vorstellen soll – die eines Kindes, oder die eines Mannes. Aber auf kg.de werden keine Doktorarbeiten über das Messwesen veröffentlicht, hier werden Geschichten geschrieben – im konkreten Fall wird der Leser die Faust des Protagonisten als Bezugsgröße nehmen.

Dion

 

@ Dion

Aber wie klein ist klein? Das Wort faustgroß sagt es genauer, wenn auch hier nach wie vor offen bleibt, wie groß man sich die Faust vorstellen soll – die eines Kindes, oder die eines Mannes
Du merkst schon, dass Du Dir gerade selbst widersprochen hast - oder :D
Wenn etwas konkretisiert werden muss, dann her mit dem passenden Adjektiv. Das Adjektiv "faustgroß" konkretisiert jedoch den Kiesel nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist ein Widerspruch. Lass es Dir doch mal auf der Zunge zergehen: Ein faustgroßer kleiner Stein. Ein großer kleiner Stein. :confused: Das ist Quatsch. Somit ist "faustgroß" zu streichen.
Spätestens der Lektor wird dieses Adjektiv eliminieren :teach:

Gruß
George

 

Für mich ist ein Kiesel weniger durch seine Größe als durch seine Form definiert: Glatt und abgerundet. Insofern sehe ich den "faustgroßen Kiesel" sehr deutlich vor meinem geistigen Auge.

r

PS: wenn nicht ausdrücklich anders definiert, ist faustgroß die Größe einer durchschnittlichen Erwachsenenfaust.

 

ich finde es viel schöner, wenn man "faustgroß" sagt und der Leser mal dran denken muß, wie groß wohl die Faust
- eines Kindes (wenn der Prot ein Kind ist),
- eines durschnittlichen Erwachsenen,
- des konkreten Protagonisten (falls der besonders groß/klein ist)
- zB eines Neandertalers,... was auch immer.

Mangels anderer Hinweise würde ich immer von "Durschnitt eines Erwachsenen" ausgehen.
Aber ich denke nicht, daß man definieren könnte 10cm - Durchmesser, ...

mir gefällt es, weil es ein ausfüllungsbedürftiges Wort ist. Jeder hat eine etwas andere, spontane Vorstellung davon, was das ist...

F.

 

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