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Copywrite Auszeit

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28.01.2008
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Auszeit

„Du? Vom Block? Das will ich sehen!“
Sieger legte die Mappe auf der Steinbank ab, verschränkte die Arme und und baute sich am Rand des Schwimmbeckens auf. „Los, beweis es!“
Darauf war Kilian nicht vorbereitet. Andererseits war es logisch: Wie konnte er vom Trainer erwarten, ihm unbesehen zu glauben? Er wußte ja selbst nicht, ob er es je schaffen würde. Hunderte Male hatte er den Blockstart geübt, mit seinem Freund Tillmann, der an ihn glaubte, und er bekam ihn seit Monaten fast hin, aber eben nur fast. Das konnte sich heute oder morgen ändern, aber es konnte auch bis in alle Ewigkeit so bleiben. Zwischen fast und ganz war ein winzig kleiner Unterschied, aber bei genauerem Hinsehen gab es keinen größeren.
Kilian rollte zur äußersten Bahn, stemmte sich im Rollstuhl hoch und rutschte auf den rauhen Betonklotz.
Im Kopf hörte er die Worte, mit denen Tillmann ihm oft Mut machte: „Stell dir nur vor, wie die alle glotzen, wenn ein Rolli den Startsprung macht!“
Er plazierte die Füße an der Vorderkante, stieß sich mit einer Hand hinten ab, während er sich mit der anderen nach vorn zog. Der Hintern hob sich schwerfällig und rutschte über die Waden nach oben. Ich schaffe es, dachte Kilian. Was Kirsten Bruhn kann, kann ich auch.
Er löste die hintere Hand, griff zur Vorderkante des Blocks um. Das Gewicht von Hüfte und Oberschenkeln drückte ihn in die Knie. Er zog sich mit aller Kraft nach vorn und fühlte, wie er einsackte. Die Knie gaben nach, er verlor die Kontrolle und kippte nach vorn. Gleich würde er wie ein Sack ins Wasser klatschen und untergehen, seine Chance hatte er gehabt.
Kilian schloss die Augen und ließ sich dem Wasser entgegenfallen. Doch er fiel nicht.
Verwirrt öffnete er die Augen wieder, registrierte, daß sein Körper in einer unsäglich albernen, bizarr-schlaffen Haltung erstarrt war, und fühlte Scham. Was auch immer gerade passiert war, Sieger würde noch lange darüber lachen.
Dann bemerkte er mit jähem Schrecken, daß er in vollkommener Stille über dem Wasser hing. Die vertrauten Schwimmbadgeräusche waren verstummt, die Luft wie verdorrt ohne den stetigen, weichen Hall. Jede Stimme wäre hineingefahren wie Sandpapier.
Kilian drehte den Kopf. Das gelang ihm mühelos, wenn auch langsam; sein Körper folgte der Bewegung und richtete sich auf. Als die Zehenspitzen lautlos das Wasser berührten, fuhr es ihm wie ein elektrischer Schlag in die Beine, er warf den Kopf zurück und riss den Mund auf, um zu schreien wie noch nie in seinem Leben, da sah er den blumengeschmückten Stuhl, der, an vier Seilen hängend, langsam zu ihm herabgelassen wurde. In diesem Moment begriff Kilian, daß ihm ein Wunder geschah. Er packte den Stuhl mit beiden Händen, zog sich hoch und schwang sich mit einer kraftvollen, routinierten Bewegung auf die Sitzfläche.
Zuerst kehrte der Hall zurück und tränkte die Luft mit wattigem Geflüster. Als das Wellenplätschern und Pumpenschlürfen wieder einsetzte, war Kilian schon hoch oben unter der Schwimmbaddecke. Er schaute hinunter zu Sieger, der mit halboffenem Mund am Beckenrand stand, genauso unbeweglich wie der Rollstuhl vor dem Startblock; dann hob er den Blick und sah Holz, eine riesige Fläche aus glattem Holz, die rasch näher kam. Noch knapp einen halben Meter, zwanzig Zentimeter, Kilian zog den Kopf ein und verhielt den Atem, zum Denken blieb keine Zeit, schon stieß er sacht mit dem Scheitel an und fühlte, wie das Holz nachgab und ihn einließ. Sein Kopf tauchte in warmes Halbdunkel, dann der Hals, die Schultern; ein leichter Druck ging über Brust und Bauch und umfasste für einen Moment den gesamten Körper. Dann spürte Kilian Wind auf Haar und Stirn, es wurde hell, er sah an sich herab und beobachtete wie von fernher die Stuhlbeine und seine eigenen nackten Waden und Füße, die aus dem Holz auftauchten, als würden sie aus Sirup gezogen.

Aus den Augenwinkeln gewahrte er ein weiteres Paar nackter Waden, die unter einem weißlichen Hemdsaum hervorkamen. Sie gehörten zu einer stämmigen kleinen Gestalt unbestimmten Geschlechts, die neben einer ausgeklügelten, aber grobgezimmerten Flaschenzugvorrichtung stand. Gerade sicherte sie die schwere Kurbel, ließ sie dann los, schnaufte und benutzte einen Zipfel des formlosen Gewandes, um sich die Hände abzuwischen. Schließlich drehte sie sich zu Kilian um, lächelte breit und freundlich und sagte:
„Aber leicht bist du trotzdem nicht!“
Kilian glotzte. Wieder strich Wind über seine Haut, er fröstelte, dann schüttelte er kurz den Kopf, versuchte zu lächeln, was nur zur Hälfte gelang, wollte etwas sagen und verschluckte sich beim Luftholen. Das Geschöpf verzog den Mund ein wenig und kniff ein Auge zu.
Selbst auf den Augenlidern sind Sommersprossen, dachte Kilian benommen. Eine neue Brise machte ihm Gänsehaut, und plötzlich fiel ihm ein, daß er vielleicht im Himmel war, einem Engel gegenüberstand und nichts anhatte als seine Badehose.
Er sah sich um und entdeckte einen vertrauten Gegenstand, nämlich einen Bleistift, der kaum zehn Meter vom Gerüst des Seilzugs entfernt auf dem glatten Boden lag. Nur war dieser Bleistift riesig, dick und lang wie ein Baumstamm, man hätte ein Burgtor damit aufbrechen können. Weiter hinten erhob sich etwas wie ein Silo oder ein Tank, aber nein, es hatte einen Henkel, das war kein Silo, sondern eine Tasse, die Kaffeetasse eines Riesen! Richtig, da lag ja auch der Löffel, ein eindrucksvoll geschwungenes, glänzendes Gebilde, länger als ein Laternenmast. Kilian räusperte sich.
„Ist das Gottes Tisch?“, fragte er. „Alles ist so groß!“
Die sommersprossige Gestalt hob abwehrend die Hände.
„Das ist doch ein ganz normaler Schreibtisch. Er kommt dir nur so groß vor, weil ... ich hätte dich nie hier hochziehen können, verstehst du?“
„Du hast mich geschrumpft?“
„Aber nur für den Kran, wirklich! Und dafür kannst du jetzt laufen und hast es noch gar nicht gemerkt! Komm, steh auf, ich will dir was zeigen!“
Während er lauschte, wusste Kilian, daß es stimmte. Wir sind bereit, meldeten seine Beine; es fühlte sich an wie vor dem Unfall, völlig selbstverständlich, als hätten Nerven und Muskeln die Erinnerung an die letzten Jahre verloren. Kilian stand auf und ging ein paar Schritte. Eine Seligkeit ergriff ihn, so tief und süß, daß er sich minutenlang darin verlor. Er lehnte sich an den Kran, schloss die Augen und fühlte Tränen brennen, aber dann weinte er doch nicht, weil das kleine Geschöpf zu ihm hintrat, seine Hand fasste und behutsam daran zog. Dabei sprach es mit seiner hellen, etwas atemlosen Stimme auf ihn ein.
„Du bist ja schon ganz trocken! Ich hab deine Sachen hier, die kannst du anziehen, und dann können wir herumlaufen … es geht doch gut mit dem Laufen, oder? Sowas verlernt man bestimmt nicht, das ist wie Schwimmen oder Radfahren, glaub mir.“
Da musste Kilian lachen. Wie seltsam, mit jemandem zu reden, der stand und doch kleiner war! Er kniete sich hin und sah in die freundlichen Augen.
„Ja, ich kann’s noch. Ich danke dir. Ich bin so durcheinander. Bist du denn ein Engel?“
„Nein, nein, ich bin nur – seine Muse, weißt du. Ich spiele so gern, wenn er schläft, und da hab ich mir gedacht, bevor du ins Wasser fällst und dein Trainer dich wieder auslacht – “
„Muse? Wessen Muse?“
„Ich will’s dir ja zeigen! Aber erst musst du dich anziehen.“
„Woher hast du denn meine Sachen?“
„Oh, ich kenne viele Tricks! Ich hab nachgelesen, wo du sie hingetan hattest, und dann hab ich sie einfach da rausgenommen.“
Kilian zog sich an. Als er die Hose zuknöpfte, spürte er plötzlich seine Blase. Wie konnte man eine derart volle Blase überhaupt vergessen? Jetzt würde er das aushalten wie jeder normale Mann und sich sogar an dem Zwicken freuen. Wie gut sich Jeans und Schuhe anfühlten!
Die Muse nahm ihn bei der Hand, und zusammen gingen sie über den Schreibtisch. Nachdem sie die Tasse umrundet und eine Pralinenschachtel überklettert hatten, sah Kilian den Riesen. Sein gewaltiges Haupt ruhte auf den Armen. Er schlief mit dem Kopf auf der Tischplatte, vor sich eine monströse Tastatur; bei jedem Ausatmen weiteten sich seine Nasenlöcher, und ein neuer Windhauch wehte Kilian entgegen. Es war unmöglich zu erkennen, was der Bildschirm des hausgroßen Monitors zeigte, das Strahlen und Flimmern war zu stark.
Vorsichtig erklomm Kilian die Tastatur. Er war so leicht, daß sich die Tasten dabei nur ganz wenig bewegten. Die Muse raffte mit einer Hand ihr Hemd zusammen und folgte ihm. Auf dem B blieb sie stehen; Kilian setzte sich auf das H, und zusammen betrachteten sie das große schlafende Gesicht.
„Das ist dein Autor!“, sagte die Muse schließlich. „Er hat dich erfunden, ist das nicht aufregend? Sicher erlebst du gerade einen sehr wichtigen Moment!“
Kilian dachte darüber nach, während seine Blase spannte.
„Dann ist er für meinen Unfall verantwortlich.“
„Jetzt denkst du falsch. Hat er etwa damals am Steuer gesessen?“
„Aber es war sein Wille! Er hat sich das alles ausgedacht, und ich muss es ausbaden! Heute erst hat er
mir die falschen Katheter eingepackt, so daß ich seit Stunden nicht – “
„Na komm, das sollte doch jetzt kein Problem mehr darstellen. Ich werd’ auch nicht zusehen, versprochen!“
Und damit drehte sich die Muse tatsächlich um und hielt sich die Augen zu.
Kilian rutschte und kletterte von der Tastatur herunter und ging an ihr entlang zum Mousepad. Er umrundete die Maus, bis er außer Sicht war, öffnete seine Hose und pinkelte gegen das gewölbte Plastik. Es dauerte sehr lange und fühlte sich großartig an. Als er den letzten Tropfen abschüttelte, empfand er aufrichtiges Bedauern. Den Rückweg nahm er im Laufschritt.
„Wir müssen reden“, sagte er zur Muse, woraufhin sie die Hände vom Gesicht nahm und das V betrachtete, als sei es schmutzig.
„Das habe ich befürchtet“, nuschelte sie.
Solange ihr Autor lebe, erfuhr Kilian nach langem Schweigen, sei die Muse verpflichtet, sich stets in seiner Nähe aufzuhalten. Man wisse ja sonst nicht, wann es notwendig sei, den Autor zu küssen, zu kosen oder zu zausen, so daß er etwas schreibe.
„Aber was in den Geschichten passiert“, sagte die Muse und hob ihren rundlichen Zeigefinger, „darauf hat man natürlich keinen Einfluß! Außer eben“, sie schlug die Augen nieder und biß sich auf die Unterlippe, „heimlich, wenn er schläft.“
„Wird er nicht merken, daß meine Geschichte nicht mehr stimmt? Ich weiß nicht mal, wie ich das meinen Freunden erklären soll … sag mal: Gibt es das alles überhaupt noch, meine Familie, mein ganzes Leben?“
„Aber es hat sich doch nichts geändert! Ich kann gar nichts verändern, nur er könnte das. Vielleicht wird er sich an einen seltsamen Traum erinnern – “
„Und was geschieht mit mir, wenn er aufwacht?“
Die Muse schwieg und nestelte an ihrem Haar.
„Jetzt sag mir nicht, daß ich in ein paar Stunden zurück muss“, sagte Kilian erschrocken und packte sie am Ärmel. Da sah sie ihn mit funkelnden Augen an und sagte streng:
„In ein paar Stunden kann viel passieren. Oder willst du deine Auszeit im Sitzen verbringen?“
„Ich weiß nicht, was ich will. Oder wo ich hinsoll. Alles ist so unglaublich.“
Die Muse lächelte und streckte ihre Arme aus.
„Komm zu mir, ich weiß was.“
„Was hast du vor?“
„Ich werde dich küssen!“
„Aber“, sagte Kilian und verstummte, als die Muse ihn mit überraschender Kraft an sich zog und ihre Lippen auf seine drückte. Unter der Gewalt und Sanftheit ihres Kusses öffnete sich ein verborgenes Tor, und er fiel, flog, der Wind trug ihn davon, oder rauschte das Blut so laut in seinen Ohren? Durch das Pochen und Brausen hörte er ihre Stimme, eine andere Geschichte strömte auf ihn ein, und noch während des Fallens begann er zu rennen; er rannte, bis er den knirschenden Schotter unter den Sohlen spürte, rannte weiter und –
– hielt erst beim Rotwildgehege an, um zu verschnaufen. Hier war es auch nachts taghell, denn die
Stadt hatte am freien Zaunstück ein Flutlicht angebracht, um Vandalen abzuschrecken. Kilian versteckte sich hinter einem Busch und wartete.

Das Open Air schien jedes Jahr schlechter zu werden. War es die Musik, war es die Anlage, oder war es womöglich nur eine ihrer Launen? Iris konnte nicht ermitteln, warum ihr alles so auf die Nerven gegangen war, daß sie das Konzertgelände schon lange vor Schluß verlassen hatte. Sie fühlte sich elend und kam sich bereits dumm vor, wie sie hier stand: Nicht teilgenommen, vorzeitig entlassen, übriggeblieben. In einer Stunde fuhr der Bus, bis dahin konnte sie hier stehen und ihre Einsamkeit auskosten, Wiedereinlass nicht möglich, prima hatte sie das hingekriegt. Nein, das würde sie sich nicht antun! Sie würde heimlaufen, durch den Wald, der lange Spaziergang würde ihren Kopf klären. Fürchten muß ich mich nicht, dachte Iris grimmig, mir wird nie jemand hinterherlaufen.
Sie zog den schmalen Mantelgürtel fest, steckte die Hände in die Taschen und ging los, in trotzige und traurige Gedanken versunken.
Erst kurz vor dem Rotwildgehege hörte sie Schritte hinter sich und fuhr zusammen. Sie wollte sich umdrehen, doch der Verfolger kam ihr zuvor: Eine grobe Hand legte sich auf ihre Schulter und riß sie herum, sie schrie auf, taumelte und sah ein höhnisches Grinsen, blitzende Augen, ganz nah vor ihrem Gesicht, viel zu nah! Sie versuchte sich loszureißen, aber vergeblich; sie schlug auf das Grinsen ein und sah einen weiteren Mann aus dem Schatten auftauchen. Mit einem scharfen Klicken zuckte eine Messerklinge aus seiner Faust empor und blitzte. Die wollen mich umbringen, dachte Iris erstaunt, das war meine letzte Dummheit heute Abend. Seltsamerweise war ihr Kopf jetzt klar, so klar wie schon lange nicht mehr; schwere, schweißige Finger wurde ihr auf Mund und Nase gepreßt, sie bekam keine Luft mehr und sah das Messer wie in Zeitlupe auf sich zukommen. Da gab sie auf, machte sich ganz steif und schloß fest die Augen.
Plötzlich erschütterte ein heftiger Schlag den Körper des Mannes, der sie festhielt, er wurde schlaff und gab sie frei. Iris fiel zu Boden und robbte auf den Zaun zu, hinter sich hörte sie Keuchen, Füßescharren und weitere Schläge. Als sie merkte, daß ihr niemand folgte, drehte sie sich um und sah einen der Männer reglos am Boden liegen. Der andere rang mit einem dritten; sie hatten sich umklammert, knurrten und ächzten, jeder trachtete dem Gegner die Füße unter dem Leib wegzutreten. Schließlich riß sich der eine los und wollte fliehen, doch der andere setzte ihm nach, brachte ihn zu Fall und hieb ihm mit solcher Gewalt gegen die Schläfe, daß er liegenblieb.
Iris hatte sich mit dem Rücken an den Zaun gepreßt und die Knie an die Brust gezogen. Zitternd sah sie zu, wie Kilian das Messer aufhob, zusammenklappte und in seine Hosentasche schob. Dann kam er zu ihr und streckte ihr die Hand entgegen.
„Alles in Ordnung?“, fragte er mit wackliger Stimme.
Iris nickte, ergriff seine Hand und ließ sich aufhelfen. Dabei merkte sie, daß er mindestens genauso sehr zitterte wie sie. Sein Gesicht war zerkratzt, ein Auge fast zugeschwollen.
„Danke“, sagte Iris. „Sie haben mir das Leben gerettet!“
Kilian schüttelte den Kopf. Davon wurde ihm so schwindlig und übel, daß er sich fast übergeben hätte. Schnell ließ er Iris’ Hand los. Erschrocken sah sie ihn an.
„Sind Sie schlimm verletzt?“
„Nein, mir ist nur schlecht … ich hab mich seit meiner Kindheit nicht mehr geprügelt.“
„Setzen Sie sich hin, ich werde die Polizei rufen.“
Kilian setzte sich auf einen Baumstamm, hielt sich den Bauch und betrachteten die beiden bewußtlosen Männer, während Iris ihr Telefon aus der Tasche zog.
„Sie hätten dich nicht umgebracht“, sagte er. „Sie hätten dich vergewaltigt und übel zugerichtet, aber du hättest überlebt.“
Das Display leuchtete auf.
„Woher wissen Sie das?“, fragte Iris.
„Jemand hat eine Geschichte darüber geschrieben. Am Schluß verliebst du dich in einen der Polizisten.“
„In einen Polizisten!“
„Ja. Vielleicht sogar in den, der gleich rangeht. Aber das weiß ich nicht, du bist ja jetzt nicht vergewaltigt worden.“
Iris sah das Telefon an. Der kleine Bildschirm wurde wieder dunkel. Schließlich steckte sie es ein.
Den ganzen Tag war sie rastlos gewesen. Sie kannte das Gefühl gut, es begleitete sie, seit sie denken konnte; ein Gefühl, als renne sie ihrer eigenen Zeit hinterher und verpasse etwas, ohne zu wissen, was es war. Gleich um die nächste Ecke, im Nebenzimmer, am anderen Ende der Stadt war es, sie spürte es immerzu, aber es war nicht für sie. An guten Tagen war das Gefühl belebend und erinnerte sie daran, daß sie etwas Besonderes war. An schlechten Tagen glaubte sie sich dazu verdammt, allein am Ufer zu sitzen, während alle anderen in den Fluten spielten. Heute war es ganz schlimm gewesen. Und jetzt war es plötzlich weg, einfach so; es war von ihr abgefallen und hatte einen eigenartigen, kühlen Frieden hinterlassen.
Zum ersten Mal sah sie den Fremden richtig an. Ruhig erwiderte er ihren Blick.
„Ich möchte nach Hause“, sagte Iris und fühlte, wie ihr die Tränen kamen. „Heute stimmt gar nichts …“
Kilian stand auf und legte schüchtern einen Arm um ihre Schultern.
„Wem sagst du das“, murmelte er.
Als einer der beiden Männer sich bewegte und leise stöhnte, fuhren sie entsetzt herum.
„Willst du die Polizei noch rufen?“, fragte Kilian.
Iris schüttelte den Kopf. „Lieber will ich die Geschichte hören.“
„Dann laß uns verschwinden, bevor sie aufwachen.“

Iris schloß die Wohnungstür auf, ging Kilian voran durch den schmalen Korridor ins Wohnzimmer und schaltete dabei alle Lichter an. Sie hatte weder aufgeräumt noch gelüftet, jetzt öffnete sie das große Fenster, schob die Bücher auf dem Couchtisch zusammen und stapelte sie auf. Kilian sank ächzend in einen Sessel, streckte Beine und Füße und bewegte die Zehen in den Schuhen. Im hellen Licht der Deckenlampe sah Iris, daß auch seine Hände verletzt waren. Die Schwellungen verfärbten sich schon.
„Das muß doch wehtun“, sagte Iris. „Dein Gesicht sieht ganz schlimm aus. Ich geh Jod und Verbandszeug holen.“
„Es tut nicht weh“, sagte Kilian, „morgen Nachmittag wird es verschwunden sein. Nur ein Bier würde ich schrecklich gern trinken.“
Iris strahlte.
„Warte, ich hab eins!“
Sie lief in die Küche und kam mit einer Flasche Bier und zwei Gläsern zurück. Kilian hatte sich aufgerichtet und betrachtete mit schiefgelegtem Kopf die Buchrücken.
„Was die da drin wohl gerade machen …!“
Er zog ein Buch heraus, betrachtete den Einband und lächelte.
„Lolitas Metamorphosen und andere Schurkenstücke!“
Iris fühlte, wie sie errötete. Sie stellte Flasche und Gläser auf den Tisch.
„Ich finde, Johanna Schwarz ist eine sehr vielversprechende – “
Aber Kilian lachte jetzt so, daß sie mitlachen mußte. Beim Einschenken zitterten ihre Hände, und Schaum lief über den Rand der Gläser.
„Alles ist so unglaublich“, sagte sie.
Sie stießen an und tranken. Iris kniete sich neben dem Sessel auf den Boden und betrachtete Kilans Beine.
„Zu denken, daß sie morgen vielleicht wieder einschlafen werden – “
„Daran will ich jetzt aber nicht denken.“
Er beugte sich vor, faßte ihre Schultern und sah sie lange an.
„Du bist schön“, sagte er schließlich. Iris’ Herz tat einen Satz. Sie räusperte sich und wollte etwas antworten, aber stattdessen umarmte sie ihn und schmiegte ihr Gesicht in seine Halsbeuge. Nach einer Weile fühlte sie, wie er sich unruhig bewegte.
„So kann ich nicht lange sitzen“, sagte er. „Mein Rücken ist ganz verbogen.“
„Soll ich dich massieren?“, fragte Iris. „Meine Schwester ist Physiotherapeutin, sie hat es mir beigebracht.“
„Ich habe einen erstklassigen Physiotherapeuten“, sagte Kilian, zog sie zu sich auf den Sessel und küßte sie. Für den Weg ins Schlafzimmer brauchten sie lange, und etliche Bücher fielen dabei herunter.

„Das war wunderschön“, sagte Iris viel später, während sie vorsichtig Kilians Gesicht streichelte.
„Es war mein erstes Mal“, sagte Kilian.
„Bei mir auch …“
Sie kuschelten sich aneinander und zogen die Decke über sich. Eine Zeitlang lagen sie still und hingen ihren Gedanken nach. Dann merkte Kilian, daß Iris einschlief; ein Fuß zuckte schwach, und der Rhythmus ihres Atems veränderte sich. Er schmiegte seine Wange in ihr Haar und flüsterte:
„Falls ich nicht mehr da bin, wenn du aufwachst ...“
Da schlug sie die Augen nochmal kurz auf und murmelte:
„Dann kommst du wieder!“
Kilian wollte wachbleiben, fühlte aber, daß ihm das nicht gelingen würde. Als die ersten Traumbilder kamen, ließ er sich forttragen und schlief auch ein, den Duft seiner Geliebten in der Nase, ihre Abschiedsworte im Ohr.

Die Muse kannte ihren Autor. Als der Rhythmus seines Atems sich leicht veränderte, wußte sie, daß er bald erwachen würde. Sie hatte selbst ein wenig gedöst, eingekuschelt in eine Ärmelfalte des weichen, alten Pullovers, den er beim Schreiben am liebsten trug. Jetzt streckte sie sich und kletterte auf seine Schulter, bis sie ganz nah vor seinem Ohr stand. Zärtlich strich sie mit ihren winzigen Händen über seine Haut, hauchte sein Ohrläppchen an und flüsterte:
„Schenk ihm doch den Sprung! Er würde sich so freuen. Er rechnet ja selbst nicht damit, – “

„ – daß du das je schaffen würdest!“
Kilian hatte nach dem Sprung im Wasser gewendet. Während er zum Beckenrand zurückschwamm, sah er Sieger in die Hände klatschen, lachen und die Daumen heben.
„Ich muß mich entschuldigen, Junge, ich hatte dich wohl unterschätzt. Was die Registrierung angeht …“
Kilian stemmte sich in den Rollstuhl, den der Trainer herangeschoben hatte.
„Das hat keine Eile. Ich habe ja noch drei Wochen Zeit. Aber ein Bier würde ich jetzt gern trinken.“

Der Autor räkelte sich, schüttelte den Kopf und rieb den verspannten Nacken. Am Schreibtisch einzuschlafen! Und wie seltsam er geträumt hatte ... er konnte sich kaum noch erinnern. Der Bildschirm hatte sich ausgeschaltet.
Was hab ich denn zuletzt geschrieben?, dachte er und streckte die Hand nach der Maus aus.

 

Salve Makita,

gerade wollte ich einen Teefleck neben der Maus mit dem Pulliärmel wegwischen, habe mich aber eines besseren besonnen ...

Ehrlich gesagt tue ich mich schwer, einen vernünftigen Komm zu schreiben - die Nähe zu eigenen Werk ist doch zu groß.

Natürlich könnte ich an Kleinheiten rummotzen:
Kilian würde nie Bier trinken.
Mann rettet Frau und springt am gleichen Abend mit ihr in die Kiste ist ein übles Klischee (hier müsste ich zugeben, selbst Klischees in der Vorlage geliefert zu haben).
Wenn man die Polizei anruft, landet man nicht direkt beim Kriminalkommissar irgendwer, sondern bei einem Schupo in der Leitstelle - Kilian als Bruder eines Polizisten wird das wissen.
So, wie Iris es sagt, klingt das, als sei es ganz schrecklich, sich in einen Polizisten zu verlieben.

Aber eigentlich - eigentlich mag ich gar nicht motzen, es hat mir nämlich ausnehmend gut gefallen, Dein kleines, eiterloses Schurkenstück, in dem ich der Gott meiner Figuren sein darf :D.

Pardus

 

Hey Makita!

Mir hat deine Fantasygeschichte gut gefallen. Fantasy? Ja - irgendwie schon, oder? Deshalb ist es mir auch egal, ob da ein paar Klischees drin sind, das passt schon, weil es darum ja nicht geht.

Es geht ja um die Figuren, und darum, dass ihnen Gutes widerfährt. Anders als in den Originalen werden sie in deiner Geschichte getröstet, aufgebaut, sie erkennen zwar zum Teil, dass sie nur Figuren in Geschichten sind - aber sie schaffen es, aus dem "Figurendasein" eine Art Job zu machen: Das ist eben das, was man macht, wenn Tag ist und Gott arbeitet.

Ich habe mich schon oft gefragt, was meine Figuren machen, wenn ich nicht an meinen Geschichten schreibe. Ob sie sich heimlich irgendwo treffen? Ob mich die Heldin hintergeht und mit dem Bösewicht paktiert? Oder ob die zwei, die sich eben erst kennengelernt haben auf dieser Reise, und von denne ich mir sicher bin, es wird noch lange dauern - ja, ob die nicht vielleicht doch am Wegrand im Wald, da, wo es diese kleine Bank gibt und von wo aus man den Sonnenaufgang sieht ... ich weiß es nicht.

Aber es ist schön, es sich vorzustellen und das geht nur, wenn man seine Figuren mag und ihnen etwas Eigenleben zugesteht.

Ganz besonders mochte ich, wie du gewisse Dinge nicht sagst. Das beste Beispiel ist das, wo die Bücher von den Regalen purzeln - man weiß, worum es geht, aber es steht nicht da.

Ein paar Details zum Text hab ich auch noch.

Aus den Augenwinkeln gewahrte er ein weiteres Paar nackter Waden, die unter einem weißlichen Hemdsaum hervorkamen.

Warum ist der Saum nicht weiß? Ich lese hier immer "weiblich" und schüttle den Kopf, blinzle und lese nocheinmal.

einen Zipfel des formlosen Gewandes

Wie sieht es denn aus, wenn es formlos ist?

Hier hätte ich mir etwas mehr Details zu dem Kerlchen gewünscht. Weißt du, einen Mann kann ich mir vorstellen, und dass er eine Badehose trägt geht auch nocht. Aber - ja, wenn dann ein Wesen, das kein Engel ist, in einem formlosen, weißlichen Gewand dasteht, von dem man nicht sagen kann, ob es Männlein oder Weiblein ist - dann hast du gesagt, was man nicht sehen kann, aber: Was kann man denn sehen?

Selbst auf den Augenlidern sind Sommersprossen, dachte Kilian benommen.

Hier nehme ich ihm nicht ab, dass er benommen ist. "Ha! Nur der Gärtner kann der Mörder sein, nur er allein war in all der Zeit zugegen und vor allem: Er hatte ein Motiv", sagte er benommen.

„Woher hast du denn meine Sachen?“
„Oh, ich kenne viele Tricks! Ich hab nachgelesen, wo du sie hingetan hattest, und dann hab ich sie einfach da rausgenommen.“

Der Sprung hier ist gewagt, wenn man nicht weiß, worum es geht.

„Aber es war sein Wille! Er hat sich das alles ausgedacht, und ich muss es ausbaden! Heute erst hat er
mir die falschen Katheter eingepackt, so daß ich seit Stunden nicht – “
„Na komm, das sollte doch jetzt kein Problem mehr darstellen. Ich werd’ auch nicht zusehen, versprochen!“

Hier verschenkst du einen Konflikt. Klar, dass er sich nicht damit zufrieden geben würde, jetzt einfach nur zu pinkeln und aus. Nein, ich denke, er würde schon weiter mit der Muse quatschen. Man kann ja Wut nicht einfach herauspinkeln, denke ich, und mich als Leser lässt der Punkt unbefriedigt zurück.

Wobei man aber sagen muss, dass die ganze Geschichte natürlich viel länger sein könnte, die Idee gibt ja sicher viel bedrucktes Papier her. Aber wenn man es nicht vorhat, vielleicht könnte er sich ja nicht so arg aufregen, dann kommt die Spannung nicht erst auf.

Die Muse schwieg und nestelte an ihrem Haar.

Ich erfahre hier, nach 9000 Zeilen Text, dass die Muse lange Haare hat? Das ist ja fast wie das mit den freundlichen Augen kurz davor.

„Jetzt sag mir nicht, daß ich in ein paar Stunden zurück muss“, sagte Kilian erschrocken und packte sie am Ärmel.

Also: Wenn du erschrocken bist, packst du dann jemanden am Ärmel? Das tut man aus Wut. Hat man Angst, weicht man zurück, weitet die Augen oder, wenn man dazu erstaunt ist, deutet man mit der Hand auf seinen Bauch.

Das Open Air schien jedes Jahr schlechter zu werden.

Do not tell me t'was bad, show me! Wenn du schreibst, sie weiß nicht, weshalb, was interessiert es mich dann? Dann schreib, es war langweilig. Oder sie empfand es als öde. Sag, ihre Freunde hatten Spaß aber sie nicht. Sag, sie wollte schon seit Stunden gehen. Sag, die Musiker waren beim Frisör und das merkte man ihrer Musik an. Sag -, ja sag irgend etwas, aber nicht, dass es "schlechter" wurde. Sag was!

Immerhin führst du hier die Person ein, der ich nachher als Voyeur ins Schlafzimme folgen werde. Da muss ich doch wissen, wer sie ist.

Fürchten muß ich mich nicht, dachte Iris grimmig, mir wird nie jemand hinterherlaufen.

Das klingt so ... hm. Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Es klingt wie der Satz in den Horrorfilmen: "Das Telefon hat geklingelt, aber es war keiner dran!" - "Achwas, Schatz, wer will schon was von uns?"

Sein Gesicht war zerkratzt, ein Auge fast zugeschwollen.

Wenn das geschwollen ist, frage ich mich, wielange die da schon am Boden gelegen haben und was zum Henker die da alles getrieben haben, wovon ich nichts weiß.

Dabei merkte sie, daß er mindestens genauso sehr zitterte wie sie. Sein Gesicht war zerkratzt, ein Auge fast zugeschwollen.
„Danke“, sagte Iris. „Sie haben mir das Leben gerettet!“
Kilian schüttelte den Kopf. Davon wurde ihm so schwindlig und übel, daß er sich fast übergeben hätte.

Ja - hier beißt mich die Perspektive. Warum bin ich jetzt plötzlich in seinem Kopf? Das war doch IHR Absatz. Mich verwirrt das. Ich weiß, manche Autoren machen das gern, dass sie immer in alle Köpfe springen, aber ich bin hier gerne treu und folge der Figur, die in dem Kapitel oder dem Abschnitt eingeführt wurde.

Vor allem, danach gehts gleich wieder zurück zu ihr.

„Jemand hat eine Geschichte darüber geschrieben. Am Schluß verliebst du dich in einen der Polizisten.“
„In einen Polizisten!“

Ja - ähm, genau so hätte ich auch geantwortet. "Schatz, die Welt geht unter, Aliens sind überall, sie haben schon fast alle Kontinente mit ihren Energiestrahlen vernichtet, sie können unsere Gedanken lesen und es hilft auch keine Alufolie. Außerdem ist der Kaffee alle." - "Der Kaffee ist alle?!"

Kilian stand auf und legte schüchtern einen Arm um ihre Schultern.

Das finde ich auch schräg. "Ich haue dir mal ganz scheu auf die Fresse." Er macht das beherzt, er ringt sich durch, er traut sich da was! Schüchtern kann man lächeln, auf der Stelle treten, zu Boden oder zu den Füßen blicken und solche Dinge.

„Ich finde, Johanna Schwarz ist eine sehr vielversprechende – “

Hrhr.

Aber Kilian lachte jetzt so, daß sie mitlachen mußte.

Wie lacht man denn, dass wer mitlachen muss? So! Ah.

So - 'sch 'abe fertig. Insgesamt merkt man, dass du lieber in der Ich-Form schreibst, da schreibst du von dir und es ist okay. In der dritten Person muss man etwas mehr handwerkeln. Figuren am Anfang charakterisieren z.B., nicht erst im Laufe des Textes, sonst riskiert man, dass Bilder kippen und man als Leser die Vorstellung einer Figur plötzlich ändern muss, nachdem man ihr schon lange gefolgt ist.

Spannend finde ich auch, dass du mal Anführungszeichen oben und unten machst, und dann wieder nur oben. Da sieht man, wie der Text gewachsen ist. :)

Liebe Grüße,

yours

 
Zuletzt bearbeitet:

Hui Makita,

ich bin noch ganz zerzaust. Das war ja mal ein aufregendes Copywrite. Dabei hatte ich vorher schon in den Kommentaren gespingst und gedacht, ja, so verselbststaendigte Figuren halt. Und dann las ich den ersten, noch klassischen Abschnitt und dachte, böh, na ja, ist jetzt vom Stil her nicht so schmissig. Aber dann, dann gings los:

Die vertrauten Schwimmbadgeräusche waren verstummt, die Luft wie verdorrt ohne den stetigen, weichen Hall. Jede Stimme wäre hineingefahren wie Sandpapier.

Dann spürte Kilian Wind auf Haar und Stirn, es wurde hell, er sah an sich herab und beobachtete wie von fernher die Stuhlbeine und seine eigenen nackten Waden und Füße, die aus dem Holz auftauchten, als würden sie aus Sirup gezogen.

Wie Du sowas immer weisst. Ich haette dafuer gar keine Worte, weiss aber, dass es genau so waere.
Auch der P'lot gefaellt mir. Das Erbarmen des Autors am Schluss ist so schoen. Aber insgesamt hat mir der Kilianteil noch besser als der Kilianundiristeil gefallen.
Die Muse ist ganz besonders reizend.

da sah er den blumengeschmückten Stuhl, der, an vier Seilen hängend, langsam zu ihm herabgelassen wurde.
hehe

„Schenk ihm den Sprung! Er würde sich so freuen. Er rechnet ja selbst nicht damit, – “
"Schenk ihm doch den Sprung" vielleicht?

„In einen Polizisten?
oder eben beides

„Das war wunderschön“, sagte Iris viel später, während sie vorsichtig Kilians Gesicht streichelte.
Pah! Pah! Pah! Von Dir hoer ich mir nochmal an, dass ich keinen P-Faktor habe. Pah!

So, das Brueten hat sich eindeutig gelohnt.

lg
feirefiz

PS: Jetzt hab ich mich eine Weile gut gefuehlt, weil ich dachte, dass ich meinen Protagonisten ja nichts Schlimmeres als Ueberdruss antue, aber dann fiel mir die Hasenhoelle ein. Oh weh!

 

Wenn man mich hier nicht ständig stören würde, dann käme ich auch dazu deine Horrorstory zu Ende zu lesen und auch noch zu kommentieren. Tststs.

So, hey Mak!ta¡

Ich finds erst mal toll, dass ich darin vorkomme, ich finds weniger toll, dass der Satz nicht zu Ende gesprochen wird - aber ich denke mir da einfach "Autorin" dazu - bzw. ich spreche es für deine Iris zu Ende.

Mir hat das Spaß gemacht, ganz besonders die Idee ist reizend, weil ich nun auch an meine Figuren denke und ich wünsche mir, dass du nen CW von meinen Geschichten machst mit dieser Idee hier. ;D
Mir kam beim ersten Lesen (als ich so gestört wurde) der Anfang zäh und sogar holprig vor und ich wollte dir vorwerfen, du würdest den Anfang so schreiben wie Killian ins Becken fällt - aber bei der zweiten Betrachtung muss ich sagen, gefällt mir das gut.
Der Iris-Teil bzw. der Anfang davon war auch nicht so prickelnd, oder sollte ich den jetzt auch ein zweites Mal lesen?
Was mir am besten gefällt, ist die Idee zu jemanden zu gehen und ihm sagen: Du, hör mal, gleich passiert das und das, ich weiß das, ich habs gelesen. Du bist nur eine Figur. :)
Toll. Und ich bekomme gerade recht große Lust selber was zu schreiben, solche Geschichten mag ich besonders - kleine Inspirationsbäche.

So, konstruktiv ist mein Kommentar vielleicht nicht sonderlich und 'ne Empfehlung kriegst du auch nicht, aber schließlich bin ich ja auch eine vielversprechende Autorin und keine Kritikerin.

Johanna Schwarz

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend!

Erstmal, Pardus,

freut mich, daß es Dir nicht wehgetan hat. Ich will auch noch was zu den Kleinigkeiten, an denen Du nicht herummotzen wolltest, sagen:

Mann rettet Frau und springt am gleichen Abend mit ihr in die Kiste ist ein übles Klischee
Dem Mann ist ein Wunder geschehen, und die Frau hat ihre Zeit eingeholt. Außerdem haben sie nur eine Nacht. Die daraus resultierende Stimmung (dachte ich mir) ersetzt vierzig Tage in der Wüste und locker zwei Wochen Vorspiel.
Wenn man die Polizei anruft, landet man nicht direkt beim Kriminalkommissar irgendwer
Kriminalkommissar Irgendwer habe ich ausgemustert, weil mir diese Figur unangenehm war. Außerdem ist Iris ja nicht vergewaltigt worden, daher wußte auch Kilian nicht mehr, wie die Geschichte weitergehen würde.
Kilian würde nie Bier trinken.
Schenk ihm doch das Bier! :)

Hey yours,

danke für die vielen Textsachen! Ich werd auf jeden Fall noch an der Geschichte basteln (nur heute nicht!) und dabei jede bemängelte Stelle unter die Lupe nehmen. Manches leuchtet mir ein, aber nicht alles; z.B. finde ich, daß die Muse ausreichend beschrieben ist. Ich habe selber keine weiteren Informationen zu ihrem Aussehen, nur ein Schirmchen hätte sie fast noch bekommen, aber dann wußte ich nicht, woher sie das nehmen sollte, und war zu faul, ihr noch einen Schrank oder eine Tasche zu erfinden.

Wenn das geschwollen ist, frage ich mich, wielange die da schon am Boden gelegen haben
Als ich mal mit dem Auge voraus in einen Fenstergriff fiel, schwoll das Auge schneller zu, als ich hoppla sagen konnte. Einem Bekannten ging es nach einer Kneipenszene ähnlich. Lippen und Augenpartie sind Anschwellkönige.
Hier verschenkst du einen Konflikt.
Ja, gern! Brauchst Du noch einen?
"Der Kaffee ist alle?!"
Da mußte ich lachen. Schon klar, daß die Helden auch seitenweise erklären, zweifeln, rätseln könnten. Ich habe beim Schreiben enorm darauf geachtet, das zu vermeiden. An dieser Stelle möchte ich nochmal auf die Ausnahmesituation und die vierzig Tage in der Wüste hinweisen.
Richtig irre macht mich die Bemerkung mit den Anführungszeichen. Wo sind die denn verkehrt? Ich will das verbessern und find's nicht!
Der Sprung hier ist gewagt
Schenk ihn mir.

Lieber feirefiz,

Die Muse ist ganz besonders reizend.
An mein Härrz. Das t'röstet mich.
Das "doch" werd ich in den Sprungsatz einbauen. Das hab ich jetzt zweimal gehört und les es schon, obwohl es noch nicht dasteht.
Pah! Pah! Pah!
Also gut. Ich geb ja alles zu. Leihst Du mir Deinen beim nächsten Mal? Ich möchte damit experimentieren.
Danke auch für den Umlaut. Ich sah richtig, wie Du ihn Dir aus der Herzgrube gewrungen hast.

Sehr geehrte Frau Schwarz,

ich wünsche mir, dass du nen CW von meinen Geschichten machst mit dieser Idee hier.
Trittbrettfahrern wird eine Gebühr in astronomischer Höhe berechnet.
dass der Satz nicht zu Ende gesprochen wird
Was um alles in der Welt hätte Iris denn sonst sagen wollen?
der Anfang zäh und sogar holprig
Dir und allen, die am Anfang holperten, möchte ich raten, den Schluß von "Auf Augenhöhe" zu lesen. Da hab ich ganze Sätze abgeschrieben. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte sind einzelne geklaute Sätze, z.B. der mit dem schlechten Open Air. Das hab ich gebraucht, um das Original nicht zu verlieren.

Euch allen liebe Grüße!
Makita.

 

Hey hey!

Richtig irre macht mich die Bemerkung mit den Anführungszeichen. Wo sind die denn verkehrt?

Sehen Sie selbst:

"Du? Vom Block? Das will ich sehen!"

„Aber leicht bist du trotzdem nicht!“

Die sind ja nicht falsch so. Nur nicht überall gleich.

yourz

 

Hallo Makita,

schön, wirklich schön. Neidisch könnte man da werden. Wirklich gelungene Umsetzung, nur diesen Teil verstehe ich nicht :

Den ganzen Tag war sie rastlos gewesen. Sie kannte das Gefühl gut, es begleitete sie, seit sie denken konnte; ein Gefühl, als renne sie ihrer eigenen Zeit hinterher und verpasse etwas, .. aber es war nicht für sie.

Was war nicht für sie? Das Verpasste? (Ich verstehe zwar, dass du hier den Bezug zur Romanfigürlichkeit herstellst, aber trotzdem ...).

Ansonsten: Kompliment, Kompliment (und ein verschämtes Nachdenken, ob ein zweiter "Schuss" meinerseits nicht doch angebracht wäre. :) )

lg
Dave

 
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Guten Tag, Dave Nocturn,

danke für die Blumen! Das freut mich sehr.

Was war nicht für sie? Das Verpasste?
Genau. Das hat nichts mit der Verbindung zur Romanfigürlichkeit zu tun (obwohl man es prima so sehen könnte, das war mir nur noch nicht aufgefallen). Hier wird ein Gefühl beschrieben, es ist nicht wichtig, was Iris verpaßt und ob sie tatsächlich etwas Konkretes verpaßt.
Die Vorlage-Iris bezeichnet sich im Original als Spätzünderin, da dachte ich mir, sie müsse das an diesem Abend, in dieser Situation besonders stark empfinden.

Lieben Gruß!
Makita.

 

Hallo Makita,

In deinem cw wurde den Figuren aus Pardus Geschichten ein anderes Leben eingehaucht. Die Muse genehmigt den vom Schicksal gebeutelten Figuren augendzwinkernd eine Auszeit von ihrem Schicksal. Pardus Intention, aufzuzeigen wie ihre Figuren den Alltag meistern, ohne sich in ihrem Leid zu verlieren, wirst du mit diesem cw nicht gerecht.
In deinem cw habe ich den Eindruck gewonnen, als ob die Figuren den Wunsch in sich tragen, ihrem Schicksal ausweichen zu müssen, um Lebensfreude spüren zu können, anstatt es anzunehmen wie es ist.
Die Metaebene der Geschichte (die Muse, der Autor), impliziert bei mir den Eindruck, dass deine Geschichte den Auftrag hat, dem Leser unbeschwertes Vergügen zu bescheren.

Sprachlich hat sie mir Vergnügen bereitet.

LG
GD

 
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Hey ho, Goldene Dame!

Pardus Intention, aufzuzeigen wie ihre Figuren den Alltag meistern, ohne sich in ihrem Leid zu verlieren, wirst du mit diesem cw nicht gerecht.
Ha. Das ist wirklich knifflig. Mit diesem Satz wirfst Du grundlegende Fragen auf.

"Etwas nicht gerecht werden" kann viel heißen; das kann heißen: Thema verfehlt!, Aufgabe nicht erfüllt! oder: Kaputtgemacht!
Hier klingt es wie: Geschickt rausgewunden!, was ich gern einfach als Kompliment sehen und stehenlassen würde. Aber ich hab schon so viele Konflikte verschenkt, vielleicht sollte ich diesen behalten.

Zuallererst muß ich zugeben, daß Pardus' Intention - sofern ich sie überhaupt kenne - nicht meine war. Kilian und Iris hatten aus anderen Gründen als den offensichtlichen (Lähmung, Vergewaltigung) mein Mitgefühl erregt, bei Kilian z.B. fand ich ... nee. Das muß ich doch zu den Originalgeschichten schreiben! Ich glaub fast, ich hab keine davon kommentiert. Mach ich aber noch.

In jedem der beiden Hauptoriginale (aus Bruderschmerz hab ich nur, daß Kilians Unfall in einer Zeit stattgefunden hat, als er selbst wahrscheinlich noch Jungfrau war, und daß jemand am Steuer saß) empfand ich gerade bei der Intention einen Bruch. An diesen Brüchen hab ich angesetzt. Grundlage für mein Copywrite war nicht "Pardus und seine Geschichten", sondern "Pardus' Geschichten und ich". Ich bin der einzige Autor, dessen Intentionen ich richtig kenne.

Pardus hatte mir Vorgaben gemacht und sie begründet, eine davon, die ich gewissenhaft verfolgt habe, war, daß er Iris nicht noch einmal vergewaltigt sehen wolle. In diesem Punkt bin ich tatsächlich auf eine Intention des Autors eingegangen, aber nicht auf die Erzählintention von "Tut das weh?", denn da wollte er Iris vergewaltigt sehen, ich hab zugeschaut. Auch da hatte ich aber ein ganz anderes Motiv wahrgenommen, das an dem Polizisten hing und mir unangenehm war (deswegen gibt es den Polizisten bei mir nicht mehr).

"Bruderschmerz" wurde eingestellt, als ich bereits mitten im Schreiben war. Da wußte ich, daß Kilian am Ende meiner Geschichte zurückmuss, denn der Autor brauchte ihn ja noch. Erst wollte ich die Geschichte nicht lesen und so tun, als habe ich sie gar nicht gesehen, dann überflog ich sie ganz bange, hudelte darin herum, lauerte auf Schlaglichter, die meinen Kilian angingen und glaubte en passant noch zu lesen: Er nimmt jetzt an Wettkämpfen teil, er könnte den Sprung also genausogut schon vorher geschafft haben.

Ich habe keine wirkliche Ahnung von den Regeln. Ich sehe Copywrite als ein Spiel, bei dem man sich mit einem Werkstück, das man sich nicht aussuchen darf, intensiv beschäftigen muß, es sich aneignen, ohne es zu besitzen, um etwas daraus zu machen, zu dem man nachher stehen kann. Manchmal erwischt man etwas, das einem entgegenkommt, manchmal muß man kämpfen, das kann unterschiedliche Gründe haben. Ich hab mal gelesen, daß es Leute gibt, hochspezialisierte, die sich mit einem Diamanten wochenlang einschließen, um zu fühlen, wo sie schließlich mit dem Hammer einmal draufhauen müssen, damit er an den richtigen Stellen zerbricht. Und ein Stamm kann so gewachsen sein, daß der Schreiner sofort weiß, wie der Schrank nachher aussehen wird, und trotzdem hobelt, sägt und schwitzt er monatelang.

Copywrite ist ein schönes Spiel. Geschichten schreiben viel weniger vor als Holz, Stein oder Metall. Eine Geschichte könnte als Schrank daherkommen, aus dem man wieder einen Baum macht. Die doofen Naturgesetze kann man vernachlässigen, Schwielen gibts auch keine, dafür den Thrill des Fremden Elements. Man kann daran seine Eitelkeit wetzen, sich in Demut und Disziplin daran üben, den Blick daran schärfen, seine Fähigkeiten und Schwächen zeigen, triumphieren oder schwungvoll untergehen. Zwischen den einzelnen Spielen werden Reden geschwungen, wie man es hätte besser machen können, was man ursprünglich machen wollte, warum man eigentlich hätte gewinnen müssen, wo man verloren hat, was man alles hätte erreichen können, wenn der Partner die Trümpfe richtig mitgezählt hätte etc, richtig wie am Spieltisch. Und genau wie am Spieltisch hören diese Reden wieder auf, wenn die nächsten Karten gegeben werden. Das hab ich schon immer gemocht.

als ob die Figuren den Wunsch in sich tragen, ihrem Schicksal ausweichen zu müssen, um Lebensfreude spüren zu können, anstatt es anzunehmen wie es ist.
Ohne das genauer erklären zu können (Mist!), hab ich hier den heftigen Wunsch zu widersprechen. Die Figuren in meiner Geschichte weichen nicht ihrem Schicksal aus, indem sie eine Nacht lang davon Urlaub nehmen; am liebsten würde ich sogar dramatisch ausrufen: Im Gegenteil!, aber wie soll ich das wieder erklären?
Komisch, wie ich jetzt denke, ich hätte schon wieder den Konflikt verschenkt. Wahrscheinlich seh ich ihn doch nicht deutlich genug, um ihn greifen zu können.
Es freut mich, daß Dir die Geschichte Vergnügen bereitet hat, und ganz toll finde ich, daß Du sogar eine Metaebene darin gesehen hast. Da hast Du mir ganz klar was voraus.

Liebe Grüße!
Makita.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Makita

Es freut mich, daß Dir die Geschichte Vergnügen bereitet hat, und ganz toll finde ich, daß Du sogar eine Metaebene darin gesehen hast. Da hast Du mir ganz klar was voraus.

Ähm, du hast doch die Muse personifiziert ;) und den Autor in die Verantwortung genommen ...

Pardus wollte nicht das Iris noch einmal vergewaltigt wird und das kann ich nachvollziehen, nachdem ich diese Geschichte gelesen habe. Iris gehört zu den Frauen, die lernen müssen, dass ihnen nicht nur Gewalt angetan wurde, sondern, dass man ihnen etwas Schönes genommen hat. Iris findet schließlich ihre Sexualität wieder. Viele Frauen schaffen es nicht. Pardus Geschichte macht Mut.

"

Etwas nicht gerecht werden" kann viel heißen; das kann heißen: Thema verfehlt!, Aufgabe nicht erfüllt! oder: Kaputtgemacht!
Hier klingt es wie: Geschickt rausgewunden!, was ich gern einfach als Kompliment sehen und stehenlassen würde. Aber ich hab schon so viele Konflikte verschenkt, vielleicht sollte ich diesen behalten.

Diese Iris hat Glück gehabt, weil sie ihren Vergewaltigern entkommen ist. Oder? Ich gönne Killian, der von Sieger wegen seiner Behinderung (noch) nicht aufgestellt wird wirklich, dass er ohne Katheder pissen kann, wieder laufen kann und mit Iris schlafen kann, weil diese ihre romantischen Vorstellungen ... Held rettet Prinzessin, Prinzessin verliebt sich in den Helden sich bewahren konnte. Schade, dass Kilian in sein Handicap zurück geschickt wurde. :(
Warum musste er zurück? Weil Pardus es dir nicht auferlegt hat?

Copywrite ist ein schönes Spiel.

Ja, das sehe ich auch so.
und mich nervt eigentlich folgendes:
Zwischen den einzelnen Spielen werden Reden geschwungen, wie man es hätte besser machen

Ich habe übrigens erst deine Geschichte gelesen und muss zugeben die Original geschichten danach gelesen zu haben.

Ich wusste nicht, was ich unter deine Geschichte hätte schreiben sollen, außer dass mich es fasziniert wie bildreich du das Innenleben deiner Protagonisten zeichnen kannst. Trotzden blieben sie mir fern, erreichten mich nicht.

Danach habe ich die Originale gelesen und ich konnte mir Killian und Iris vorstellen. Ich konnte zwischen Zeilen wahrnehmen, wie schmerzlich der Verlust der Sexualität für Iris gewesen sein muss, freute mich für sie, als sie sich überwinden und zulassen, das Glied in ihr genießen konnte. Ich konnte zwischen den Zeilen lesen, das Killian ein Kämpfer war, konnte lesen, wie satt er es hatte dass seine Autonomie in Frage gestellt wurde, konnte erfahren dass er großzügig war, und nicht damit haderte wer für seine Lähmung verantwortlich war. Iris und Killian sind zwei starke Persönlichkeiten im Original. Die Muse übersieht die Stärken, geht drüber hinweg, will ihnen helfen und was passiert?

Sie sind hilfloser geworden in meinen Augen.


Letztendlich will ich deine nicht gut oder schlecht reden. Sie ist wie sie ist und du kannst sie durchaus als dein Werk bezeichnen. CW ist ein Spiel, dass auf der Metaebene Diskussionsstoff liefert. Warum müssen die Figuren leiden?
Warum muss der Leser sich mit den Figuren auseinandersetzen. Warum soll er sich das antun und erfahren wie beschissen so ein Katheder ist. Schreiben wir ihn raus liest es sich doch entspannter. :)

LG
GD

 

Hallo Mme de Lemicka und El Makit,

an dieser Stelle erlaube ich mir, mich ebenfalls einzumischen.

Erstens ist es mir hunzschniezewurscht, was Makita mit meiner Intention macht. Wenn man das böse Wort Prämisse gebrauchen will, so finde ich es gerade spannend, eine Copy dahingehend zu schreiben, die Prämisse des Originals zu ändern.

Zweitens, Makita, haben wir uns wohl missverstanden: als ich schrieb, cih wollte nicht, das Iris ein zweites Mal vergewaltigt wird, so meinte ich: ich will nicht, dass es zweimal passiert. Dass sie also in ihren Polizisten, den Du aus unerfindlichen Gründen nicht magst, Vertrauen setzt, und er dieses missbraucht.

Drittens, liebe Tamara, ist der Katheder ein Katheter, und nicht so furchtbar beschissen, sondern ein sehr nützliches medizinisches Hilfsmittel. Beschissen ist, den falschen dabei zu haben, oder in die Hose zu pullern. Oder von Fußgängern blöde angegafft zu werden, wenn man sich zwanzig Zentimeter Silikon in den Unterleib schiebt.

Und viertens, liebe Makita, wollte ich Iris nie vergewaltigt sehen (und hab das auch nicht gezeigt), sondern ich wollte zeigen, wie sie ein Stück weit ins Leben zurück kehrt. GD hat das ganz richtig erkannt.

Und fünftens - ach lassen wir das.

Schöne Zeit euch beiden,

Panthera Pardus

 

Pardus schrieb:
Drittens, liebe Tamara, ist der Katheder ein Katheter, und nicht so furchtbar beschissen, sondern ein sehr nützliches medizinisches Hilfsmittel. Beschissen ist, den falschen dabei zu haben, oder in die Hose zu pullern. Oder von Fußgängern blöde angegafft zu werden, wenn man sich zwanzig Zentimeter Silikon in den Unterleib schiebt.

Ich fands auch gerade gut, dass ich das lesen konnte wegen Autonomie und so. Das Wort beschissen sollte sich darauf beziehen, das Killian den falschen hatte und er sicch über die Besserwisserei ausgelassen hat. ;)

 

Hallo Makita!

Deine Protagonisten ertragen nie ihre eigentliche Realität, so auch hier, auch hier gibt es wieder eine Geschichte neben oder über der Geschichte. Und es wird halt dadurch eine harmlose Klingeling-Geschichte, eher für Kinder als für Erwachsene.

Da ist zum Beispiel das Verhältnis zwischen Muse und Autor, tut mir leid, aber ich hab da immer den Pumuckl und den Meister Eder vor mir gesehen. :D Das Erotische so einer Beziehung, auch wenn sie ihn küsst und herzt, hast du, sicher absichtlich, völlig weggelassen. Keine Frage, die Muse ist ganz reizend.

und hier:

Das ist dein Autor!“, sagte die Muse schließlich. „Er hat dich erfunden, ist das nicht aufregend? Sicher erlebst du gerade einen sehr wichtigen Moment!“
Kilian dachte darüber nach, während seine Blase spannte.
„Dann ist er für meinen Unfall verantwortlich.“
„Jetzt denkst du falsch. Hat er etwa damals am Steuer gesessen?“
„Aber es war sein Wille! Er hat sich das alles ausgedacht, und ich muss es ausbaden! Heute erst hat er
mir die falschen Katheter eingepackt, so daß ich seit Stunden nicht – “
„Na komm, das sollte doch jetzt kein Problem mehr darstellen. Ich werd’ auch nicht zusehen, versprochen!“
Du nimmst hier natürlich auf die alte Frage Bezug, warum Gott Unglück zulässt, aber die Muse geht leichthin darüber hinweg.

Dann die Sache mit Iris:

Willst du die Polizei noch rufen?“, fragte Kilian.
Iris schüttelte den Kopf. „Lieber will ich die Geschichte hören.“
„Dann laß uns verschwinden, bevor sie aufwachen.“

Iris schloß die Wohnungstür auf, ging Kilian voran durch den schmalen Korridor ins Wohnzimmer und schaltete dabei alle Lichter an. Sie hatte weder aufgeräumt noch gelüftet, jetzt öffnete sie das große Fenster, schob die Bücher auf dem Couchtisch zusammen und stapelte sie auf.


Nie und nimmer nehm ich dieses Verhalten ab. Iris hat gerade Todesangst ausgestanden, und eine der schlimmsten Situationen hinter sich gebracht, und hier macht sie sich Sorgen, dass es vielleicht unordentlich oder schmutzig wirkt, das heißt, sie verhält sich wie eine Frau, die an einem ganz normalen Tag, das erste Mal einen Mann einlädt, und nö, das geht nicht!

Und dann die Sexstelle:

„Ich habe einen erstklassigen Physiotherapeuten“, sagte Kilian, zog sie zu sich auf den Sessel und küßte sie. Für den Weg ins Schlafzimmer brauchten sie lange, und etliche Bücher fielen dabei herunter.

„Das war wunderschön“, sagte Iris viel später, während sie vorsichtig Kilians Gesicht streichelte.
„Es war mein erstes Mal“, sagte Kilian.
„Bei mir auch …“

Warum lässt du das nicht einfach aus, und lässt sie nur schmusen, wenn du über den Sex nicht schreiben willst? Da ein paar Bücher runterfallen zu lassen, erinnert mich an ältere Filme, wo man nach dem Kuss mit der Kamera auf Vögel oder Blümchen schwenkt.

In dieser fiktiven Welt haben handfeste und ernste Dinge keinen Platz, und so ist die Geschichte zwar sehr reizend und lustig zu lesen, aber es bleibt eine Kindergeschichte und auch eine simple "du-schaffst-es"-Geschichte, die mir einfach zu harmlos ist und von der nichts hängen bleibt.


Gruß
Andrea

 

Liebe Andrea!

Da ist jetzt ein Gegengewicht, klasse. Vielen Dank!

Deine Protagonisten ertragen nie ihre eigentliche Realität
Das ist ja schonmal ein Satz, über den man stundenlang debattieren könnte. Allein schon die Sache mit der "eigentlichen Realität", Mamma Mia, so viele Widersprüche auf einmal! Was für eine tolle Gelegenheit, noch einen Konflikt zu verschenken.
und hier macht sie sich Sorgen
Macht sie gar nicht. Sie macht nur ein Fenster auf und Platz auf dem Tisch.
Ich habe mich stets in Situationen-nach-Todesangst am meisten darüber gewundert, wie gelassen man davon wird, wie stoisch, wie leicht man Unglaubliches hinnehmen kann, sobald das Adrenalin vergammelt ist, wie einfach und klar der Blick danach ist. Das muß nicht für lange anhalten, aber eine Nacht trägts auf jeden Fall.
Warum lässt du das nicht einfach aus, und lässt sie nur schmusen, wenn du über den Sex nicht schreiben willst?
Es ist schon wichtig, daß sie miteinander schlafen. Nur muß man ja nicht dabei zugucken, um das zu wissen.
In dieser fiktiven Welt haben handfeste und ernste Dinge keinen Platz
Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Ich finde, ein Wunder zu erleben (und danach zurückzukehren) ist mindestens ebenso handfest und ernsthaft wie vergewaltigt zu werden oder sich Silikon in den Unterleib zu schieben, wobei ich mit Wundern halt mehr Erfahrung habe. Darum glaube ich auch nicht, daß die einfache Aufhebung von Zeit oder Gesetzen eine Welt fiktiver macht, als sie in einer niedergeschriebenen Geschichte sowieso schon ist.
die Muse geht leichthin darüber hinweg.
Aber dafür gibts ja die Leser.

Lieben Gruß!
Makita (hoffnungsloser Fall).

P.S.

den Pumuckl und den Meister Eder
also sowas ... :)

 

Nochmals ich, ich hab doch das Wunderbare überhaupt nicht angegriffen, sondern dass du jeden möglichen Konflikt oder jede Problematik unter den Teppich kehrst.

Was die Vergewaltigungsszene betrifft, obwohl eine starke Szene, hinterlässt sie überhaupt keine Spur in der Struktur der Geschichte, Iris merkt man überhaupt nicht an, dass sie gerade Todesängste ausgestanden hat, nein, sie will sich lieber eine Geschichte erzählen lassen ... Genauso gut hätten sich die zwei einfach so im Wald treffen können und die Geschichte könnte haargenau so weitergehen wie jetzt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei, Andrea,

dass du jeden möglichen Konflikt oder jede Problematik unter den Teppich kehrst.
Warum zum Teufel sehe ich das nicht? Ich geb mir redlich Mühe, echt -
Was sollen denn die Helden tun in einer derart surrealen Situation, als vertrauensvoll den Gesetzen der Situation zu folgen? Alles andere hätte doch nur zum Wiederkäuen von Philosophischem der unnötigsten Sorte geführt und die Geschichte stagnieren lassen.
Ich hab mich in Iris hineinversetzt, mir vorgestellt, das sei mir eben passiert, dann hätte mich jemand gerettet, mir erzählt, was Kilian Iris erzählt, und ich hätte gefühlt, daß das wahr ist. Da hätt ich doch auch nicht mehr die Polizei rufen, sondern lieber die Geschichte hören wollen! Darin lag doch die Chance, daß alles in dieser Nacht anders wird. Das mußte meine Protagonistin einfach merken, sonst hätte ich mich in Grund und Boden geschämt.
bei Kilian war das so: Er sah seinen Autor zum ersten Mal, mußte aber gleichzeitig schrecklichst dringend aufs Klo. Wenn ich vor Gott stehe mit einer vereiterten Zahnwurzel, einem Migräneanfall oder einer Blase, die im nächsten Augenblick platzt, was beschäftigt mich dann zuerst, da ich doch immer noch ein Mensch bin?
Als Kilian vom Pinkeln zurückkommt, ist er gefaßt, gewappnet und bereit, sich auf die neue Situation einzustellen. Fand ich klug und stark von ihm, den absolut angemessensten Umgang mit dem Konflikt überhaupt. Was hätte es gebracht, mit der Muse zu diskutieren, die nur spielt, während der Autor schläft?
Dann die Konflikte überhaupt. Wo ist der Teppich? Alle Konflikte liegen offen herum und wurden deutlich gesehen, sogar "Warum läßt Gott Leid zu?", ein echt starkes Stück Konflikt. Aber was dann? Kann man die lösen? Nein. Wie wäre es in der Geschichte logisch möglich (und der Handlung zuträglich) gewesen, wenn die Helden den Konflikt angepackt hätten, anstatt ihn (und ihre Auszeit) anzunehmen? Dazu hätten sie z.B. den Autor konfrontieren müssen. Aber wie denn? Ihn aufzuwecken hätte, abgesehen von einer komplizierten neuerlichen Deus-ex-machina-Episode, nichts gebracht außer einem logischen Paradoxon mit sofortigem Handlungsende.
Muß man noch die Gedanken und Gefühle der Helden dazu lesen, da man eh weiß, was einem alles dazu durch den Kopf geht? Ist es nicht erstmal Aufgabe von Geschichtenhelden, einen Konflikt auf ihre Weise zu erleben, sodaß der Leser das lesen und darüber nachdenken kann, falls und was er will? Wäre es nicht ätzend langweilig gewesen, in der Geschichte über die Konflikte z.B. diskutieren zu lassen? Auch im echten Leben (:D) ist es oft ein Ausbremser der schlimmsten Sorte, daß über die klassischsten unlösbaren Konflikte immer wieder und zum falschen Zeitpunkt diskutiert wird, anstatt sie wenigstens dann zu vermeiden, wenn es sich so einladend und schmerzlos anbietet. Das hat doch mit Teppich nix zu tun. Das ist Pragmatismus. Vor allem wenn man weiß, daß man sich am nächsten Tag wieder stellen muß.

Konfliktbeladen, aber immer noch komplett ohne Einsicht,
Makita.

 

Aloha!

Für einen kleinen Augenblick war ich der Welt entrückt … Sicher, die Idee ist nicht neu, darüber nachzudenken, was mit den Charaktere, Kreaturen und Welten geschieht, wenn ihre Götter sie unbeaufsichtigt lassen. Was Du hier ablieferst, trifft zumindest meinen Nerv. Idee, Umsetzung und die Melodie im Text finde ich schon beeindruckend. Respekt.

Die Erzählung verliert an keiner Stelle die Bodenhaftung, auch wenn wir uns hier offenkundig im Bereich der Phantastik bewegen. Die gelungene Kombination von Realität und Phantasie ist sehr ansprechend und vermittelt unaufdringlich auch noch eine Botschaft.

In dieser Kombination ist das gut, richtig gut. Die Charaktere sind mir gegenwärtig, Bilder entstehen … Auf der anderen Seite stell ich mir lieber nicht vor, was meine Grazien während meiner Auszeiten anrichten. Die Lösung kann nur lauten: Nie wieder schlafen!


Ein Ding fiel mir – trotz alter Linksschreibung - indes auf:

… , Füßescharren und weitere Schläge.
-> Füße scharren/ das Scharren von Füßen

shade & sweet water
>x<

 

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