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Was wir wollen und sollen

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20.04.2002
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Was wir wollen und sollen

Da haben sie sich nun über die Jahrhunderte hinweg den Kopf zerbrochen, was den den Sinn und Zweck des Schreibens sei.
Die einen sagten Literatur muss klingen, schön und kunstvoll sein, uns amüsieren und erfreuen.
Die andern sagten Literatur muss provuzieren, der Gesellschaft den Spiegelvorhalten und sie ermahnen, wenn sie Fehler macht. Der Schreiber ist Beobachter und Sprachrohr der Gesellschaft, politsch, kuturel, in jedem Bereich.
Dann gab es noch andere die nur für sich schrieben, ihren eigenen Mikrokossmos erstellten um sich, nur sich zu reflektiren und zu verarbeiten.

Dazu gibt es noch tausende verschiedene Arten eine dieser Sichtweisen auszudrücken, verbunden mit Ideologien der jeweigen Zeit.
Aber eines haben sie alle gemein, die Literaten der Weltgeschichte:
Sie haben sich Gedanken gemacht, Gedanken über den Sinn und die Form des Schreibens.

Und heute? Was sagt die neue die "moderne Genaration" der Schreiberlinge und ich meine nicht die bekannten Autoren unserer Zeit sondern uns von kg.de, welche wir noch in den Startlöchrn sitzen und auf eine Change hoffen.
Welche Verantwortung haben wir gegenüber dem Leser?
Soll Literatur unterhalten, oder aufwecken?
Sind wir überhaupt verantwortlich für unsere Schriften oder ist das Produkt genzlich unserm Genie überlassen?
Was ist eurer Stil was eure selbst auferlegte Aufgabe als Autor?

 

Auch mal 'ne schöne Fragestellung.
Für mich gilt: Ich will nicht unterhalten, ich will bewegen. Nicht die Weltgeschichte - die ist mir wurscht - sondern den Leser. Affekte wecken, Emotionen wecken, Gefühle wecken. Das sollte meiner Meinung nach der Ansruch ernsthafter Literatur sein. (Wobei das jetzt nicht heißen muß, daß mein Geschreibsel das auch tut - aber es ist zumindest ein Ziel, irgendwann einmal jemanden "zu bewegen")

Unterhaltungsliteratur ist eben, nun ja, Unterhaltungsliteratur. Sie unterhält. (Ach so) Kunst bewegt. Es ist wie mit Musik: Der dämliche Popmist unterhält zwar ganz gut, aber er bewegt ganz sicher nix und niemanden (außer jetzt beim Tanzen). Ernsthaftere Musik, ob jetzt Klassik oder Prog Metal, ist nicht übermäßig unterhaltsam, weil man beim oberflächlichen hinhören nicht viel davon wahrnimmt. Das kommt erst, wenn man sich Zeit nimmt und ernsthaft zu hört. Dieses Prinzip läßt sich auf alle Kunstrichtungen übertragen und eben auch auf die Literatur.

Zweitens lege ich besonderen Wert auf die Sprache. Das erscheint an sich logisch, weil ohne Sprache keine Schrift. Aber in der Trivialliteratur stumpft die Sprache immer mehr und mehr ab. Sie verliert Möglichkeiten, sie verarmt im Ausdruck. Man sieht das, wenn man Hohlbein, King und Konsorten mit ETA Hoffmann ("Die Elixiere des Teufels") oder M.G.Lewis ("Der Mönch" bzw. "The Monk") vergleicht. Die wunderbare, bezaubernde und romantische Sprache der früheren Dichter ist viel blumiger, viel vielfältiger, voller Metaphern und Träume. Und heute? Bäh!
Das finde ich schade und deswegen ist es meine Intention, eine bunte und blumige Sprache zu verwenden und auf 08/15 Ausdtrücke weitestgehend zu verzichten. (Auch wenn es etwas pseudo und übertrieben klingt - ich muß ja noch lernen)

Heutzutage gibt es zwar auch noch sprachgewandte Autoren, aber die sind selten. Der herr der Ringe ist ein Beispiel für ein sprachliches Meisterwerk - im englischen Original wie in der dt. Übersetzung (die alte, die neue kenn' ich nicht). Aber auch bekanntere Autoren wie zB Walser verwenden noch eine Sprache, die man als solche bezeichnen kann. Zwar nicht auf dieselbe Art wie die alten Dichter, aber mit ungeheurem Wortwitz und einiger Kreativität. Sehr lobenswert! :)
Bei "Crazy" oder "Harry Potter" findet sich dagegen nix, was in irgendeiner Weise erinnernswert wäre (auf die Sprache bezogen). Deswegen mag ich solche Kommerz-Hype-Dahingeklatscht-Unterhaltungsliteratur nicht. Die Lustigen Taschenbücher haben definitiv einen höheren Anspruch! :D

Naja, so seh' ich das.

 

@ Kristin. heist das du erfreust dich lediglich an den Worten und deiner eigenen kreativen Ausdrucksfähigkeit?
Wenn ja, findest du nicht das man mit Sprache noch viel mehr machen kann?
Der Gedanke von Falk z.B gefällt mir sehr gut . Mit Literatur bewegen, die Menschen auf der Gefühlsebene berühren und ihnen damit etwas schenken, was sie nie zuvor erfahren haben.
Ich für meinen Teil würde diesen Gedanken auch als erstrebenwert ansehen, nur das ich noch weitergehe und sage, ich will nicht nur Bewegen sondern auch Verändern.
Das menschliche Denken verändern in dem ich den Menschen in seinem tiefsten Innsersten berühre.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich kann nur über etwas schreiben, was mich tief bewegt, wurmt, aufregt, also darüber, wie ich mich als Individuum in dieser Welt fühle. Ob die Leser darauf reagieren oder nicht, kann ich nicht beeinflussen.

Als in diese Welt unfreiwillig verpflanzter Mensch, bin ich nun mal gezwungen, mich mit meiner Umgebung auseinanderzusetzen, und, um nicht zur Gänze zu verzweifeln, habe ich begonnen zu schreiben. Da ich es tun mußte. Ergo: ich schreibe zuallererst für mich. Allerdings auch mit dem Ziel vor Augen, vielleicht doch noch etwas zu veröffentlichen. Also genauso für andere.

Natürlich freue ich mich wahnsinnig, mehr als man es sich vorstellen kann, wenn jemand auf meine Schreibe reagiert, sei dies nun wohlwollend oder ablehnend.

Was den Stil betrifft denke ich, daß wir in der unsästhetischsten Zeit leben, die die Menschheit je erlebt hat. Da hat Falk recht:

Aber in der Trivialliteratur stumpft die Sprache immer mehr und mehr ab.

Aber, dies geschieht doch eben darum, weil unsere Sprache in allen Lebensbereichen abgestumpft ist, das Ordinäre zum Kult erhoben, zur Richtlinie geworden ist. Deshalb schlägt sich dies auch in der Literatur nieder. Etwas, das mich erschaudern läßt, das mich geradezu zum Erbrechen bringt, ist die unnötig hohe Zahl an Anglizismen im Deutschen. Jemand, der früher ein Verkäufer war (fest angestellt, mit regelmäßigem Lohn), ist heute ein "sales manager" (ohne feste Anstellung, jederzeit austauschbar). Lieber Dialekt, selbst den tiefsten aus der Vorstadt, als diese importierte Verunreinigung (verzeiht den harten Ausdruck). Natürlich bereichern Ausdrücke aus fremden Sprachen ungemein, aber nur bei Begriffen, wo dies nötig ist, bzw., um einen gewissen Effekt hervorzurufen. In den Wiener Dialekt sind viele Elemente aus dem Jiddishen/Hebräischen, dem Polnischen, dem Tschechischen und Ungarischen eingeflossen, was ihn besonders einzigartig, liebenswert und humorvoll macht. Das Deutsche Chuzpe kommt auch aus dem hebräischen Chuzpah (=Frechheit) und bezeichnet halt die Steigerung von Frechheit. Find ich toll! Könnte ohne dieses Wort nicht sein! Ganz zu schweigen von den Ausdrücken aus dem Griechischen und Lateinischen, auch aus dem Französischen, Arabsichen, etc., auch manche Anglizismen, die unsere Sprache durchaus bereichert haben! Da ist ja wünschenswert.

Aber was bitte klingt an "sales manager", "stream line", "cool", "task managing", "theme park" oder "fast food", "Cleansingbürste" etc. liebenswert und humorvoll? Hat das unsere Sprache bereichert? Ich denke nein und sage Pfui!

Die früheren Kulturen gingen unter, da sie einen noch nie gekannten Höhepunkt erreicht hatten. Unsere Kultur wird vermutlich untergehen, da sie gerade dabei ist, auf einen noch nie gekannten Tiefpunkt hinabzusinken.

Gar oft bin ich mit meinem Stil selbst nicht zufrieden, aber die Geschichten, die mir selbst nicht gefallen, kann ich ja noch ändern.

Was wir tun sollten, egal für wen wir schreiben, warum wir schreiben, egal welche Beweggründe und Ziele wir dabei verfolgen, ist, uns zu bemühen, das Beste, wozu wir sprachlich imstande sind, zu Papier zu bringen, damit wir zumindest versuchen, die Verflachung in die Schranken zu weisen. Leider muß ich von mir selbst sagen, daß mir das nicht immer gelungen ist. Oft waren Tippfehler, Beistrichfehler, sowie sonstige Lapsus und Schwachstellen in meinen Texten, auf die Ihr mich immer wieder hingewisen habt (ich kann meinen Kritikern hier gar nicht genug danken).

Das ernsthafte Bemühen um die Sprache ist, was wir tun sollten!

 

@Kristin

Und wie mir die gefallen hat! In unserem Sprachraum ist es ja wirklich schlimm! Das hat mir aus der Seele gesprochen, vor allem gibt es offenbar Vereine, die sich dafür einsetzen.

:)

 

Hm, konntet Ihr die Anglizismen-Liste (die PDF-Datei) runterladen? Mir ist dabei der Rechner abgestürzt, habe sonst aber keine Probleme mit solchen Dateien... Falls sie jemand hat, bitte bitte per Mail an mich. :)

Ich bin ganz der Meinung von Echnaton. Vor allem unsere Dialekte sollten wir pflegen und nicht alles blind übernehmen. In meiner Umgebung sprechen übrigens viele Leute schon die Cent nicht mehr englisch, sondern wie Cäsar aus. Das machen wir jetzt zum Wienerischen... :D

Die Erhaltung der deutschen Sprache und besonders der österreichischen Eigenheiten ist eins, was ich will, mit dem Schreiben.

Sprache ist aber da, um etwas zu sagen, um zu erzählen, um Gefühle darzustellen, um Meinung von sich zu geben, um zum Denken und Mitfühlen anzuregen. Das ist das zweite, was ich will.

Das Dritte ist dann noch das Loswerden von Sachen, die mich bewegen. Hirnwixen bringt nix, man braucht den Austausch mit anderen - das ist so wie beim Sex.

Und "sollen"...?

Niemand hat gesagt, ich soll... Und solange niemand sagt, ich soll nicht, soll ich wahrscheinlich das, was ich will. :)

 

Das schöne an Sprache ist doch, dass sie flexibel auf Gesellschaft und Zeitalter reagiert...insofern kann man auch Anglismen und ordinäre Sprache akzeptieren - ohne sie lieben zu müssen; das Einspielen der Sprache auf die Gesellschaft muss nur objektiv vonstatten gehen.

Schlimm ist es, wenn Sprache für Zwecke missbraucht wird - siehe vor fünfzig Jahren oder - um im literarischen Umfeld zu bleiben - in Orwells 1984.

*doppelplusgut*

Gruß, baddax

 

Ja, es leben jeweils die Teile der Sprache weiter, die verwendet werden. Deshalb verwende ich sie auch - so kann ich den gesellschaftlichen Wandel beeinflussen: indem ich mich nicht beeinflussen lasse. ;)

 

Als hätte ich es geahnt - alle sind einer Meinung, nur ich haue mal wieder voll in die Kerbe. Ist wohl mein Schicksal! :D

Ich bin Unterhaltungsautor! Ich schreibe nur mit einem Ziel - andere zu Unterhalten! Wenn es mir dabei gelingt, sie zum Nachdenken anzuregen - fein, wenn nicht - auch gut. Hauptsache sie haben sich beim Lesen amüsiert.

In einem muß ich Echnaton allerdings zustimmen: Unsere Sprache wird zunehmend verwässert. Immer mehr neu gebildete Wörter (Sales-Manager z.B. ist kein traditioneller englischer Begriff) finden den Weg in unsere Sprache. Auch ich fürchte bei dieser Verwässerung um die Fähigkeit, das auszudrücken, was ich tatsächlich sagen will. Nun bin ich nicht unbedingt ein Freund deutscher Grammatik, doch sollte unsere Sprache nicht so vereinfacht oder verändert werden das sie ihren Charakter verliert.

Ein Teil des Problems sind Vereinfachungen, die das Internet mit sich brachte. Am Anfang herrschte im Internet eine gemeinsame Sprache. Ich bin seit 1993 dabei, kann mich also als Veteran bezeichnen. Seinerzeit schrieb man englisch. Da das viele nicht gut genug konnten um tatsächlich Gefühle oder Meinungen in ihrem Beitrag unter zu bringen wurden die Emotes erfunden. Die gibt's heute noch, obwohl keiner mehr eine Fremdsprache braucht.

Vor einhundert Jahren mußten sich Autoren für das Schreiben eines satirischen Beitrags in einer Zeitung einiges einfallen lassen, heute setzt man einfach in einem Forumbeitrag einen bestimmten Smilie dahinter, und schon ist der Beitrag Satire, ungeachtet des Inhalts. Zu wissen was die einzelnen Smilies bedeuten ist schon fast wichtiger als die Bedeutung einzelner Worte.

Wenn die ersten "Schanze" mit "Chance" verwechseln dann macht sich sogar ein grammatikalischer Totalausfall wie ich Gedanken. :eek:

Kane

 

Wenn ich den Leser unterhalte und dabei noch meine Sicht der Dinge rüberbringe, das reicht mir schon vollkommen aus.
:cool:

Wenn ich versuche, den Leser von etwas zu überzeugen, dann muss ich sicher sein, dass meine Meinung richtig ist.
Doch wer kann das schon von seiner Meinung behaupten?

:D

Viele Grüße!

 

ad Häferl: ja klar, muß man etwas erzählen. Ich sage auch Zent (vielleicht sollten wir's so schreiben). Übrigens: auf den griechischen Zentmünzen steht in griechischer Schrift "Lepta", die alte Untereinheit der Drachme. Ach Hellas, Du hast es besser!, zumindest, was die Untereinheit unserer Währung betrifft. Was haben wir armen Teufel, die die lateinische Schrift benützen? "Cent" Manchmal nenne ich sie scherzhaft Kopeken. Unsere Dialekte, sowie unsere österreichischen Eigenheiten, sollten wir unbedingt erhalten! Auch in Schrift! Bei Dialogen, die hierzulande spielen, etc.

Das Dritte ist dann noch das Loswerden von Sachen, die mich bewegen. Hirnwixen bringt nix, man braucht den Austausch mit anderen - das ist so wie beim Sex.

Das ist eigentlich mein Hauptmotiv, aus dem dann oft eine Geschichte wird. Ohne Austausch ist das ja wirklich öde!

ad baddax:

Schlimm ist es, wenn Sprache für Zwecke missbraucht wird - siehe vor fünfzig Jahren oder - um im literarischen Umfeld zu bleiben - in Orwells 1984.

Sie wird bereits massiv mißbraucht, um uns all den Plunder einzureden.

Die Produkte bekommen Pseudoenglische Namen und somit gelten sie als modern, dynamisch (auch so ein aufs grausigste mißbrauchtes Wort, griech. mächtig, wirksam, in unserem Sprachraum in der Physik die Bewegungskräfte betreffend) und somit als erstrebenswert.

Das schlimmste ist die moderne Wirtschaftssprache! Und was ist mit Ausdrücken wie "Humankapital", ist das nicht so ähnlich wie "doppeltplusgut". Zeigt es nicht, daß wir gerade dabei sind, dort anzukommen??? "Sie sind zu unflexibel", ist das nicht Neusprache? flexibilis, -e = biegsam, geschmeidig; => flectere = biegen, beugen. Jedem der das zu hören bekommt, fühlt sich schuldig, untauglich, nicht stark genug, ausgeschlossen. Sagte man "Sie sind nicht biegbar, geschmeidig", würde die Reaktion anders ausfallen. Mich stören eingedeutschte Lehnwörter aus dem Lateinischen nicht, nur hier handelt es sich um eindeutigen Mißbrauch der Sprache, in diesem Fall halt der lateinischen, um Menschen zu manipulieren. Die Anglizismen von heute hingegen sind einfach nur Stumpfsinn.

Selbstverständlich wird jemand aus einem wiener Arbeiterviertel nicht sagen "Oh Schöne, einer Göttin gleich, möchtest du das Lager mit mir teilen?" Klar wird der sagen "wos is jetzt gemma ind Hapfm oda nääd". Im Dialog, wenn der in der Szene angebracht, auch Vulgäres, klar. Aber außerhalb des Dialogs haben gewisse Wörter der Vulgärsprache nichts verloren. Das ist meine persönliche Meinung. Ich habe auch nichts gegen Unterhaltungsliteratur, wenn sie einigermaßen gut geschrieben ist, im Gegenteil. Aber Unterhaltung muß auch gewissen sprachlichen Ansprüchen genügen, denke ich. Grammatik kann jeder nachschlagen!

So jetzt werde ich zum "matress manager" und "cushion holder", bzw. zum custos cubilis (Betthüter), Matratzenhorcher, wie man in Wien sagt. Es ist schon spät

gute Nacht Euch allen!

 

Oh je, ich wär' da vorsichtiger. Ihr solltet ganz glasklar zwischen Alltagssprache und Schriftsprache (als "Kunstsprache/Sprache der Kunst") unterscheiden.
Wenn die deutsche Sprache zunehmend "verwässert" wird, wie ihr sagt, dann handelt es sich dabei KEINESFALLS um Sprachverfall! Jedenfalls rein wissenschaftlich, also objektiv gesehen nicht. Sprache hat sich immer verändert und vor allen Dingen: Immer vereinfacht!

Achtung, LANGE Ausführung...

Das Deutsche geht auf das Indogermanische zurück, eine Sprache, die heute kaum mehr zu rekonstruieren ist, von der aber dennoch einiges bekannt ist. Daraus entwickelte sich das Germanische und daraus dann wiederum die verschiedenen Westgermanischen Sprachen. Eine davon ist die Deutsche und allein hier gibt es 3(!) verschiedenene Sprachen, nämlich althochdeutsch, mittelhochdeutsch und hochdeutsch.
Über den langen zeitraum dieser Entwicklung ist das Deutsche IMMER einfacher geworden. Beispiel:
Im Indogermanischen gab es noch mind. 8 Substantiv Fälle, Nom, Vokativ, Gen, Dat, Akk, Lokativ, Ablativ, Instrumental-Kasus. Heute, im neuhochdeutschen haben wir noch ein Zweikasussystem auf dem Weg zu einem einzigen Kasus. Der Nominativ und der Genitiv, wobei letzterer langsam verschwindet! Bsp.:
Tag
Der Tag (Nom)
Den Tag (Akk)
Dem Tag (Dat)
Von dem Tag (Gen)

Ein einziger Kasus hat überlebt! Tag. Fertig! Im mittelhochdeutschen hieß es noch
Der Tag
Den Tag
Dem Tage
Des Tages

Und so vereinfacht sich die Sprache immer mehr, aber auf ganz natürliche Weise. Zweites Bsp.:

Das Wort "machen". Keine, aber auch wirklich keine Sau spricht es "machen" aus. Man sagt "machn". Ebenso nicht "geben", sondern "gebm". Das nennt man glaub' ich Lautverschiebung und es ist schon seit Jahrtausenden ein ganz normaler Prozeß. Immer mehr Buchstaben fallen in der gesprochenen Sprache weg und irgendwann schreibt man "gebm" und "machn".
Ja, oh ja, ohne jede hellseherische Fähigkeit kann ich mit einiger Sicherheit sagen, daß ein zeitreisender in der Zukunft kein Wort "machen" mehr im Duden finden wird! Es ist eine Frage der Zeit, bis sich die Schrift der Sprache anpaßt. So allzu lange wird's wohl nicht mehr dauern.

Ähnlich bei der sogenannten "Verwässerung". Die germanische Sprache war nicht gottgegeben, sondern entstand aus vielen anderen Sprachen europäischer Völker. Mit den heutigen Sprachen ist es ähnlich. Wir haben viele griechische und lateinische Begriffe übernommen - nicht, weil es sinnvoll war/ist, sondern weil es den Menschen besser gefiel, bzw. weil an irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte mehr Deutsche das Fremdwort verwendeten als das deutsche Wort!
Oder nehmen wir das Französische. Eine ungeheure Zwittersprache, eigentlich romanisch, aber mit vielen altgermanischen und angelsächsischen Einflüßen. Wir müßten das Französische ja verbrennen, wenn wir etwas gegen die "Verwässerung" der Sprache hätten!

Also: Das Übernehmen ausl. Worte oder das Selbsterfinden unsinniger Anglizismen hat nichts, aber auch absolut gar nichts mit Sprachverfall zu tun. Es ist natürliche Sprachentwicklung. Sonst nichts.
Deswegen ist es mMn schwachsinnig, gegen Anglizismen in der Alltagssprache anzukämpfen.

Fazit:
Sog. "Verwässerung" und Vereinfachung der Sprache sind KEIN Sprachverfall, sondern ganz logisch und natürlich.

Worauf bezog ich mich dann im ersten post? Auf die Ausdrucksmöglichkeiten der literarischen Schriftsprache.
Di leidet nämlich keinesfalls durch "Verwässerung" oder Vereinfachung. Die leidet unter unkreativen, gesichtslosen und (sprachlisch) dummen Autoren!
Jemand kann reden kann wie der letzte "Goßendreck" und trotzdem eine begnadete Schreibe voller Wortwitz haben!

Die Alltagssprache kann machen, was sie will, und, so nebenbei, das macht sie sowieso, auch ohne meine Aufforderung - die ist weit mächtiger als wir, die olle Sprache -, wichtig ist einzig die literarische Schriftsprache!

 

@ Echnaton:
Da hast Du recht. Sprache wird für Werbung missbraucht.
Worthülsen werden zu Speeren mit Widerhaken, die nach dem Konsumenten geworfen werden und in denen dieser oft noch Sinn zu erkennen glaubt. In gewisser Weise ist das auch eine Kunst - mit nichts soviel zu erreichen.
Diese verabscheuungswürdige Möglichkeit mit Sprache umzugehen habe ich zuerst gar nicht mit einbezogen.

Wenden wir uns wieder dem geschriebenen Wort zu; das wollte Marot besprechen.

Gruß, ein noch müder baddax

 

@ falk : wow!
@Baddax und Echnaton: Ihr sagt Werbung und warscheinlich auch die sogenannte Popkultur würden unsers Sprache missbrauchen unsere gedanken manipulieren.
Wenn das so ist wäre es dann eurer Meinung nach nicht die Pflicht von uns Schreiberlingen dagengen zu kämpfen? Diese Themen in unsere Werke mit einzubeziehen und auf genau diesen Missstand aufmerksam zu machen?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hmmm...nicht die Pflicht. In dem Moment, da ich mich an etwas Bestimmten anstosse, mache ich es. Aber wenn ich es als Pflicht ansehen würde, müsste ich andere Wege suchen - denn aus einem Pflichtgefühl heraus entsteht selten etwas Ehrliches. Egal ob Geschichte, Gespräch oder was auch immer.

Nachtrag: Zudem mach ich es dann ja eigentlich auch für mich und nicht für die Gesellschaft, um sie vor was auch immer zu warnen.


Außerdem gibt es glaube ich genug Menschen im Rampenlicht, die vor allem möglichen warnen - manchmal mit Erfolg, meistens nicht.

 

ad baddax: stimmt, wir sind vom Thema abgekommen.

Marot hat aber insofern recht, daß wir versuchen sollten, unsere Kritik an der heutigen Gesellschaft einzuflechten, selbst wenn wir damit gar nichts erreichen. Das allerdings, wenn es im Kontext paßt. Auch in unserer Alltagssprache sollten wir achtgeben, daß wir nicht aus Bequemlichkeit alles nachplappern, alles hinterfragen, was uns da vorgesetzt wird. Die Menschen, die im Rampenlicht stehen und ihre Kritik anbringen werden auch kaum gehört.

Aus Pflichtgefühl, aus schlechtem Gewissen, aus Druck, sei es von außen oder von einem selbst ausgehend entsteht selten etwas Gutes. Aber ich bin oft so wütend und entsetzt darüber, was in unserer Welt geschieht, daß ich das einfach anbringen muß.

Ad Falk: Alle europäischen Sprachen, abgesehen vom Ungarischen und Finnischen, sowie von den keltischen Sprachen in Großbritannien und Irland, sowie vom Albanischen und Baskischen sind indogermanisch. Die ersten geschriebenen indogermanischen Sprachen waren hethitisch, sowie die Sprache der Hurriter und Sanskrit.

Im romanischsprachigen Raum, findet man allerdings nur ganz selten Anglizismen, wieso? Die haben schlichtweg mehr Selbstbewußtsein als wir. Ich denke es ist auch heute noch korrekt zu sagen: des Tages, dem Tage, etc. In manchen Staaten gibt es sogar Sprachkommissionen, die sich damit beschäftigen, welche Entwicklung die Sprache nimmt und was davon nun in die offizielle Sprache (also in Wörterbüchern, Grammatiken, etc.) aufgenommen werden sollte. "Machn" wird sobald niemand schreiben. Das Latinische war ja nur so verbreitet (auch nur in den hochgebildeten hauchdünnen Oberschichten), da es die Sprache der Kirche war. Luther hat damit, den Göttern sei's gedankt, aufgeräumt. Fällt uns eine Perle aus der Krone, wenn wir uns zusammenreißen und Rechner statt Computer sagen, Tatstatur statt keyboard, Ausverkauf statt sales, hoppla statt oops, etc., Hauptseite statt homepage, Netzseite statt site, etc.?

Was ich im Moment will: Daß mir eine neue Geschichte einfällt, bzw. eine ausschmückende Handlung zu meiner letzten, mit der ich nicht zufrieden bin. Es will und will mir nichts einfallen. Seufz!!!

 

"dem tage" kriegst du in 'nem Schulaufsatz auf jeden Fall als Ausdrucksfehler angestrichen! Es ist eben veraltet und wird heute eher als die "poetische" Version angesehen. "Des Tages", also der Genitiv ist auf jeden Fall noch richtig, aber im Schwinden begriffen, deswegen befinden wir uns am Übergang vom Zweikasussystem zum Einkasussystem.

"Im romanischsprachigen Raum, findet man allerdings nur ganz selten Anglizismen, wieso?"

Deine Antwort würde ich nicht gelten lassen wollen. Ich würde nicht sagen "selbstbewußter". Die Anbindung Deutschlands an die englischsprachige Welt ist einfach viel höher als die anderer Länder. Das hängt mit historischen wie wirtschaftlichen wie technologischen Faktoren zusammen, beispielsweise die verbreitung und Nutzung des Internets. Bei uns ist Englisch völlig selbstverständlich. Jeder Deutsche (ältere generationen mal ausgenommen) spricht Englisch, und es ist für uns keinerlei Umstellung nötig, Englisch zu sprechen. Die Sprachen sind ziemlich ähnlich.

Es sind also solche Faktoren, die es für uns normal machen, Anglizismen zu übernehmen, während es für zB Franzosen eine seltsame, wenn nicht gar extrem schwierige Sache sein würde. Versuch mal in Italien oder Frankreich Englisch zu sprechen, dann verstehst du was ich meine. Für die ist das fremd (mal dumm pauschalisiert).

Das war aber immer so in der Sprachgeschichte: Ein Volk übernimmt Wörter derjenigen Sprachen/Völker, mit denen es am meisten zu sprechen und so den meisten kulturellen Austausch hat. Die Anbindung Deutschlands an die USA ist völlig beispiellos für nicht-englisch-sprachige Länder. (Nicht nur politisch gesehen, sondern kulturell)
Und die Sprache zieht da automatisch mit. So wie es immer war. Die Sprache paßt sich uns an, und zwar automatisch. Das ist natürlich.

Ich halte es für einen fatalen Fehler, Sprache regulieren zu wollen. Egal ob jetzt durch Rechtschreibreform oder durch "Sprachbehörden", wie es sie in Deutschland gab (oder halt in Frankreich mehr oder weniger noch gibt...). Das führt nicht zu einer reinen Sprache, sondern zu einer Kunstsprache. Das ist unnatürlich. Nicht falsch, aber ich mag es nicht.

PS: Das bezog sich alles auf die Alltagssprache, weniger auf die literarische Schriftsprache.

 

Lieber falk!

Deiner Theorie zufolge müßten sich das österreichische und das deutsche Deutsch demnächst noch weiter voneinander entfernen. Denn unsere Kontakte haben wir weniger mit England oder Amerika als ihr, bei uns müßte dann etwa das Ungarische wieder mehr in den Vordergrund drängen, denn da haben wir mehr wirtschaftliche Beziehungen und viele fahren dorthin billig einkaufen. Tschechei, Slowakei, und die ganzen Staaten, die früher Jugoslawien bildeten.

Tatsächlich ist es aber so, daß unsere Kinder vom Kabelfernsehen plötzlich viele norddeutsche Ausdrücke übernehmen und das hier nur wenig Gefallen findet. Deshalb gibt es auch viele Leute, die für die Erhaltung des Wienerischen "kämpfen" und das sehr bewußt und oft und viel. Wir werden ja regelrecht zugemüllt mit ausländischen Dialekten, sodaß ich schon die Lehrerin meines Sohnes darauf aufmerksam machen muß, was sie da den Kindern lernt...

Weil es bei uns durch diese Dinge im Fernsehen schon eine ziemliche Front gegen solche Einflüsse gibt, glaube ich auch, daß es Sinn macht, in der Richtung weiterzutun.

Wer sagt denn, daß immer nur wir von anderen annehmen müssen? Die Franzosen nehmen doch nicht deswegen nix von anderen an, weil es ihnen zu schwer ist (da würden sie sich ja selbst ein schlechtes Zeugnis ausstellen...), sondern weil sie ein höheres Selbstbewußtsein als Staat haben, ein Nationalitätsbewußtsein. Da mangelt es bei uns allen, aber bei den Deutschen noch viel mehr, wie man alleine schon an Deinem Posting sieht. Alles widerspruchslos anzunehmen ist denke ich nicht der richtige Weg.

Deutsch ist eine perfekte Sprache, sie bedarf keiner Korrektur durch äußere Einflüsse. Sie muß lediglich verwendet werden.
Und das, was verwendet wird, wird auch überleben (schrieb ich glaub ich schon). So ist eben die Sprache ein Zeugnis darüber, wie sehr sich eine Generation blind anpaßt oder ein eigenes Bewußtsein hat und sich fragt: "Warum sollte ich das annehmen, ich habe doch mein eigenes und das ist gut."

Außerdem: Wenn wir unsere Sprache nicht pflegen, können wir in 50 oder 100 Jahren alle österreichischen Schriftsteller auf den Mist schmeißen (bzw. ihre Bücher), weil das dann keiner mehr verstehen würde. Und alleine dafür zahlt sichs aus.

Köszönöm,
Susi

 

Genau heißt köszönöm "ich danke" - für die Zeit des Lesers. ;)
Liebe Grüße hätte ich nachschauen müssen, köszönöm weiß ich auswendig. :)

Alles liebe
Susi

 

Deshalb gibt es auch viele Leute, die für die Erhaltung des Wienerischen "kämpfen" und das sehr bewußt und oft und viel

wohl auch nur in wien!

Wir werden ja regelrecht zugemüllt mit ausländischen Dialekten, sodaß ich schon die Lehrerin meines Sohnes darauf aufmerksam machen muß, was sie da den Kindern lernt...

man darf nicht vergessen, dass wir nicht bloß sprachlichen bombardments standhalten müssen, auch was das verhalten an sich betrifft werden wir mit - zum größten teil - aus den staaten stammenden mustern konfrontiert, an die sich eben dann viele anpassen!
grauenhaft! man betrachte das verhalten österreichischer jugendlicher und erkennt darin die fernsehstars aus beverly hills.

Außerdem: Wenn wir unsere Sprache nicht pflegen, können wir in 50 oder 100 Jahren alle österreichischen Schriftsteller auf den Mist schmeißen (bzw. ihre Bücher), weil das dann keiner mehr verstehen würde. Und alleine dafür zahlt sichs aus.

kinder rätseln über bernhard! unvorstellbar!

 

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