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Was ist eine Geschichte?

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Ich halte den Begriff "Kodierung" schon für angebracht, schließlich ist Sprache doch ein intersubjektiven Regeln folgender Code. Geistiges wird externalisiert, nach bestimmten Regeln kodiert, zu einem Text angeordnet, zu einer bestimmten Kombination von Zeichen, die vom Leser, der über das gleiche intersubjektive Regelwerk wie der Autor verfügen muss, dekodiert und mit Bedeutung versehen wird. Aus der an sich völlig bedeutungslosen und keinerlei Information in sich tragenden Ansammlung von Pixeln auf dem Bildschirm oder Farbe auf dem Papier wird ein geistiges Konstrukt geschaffen. Also ist es eigentlich der Leser, der einen Text erschafft. Jeder für sich, ganz individuell.
Also trifft "Kodierung" nicht nur auf "Show don't tell" zu, sondern ist, meiner Auffassung nach, ein Prozess, der alle sprachlichen Akte betrifft. Auch einen simplen Bericht zu Papier zu bringen, würde doch letztendlich Konstruktion und Kodierung in deinem Sinne voraussetzten ...

 

Also trifft "Kodierung" nicht nur auf "Show don't tell" zu, sondern ist, meiner Auffassung nach, ein Prozess, der alle sprachlichen Akte betrifft.
Allerdings meine ich nicht die Kodierung von geistigen Inhalten, was die sprachliche Äußerung ist, sondern von Erlebnissen, als eine Art von geistigen Inhalten. Die Kodierung von Erlebnissen kennzeichnet für mich eine "echten" Geschichte.

Ich erkläre das nochmal mit einer anderen Übertragung: Ich erlebe etwas, bzw. stelle mir vor, etwas zu erleben. Betrachte dieses Erlebnis mal als Wolke in meinem Gehirn. Würde ich, um dieses Erlebnis einem Gegenüber zu vermitteln, diese Wolke einfach nur fotografieren, röntgen und ihm dieses Abbild schicken, so wäre dies Wiedergabe, ein Bericht. Wenn ich ihm aber stattdessen passende / passend arrangierte sprachlich-textuelle Impulse sende, die diese Wolke in seinem Kopf nachbilden sollen, dann ist es Erlebniskodierung.

FLoH.

 

Hallo Zerbrösel-Pistole,

mit Konstruktion meine ich, dass man sich Gedanken macht, letztlich ein Konzept entwickelt, warum was wann wie passiert. Ein Autor kann frei konstruieren, aber seinen Texten auch bekannte Konstruktionsweisen zugrunde legen, z.B. einen `Initationsfokus´ - eine Geschichte wird auf den (krisenhaften) Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein hin konstruiert. Damit ist die Grobkonstruktion festgelegt, die Feinkonstruktion bietet noch genug individuelle Arbeit.

Bei pointenorientierten Texten (letztlich gehören Krimis auch dazu) muss man vermeiden die Pointe ungewollt zu früh aufzulösen, hier wird alles auf die Pointe hin konstruiert, genau überlegt was gesagt, was angedeutet, was weggelassen wird, bis dann die Pointe Licht ins Dunkle bringt.

Hoffentlich beantwortet dies deine Frage, wenn nicht muss ich es noch einmal probieren.

Viel Erfolg

tschüß Woltochinon

 

Woltochinon schrieb:
mit Konstruktion meine ich, dass man sich Gedanken macht, letztlich ein Konzept entwickelt, warum was wann wie passiert. Ein Autor kann frei konstruieren, aber seinen Texten auch bekannte Konstruktionsweisen zugrunde legen, z.B. einen `Initationsfokus´ - eine Geschichte wird auf den (krisenhaften) Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein hin konstruiert. Damit ist die Grobkonstruktion festgelegt, die Feinkonstruktion bietet noch genug individuelle Arbeit.
Meinst Du dann mit "Geschichten, die einer Konstruktion zugänglich sind", Geschichten, die eine Prämisse haben? Das scheint mir nämlich fast das selbe zu sein.

 

FLoH schrieb:
Apropros "konstruieren" vs. "kodieren": Das meint für mich nicht das gleiche, denn während ersteres das inhaltlichere, verstandesmäßige innere Arrangement eines Erlebnisses (Was soll in welcher Reihenfolge passieren? >> Wieviele Autos sollen involviert sein? Wie sollen sie ineinander fahren?) bezeichnet, meint letzteres die praktische Übersetzung des Erlebnisses in einen Text, der wie gesagt dem Leser annähernd suggeriert, es selbst erlebt zu haben.
Diese Unterscheidung scheint mir der Semantik bzw. der Pragmatik im semiotischen Modell zu entsprechen: Deine "Kodierung" entspräche dann einer Umsetzung in semantische Zeichen, wogegen die Strukturen der "Konstruktion" nur einer pragmatischen Interpretation zugänglich wären.
Beispiel: Jeder kann (wenn es gut beschrieben ist) nachfühlen, wie es ist, einen Hammer auf den Fuß zu bekommen, aber was bedeutet es, dass sich der Protagonist genau in dem Augenblick auf den Finger haut, als in den Nachrichten der Name "Giesen" fällt?

 

Wenn man mit einer Story etwas aussagen möchte und nicht nur eine Geschichte erzählen will, dann ist es schon wichtig, die Geschichte vorher zu konstruieren, sie zu entwerfen, denke ich. Zumindest sollten schon ein gewisses Konzept stehen ...

 

Es kommt wahrscheinlich auch einfach auf die individuelle Arbeitsweise an, ob man Geschichten lieber vorher bis ins Detail durchplant oder sie beim Schreiben entwickelt (die Geschichte, an der ich grade arbeite, ist so ein Fall: ich weiß ungefähr, wo ich hin will, was ich will, aber noch nicht im Detail, wie es weitergeht).
Zudem kommt es noch darauf an, ob man eine recht komplexe Thematik verarbeiten, Aussagen nicht nur über den Inhalt, sondern auch über die Form transportieren möchte (ich habe zum Beispiel grade eine Story über Determinismus in Planung, die vor dem Schreiben genau durchdacht und ausgearbeitet werden muss, weil es ausschließlich um den Transport einer Aussage geht und dafür auch die Form passen muss).
Ich würde also sagen, es kommt neben den persönlichen Vorlieben auch auf die Art der Geschichte an, welche Herangehensweise die beste ist. Legt man wert auf die Handlung, ist es meiner Meinung nach nicht schlecht, die Geschichte beim Schreiben zu entwickeln (wie du ja auch schon gesagt hast - man kann ja trotzdem eine Prämisse im Kopf haben), will man hingegen primär eine Aussage transportieren, ist eine ausführliche Konstruktion vor dem Schreiben schon ganz hilfreich.

 

Viele Autoren behaupten, sie würden einfach frei Schnauze schreiben, und dann kommt was Tolles bei heraus, und sie verschmähen jeden, der das Wort "Konstruktion" in den Mund nimmt. In der Tat ist rein verstandsmäßige Konstruktion heikel, denn da, wo der logische, zensierende, Gedanken gängelnde Verstand herrscht, kann sich die Kreativität nicht entfalten. Dennoch nehme ich mir heraus jenen Autoren zu unterstellen, dass sie konstruieren, wenn auch unbewusst, dass sie eben ein Talent haben, Kreativität und Konstruktion synergetisch zu verbinden. Man könnte durchaus behaupten, für sie ist beides eins, benutzen den dann einseitigen Begriff "Kreativität" lediglich, um den "Verstandsautoren", welche den Ton (Stoff, Kreativität) erst zusammenmischen und dann ausgestalten (Konstruktion) müssen, die Zähne zu zeigen.


FLoH.

 
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Also ich kann nur von mir sprechen und ich verwende, wie gesagt, beide Arten: das Entwickeln der Story während des Schreibens (natürlich ist auch das eine Konstruktion, denn man überlegt sich ja zwangsläufig nach einem Kapitel, wie das nächste ungefähr aussehen soll. Außerdem hat man schon gewisse Eckpfeiler im Kopf) und das bewusste Konstruieren vor dem Schreiben. Auch wenn man "aus dem Bauch heraus" schreibt, denkt man doch doch bewusst ein paar Absätze voraus und entwickelt das kommende aus dem Vorangegangenen. Niemand setzt sich einfach hin, schaltet das Bewusstsein ab und schreibt drauf los.

 

Zerbrösel-Pistole schrieb:
AErst wenn man das Schreibhandwerk perfekt beherrscht, ist es grenzwertig möglich, sehr gute Geschichten nahezu "herunterzuschreiben"; aber das konnten eben nur ganz wenige, und das waren Meister, und so weiter, blabla; ihr wisst schon was ich meine - wenn ich jetzt in die Schreinerei gehe und meine Kreativität mit einer Humolkasäge auslebe, habe ich danach ein paar weniger Gliedmaßen. :D

Ich halte Autoren, die sich einfach hinsetzten und in einem Rutsch ein perfekte Geschichte schreiben, eh für ein Gerücht. Selbst "Literaturgenies" werden ihren ersten Entwurf wohl noch überarbeiten, glattfeilen, Dinge ändern usw ...
Schließlich sind alles nur Menschen.

 
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Tipp

Hi nochmal.

Ich leide leider auch unter dem Sofort-Korrektur-Zwang. Um diesen auszuschalten, habe ich mir, inspiriert durch Z-P's Posting einen perligen Einzeiler geschrieben, der die Eingabe nicht auf dem Bildschirm ausgibt (Blindtext), sondern in eine Datei schreibt:

Konsole (Linux) schrieb:
floh@homach:~$ perl -e "use Term::ReadKey; my \$blindtext; ReadMode 2; \$blindtext .= \$_ while <STDIN>; ReadMode 0; print \$blindtext;" > blind.txt

Als Skript ist es wahrscheinlich besser:
blindinput.pl schrieb:
#!/usr/bin/perl -w
use strict;

use Term::ReadKey; ReadMode 2;
# Wenn perl das Modul nicht finden kann, herunterladen unter
# http://search.cpan.org/~jstowe/TermReadKey-2.30/ReadKey.pm

my $blindtext;

# Text einlesen. Abschluss mit Strg-D (Windows: Strg-Z).
$blindtext .= $_ while <STDIN>;

# Ausgabe nach STDOUT (Konsole oder Datei)
ReadMode 0; print $blindtext;


Unter Linux nicht vergessen, das Skript noch ausführbar zu machen (chmod +x blindinput.pl) und dann halt "./blindinput > datei.txt", um in eine Datei zu blindschreiben oder "... >> datei.txt", um Blindtext an eine existierende Datei anzuhängen.

Natürlich braucht man kein Linux, um dieses Skript auszuführen. Mittels Active Perl sollte es auch unter Windows klappen. (Da ist Term::ReadKey sogar schon beigelegt ... glaube ich jedenfalls)

Optimal wäre natürlich ein GUI-Tool oder sogar ein Add-on für M$-W... *räusper* OpenOffice.org Writer. Mach ich aber nur gegen Geld :p. Aber vielleicht gibt es schon was in der Richtung unter Windows, weiß nicht.


FLoH.

 
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Wenn es bei dir wirkt ... ich scroll nach den ersten drei Wörtern nach oben, "nur um mal zu schauen, kann ja gleich weiterschreiben". Meine Variante hat den Vorteil, dass ich mich entscheiden muss: Abbrechen und schauen was man geschrieben hat, oder im Schreibfluss bleiben.

Ups, jetzt sind wir aber sehr weit weg vom Thema. Lasst uns wieder darauf zurückkommen.


FLoH.

edit: Scrollen und Zoomen sind verschiedene Dinge, jaja. Macht keinen Unterschied.

 

Läuft bei mir völlig unterschiedlich ab: Wenn ich auf einem Block schreibe, kritzel ich normalerweise die Geschichte runter und lese nicht nach - das ist bei meiner Schrift auch viel zu anstrengend. Die erste Korrektur findet beim Übertragen ins Textverarbeitungssystem statt.

Wenn ich direkt am Computer tippe, scroll ich manchmal tatsächlich gerne wieder hoch, sobald ich einen Absatz fertig geschrieben habe. Das kann ganz hilfreich sein, wenn man noch nicht im Schreibfluss ist und stockt, einfach um in der Geschichte zu bleiben. Wenn ich dann tatsächlich im Schreibfluss bin, brauche ich das natürlich nicht mehr. Mich hier technisch einschränken zu lassen, naja, das wäre, denke ich, für mich eher kontraproduktiv.

Auch beliebt: Hinsetzen. Schreiben. Aufstehen. Durch die Wohnung laufen (sinnierend und nachdenkend). Wieder hinsetzen. Weiterschreiben.

 

Herrje, was habe ich angerichtet! Zum Thema Schreibmethodik gibt es schon tausend andere Threads, und ich glaube, dass uns in diese Richtung weiter gehende Überlegungen sonstwohin führen, nur nicht zu einer Lösung der Frage: "Was kennzeichnet eine Geschichte im Vergleich zu anderen Textarten?"
Also, wenn ich mir mal kurz moderative Kompetenz anmaßen darf: Bevor ich ein weiteres Posting reinstelle, lese ich nochmals Woltochinon#1! :)

FLoH.

 

Entschuldigt bitte meine verspätete Reaktion, es ging aus verschiedenen Gründen nicht früher.

Hallo Naut,

„Meinst Du dann mit "Geschichten, die einer Konstruktion zugänglich sind", Geschichten, die eine Prämisse haben? Das scheint mir nämlich fast das selbe zu sein.“

- Ich meine mit „Geschichten, die einer Konstruktion zugänglich sind“ nicht nur, dass sie der formalen Logik entsprechen (wahrscheinlich hast du den Begriff „Prämisse“ auch nicht streng der formalen Logik zugeordnet), dieser Ansatz scheint mir zu einschränkend, als Sonderfall ist er sicher zutreffend.
Der Leser erwartet – je nach fiktiver Realität des Textes - sicher eine gewisse, dem Text innewohnende Logik, letztlich lässt sich >> immer ein System erfinden, in dem ansonsten unschlüssige Indizien plausibel werden<< (Eco, Cambridge University Press, `92). Es ist natürlich die Frage, ob sich ein Leser auf so eine Systemfindung einlässt, die Pragmatiker sind eher gegen diese Interpretationsstrategie - und schon habe ich das Thema gewechselt :D

Hallo Zerbrösel-Pistole,

„Nicht selten wird darauf hingewiesen, dass eben das Konstruieren einer Geschichte nicht allgemein zu empfehlen sei.“

Ja, doch diese Kritik richtet sich nicht (wenn einigermaßen überlegt) gegen die Konstruktion an sich, sondern gegen eine gewisse Mechanisierung bei der Konstruktion. (Hat man oft bei amerikanischen Krimiautoren, gleich ob `The Firm´ oder `Da Vinci Code´). Letztlich ist jede Geschichte konstruiert (weil der Text sonst keine Geschichte ist, der Wechsel der Erzählebene muss - bewusst oder nicht - konstruiert werden).
Mir geht es darum, dass man durch Beschäftigung mit dem Thema `Konstruktion´ verschiedene Möglichkeiten kennen lernt, aus diesem Fundus dann kreativ schöpfen kann. Verschiedene Inhalte bedürfen einer verschiedenen Form, das trifft auch auf die Konstruktion zu.

LG,

tschüß Woltochinon

 

Gedichte und Einkaufszettel zu löschen, ist absolut in Ordnung. Immer da, wo die formale Kritik mit der inhaltlichen Kritik vermischt wird, wird es verdammt schwierig.
„Wir meinen mit "Kurzgeschichte" zwar nicht unbedingt den Literaturbegriff Kurzgeschichte, sondern eher einen etwas weiter gefassten Begriff, aber es sollte dennoch erkennbar bleiben, dass es sich bei dem Text um eine Geschichte handelt. Vollkommen sinnfreie Texte werden gelöscht.“
Ich kann in dieser Forumsregel (vielleicht habe ich ja nicht die richtige gefunden) Katlas Lösungswunsch nicht wiederfinden. Egal wie wortreich und pädagogisch sie ihre Forderung verkleidet.
Herzlichst Heiner

 
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@Löschung
Ist nur noch die Frage, wer entscheiden soll, wann ein Text eine Kurzgeschichte ist.

Ich würde ein Komitee aus bewährten Kritikern vorschlagen, die autonom entscheiden oder den demokratischen Weg wählen: Ab sofort können angemeldete Forumsmitglieder auf einen neu einzurichtenden Button (ähnlich des Facebook „Gefällt mir“-Buttons) ihr Löschvotum abgeben und bei mindestens 20 negativen Eingaben wird die Geschichte automatisch für 4 Tage in das neu einzurichtende Lösch-Center verschoben, um, falls keine gründliche Überarbeitung mit anschließend positiver Rückmeldung eines noch zu gründenden Komitees erfolgt, eine endgültige Löschung zu veranlassen ist.

 
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Natürlich nicht! Oder vielleicht doch? Ist es denn so abwegig?

 

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